Fehlender Klimaschutz im Verkehr: Deutschland drohen Milliardenkosten
Deutschland ist Schlusslicht bei EU-Verpflichtungen zur Emissionsreduzierung. Um die nationalen Klimaziele zu erfüllen, wird die Bundesregierung Emissionszertifikate in Höhe von bis zu 16,2 Milliarden Euro kaufen müssen, so lautet das Ergebnis einer neuen Studie der Umweltorganisation Transport & Environment (T&E).
T&E analysierte die Entwürfe der nationalen Klimapläne (NECPs) aller EU-Länder und kommt zu dem Ergebnis, dass zwölf, darunter Deutschland als Schlusslicht, ihre nationalen Klimaziele im Rahmen der Lastenteilungsverordnung (Effort Sharing Regulation, ESR) ohne Sofortmaßnahmen verfehlen werden. Gemäß der Lastenteilungsverordnung müssen die Mitgliedstaaten der EU ihre Emissionen in den Sektoren Straßenverkehr, Gebäude, Kleinindustrie, Abfall und Landwirtschaft bis 2030 um insgesamt 40 Prozent im Vergleich zu 2005 reduzieren. Alle Mitgliedstaaten müssen bis zum 30. Juni ihre nationalen Energie- und Klimapläne vorlegen, die darlegen, wie sie diese Ziele erreichen wollen. Die T&E-Analyse zeigt jedoch, dass die geplanten Maßnahmen der EU-Länder insgesamt nur zu einer Reduktion von 35,5 Prozent führen werden.
Emissionszertifikate: 16,2 Milliarden Euro nötig
Deutschland steht dabei besonders unter Druck. Der nationale Projektionsbericht 2024 weist auf eine Lücke von 126 Millionen Tonnen CO2 bei den ESR-Emissionen hin. Ohne sofortige und umfassende Maßnahmen droht Deutschland, einen erheblichen Teil – 70 Prozent - der EU-weit verfügbaren Emissionszertifikate kaufen zu müssen. Einige Länder wie Spanien, Griechenland und Polen werden ihre Emissionsziele voraussichtlich übertreffen und dann in der Lage sein, Emissionszertifikate zu verkaufen. Spanien könnte sein Ziel für 2030 um sieben Prozentpunkte übererfüllen und dabei bis zu zehn Milliarden Euro durch den Verkauf von Zertifikaten einnehmen.
Aktuell wird der Preis für ein Emissionszertifikat auf 129 Euro geschätzt. Da aber mehrere Länder ihre Ziele verfehlen könnten, werden ohne sofortige Maßnahmen die Preise für Emissionsgutschriften steigen, mahnt T&E. Im Rahmen von Versteigerungen könnte dies die Kosten für Deutschland weiter in die Höhe treiben. Der Studie zufolge könnte die Bundesregierung bis zu 16,2 Milliarden Euro für den Kauf von Emissionszertifikaten aufwenden müssen.
Verkehrssektor überschreitet Zielvorgaben um 12,8 Millionen Tonnen CO2
Hauptverantwortlicher für die drohende Verfehlung der Klimaziele in Deutschland ist der Verkehrssektor. Erst im April dieses Jahres berichtete der Expertenrat für Klimafragen (ERK), dass trotz eines Gesamtrückgangs der deutschen CO2-Emissionen um etwa zehn Prozent im Jahr 2023 der Verkehrssektor seine Zielvorgaben um 12,8 Millionen Tonnen CO2 überschritten hatte. Zwar mag die Bundesregierung im Rahmen der Novelle des Klimaschutzgesetzes (KSG) die Sektorziele abgeschafft haben, sodass die Emissionsziele zukünftig nicht mehr sektoral, sondern insgesamt betrachtet werden, auf EU-Ebene bleiben diese aber bestehen.
Die von der FDP geforderte Novelle des KSG sei daher nicht mehr als ein "Taschenspielertrick" gewesen, kritisiert Sebastian Bock, Geschäftsführer von T&E Deutschland. "Die schiere Höhe der Zahlungen, die Deutschland im Jahr 2030 möglicherweise leisten müsste, ist atemberaubend. Volker Wissing steht vor einer klaren Wahl: Entweder er zahlt für den verschleppten Klimaschutz Milliarden an unsere Europäischen Nachbarländer oder er fängt endlich an beim Klimaschutz im Verkehr ernst zu machen." Er fordert Verkehrsminister Volker Wissing auf, ein ambitioniertes Sofortprogramm vorzulegen, das den Straßenverkehr zügig elektrifiziert und den Ausbau von Bahn und öffentlichem Nahverkehr als echte Alternativen vorantreibt. Auch der Klimarat schlägt Sofortprogramme und Maßnahmen wie eine Erhöhung des CO2-Preises, das Vorziehen von Emissionsobergrenzen und den Abbau klimaschädlicher Subventionen vor. [ks]
Transport and Environment: Fehlender Klimaschutz im Verkehr: Deutschland drohen als Schlusslicht bei EU-Verpflichtungen Kosten in Milliardenhöhe
Expertenrat für Klimafragen: Prüfbericht Emissionsdaten des Jahres 2023
Umweltbundesamt: Integrierte Energie- und Treibhausgasprojektionen
Europäische Kommission: Factsheet: Commissions assessment of NECP Germany