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„Hoekstra tritt in große Fußstapfen!“
EU-News | 13.10.2023
#Klima und Energie

„Hoekstra tritt in große Fußstapfen!“

Protrait von Wopke Hoekstra, EU-Klimakommissar am Schreibtisch bei laufender Videokonferenz mit Xie Zhenhua, Sonderbeauftragter für Klimawandel, Ministerium für Ökologie und Umwelt der Volksrepublik China
© Europäische Union - Audiovisual Service, 12.10.2023
Wopke Hoekstra während einer Videokonferenz mit Xie Zhenhua, Sonderbeauftragter für Klimawandel, Ministerium für Ökologie und Umwelt der Volksrepublik China.

Interview mit Elena Hofmann, DNR

Die Wahl von Wopke Hoekstra zum Klimakommissar, ein ehemaliger Manager des Ölkonzerns Shell, ist manchen EU-Parlamentarier*innen sauer aufgestoßen. Wie ist dein erster Eindruck des neuen Kommissars?

Ich war schon ein wenig überrascht, dass er sich in der Anhörung im EU-Parlament klar für eine Reduzierung der Treibhausgasemissionen bis 2040 um 90 Prozent ausgesprochen hat und sich außerdem für ein 2035-Klimaziel stark gemacht hat. Das ist erstmal ein positives Zeichen. Gleichzeitig wäre alles andere auch absurd gewesen, denn in diesem Sommer hat der Europäische Sachverständigenrat für Klimafragen (ESABCC) nicht nur eine Reduktion der Treibhausgasemissionen um bis zu 95 Prozent empfohlen, sondern auch aufgezeigt, dass das realistisch und machbar ist. Insofern sollte das auch für Hoekstra die Richtschnur darstellen. Nun ist es eine Sache, was die EU-Kommission sagt, eine andere, wie die Mitgliedstaaten darauf reagieren. Was mich freut: Es gab diese Woche von einigen Mitgliedstaaten, darunter auch Deutschland, positive Signale in diese Richtung, also dass man wirklich ernsthaft eine Reduzierung um 90 Prozent bis 2040 erreichen möchte.

Als Nachfolger von Frans Timmermans, dem „Vater des Fit for 55-Pakets“, tritt Hoekstra in große Fußstapfen.

In der Tat: Das „Fit for 55“-Paket trägt Timmermans Handschrift. Dass nun voraussichtlich bis 2030 sogar eine weitreichendere Reduzierung der Treibhausgasemissionen kommen wird, als die angestrebten 55 Prozent gegenüber dem Ausstoß 1990, ist ganz klar Timmermans Verdienst. Entscheidend ist, dass mit dem „Fit for 55“-Paket alle Sektoren, also Gebäude, Verkehr, Industrie, Energie und so weiter in die Pflicht genommen werden, sich in den nächsten Jahren in Richtung Klimaneutralität zu bewegen. Wir sind hier sehr viel weiter als noch vor fünf Jahren. Umso wichtiger ist aber, dass alle Dossiers, die noch offen sind, zügig verhandelt werden. Das gilt insbesondere für die EU-Gebäudeffizienzrichtlinie (EPBD). Hier muss Hoekstra die von der EU-Kommission vorgeschlagenen, harten Leitplanken für die Dekarbonisierung des Gebäudesektor beibehalten. Auf schöne Worte müssen Taten folgen. Wir Umweltverbände werden da sehr genau hinsehen.

Die EU-Gebäudeeffizienzrichtlinie hast du gerade schon angesprochen. Welche weiteren Projekte muss Hoekstra jetzt dringend angehen?

Die spannende Frage wird sein: Was passiert in der Klimapolitik im ordnungspolitischen Bereich? Neben der EPBD für den Gebäudesektor ist der Net Zero Industry Act (NZIA) entscheidend, um den Industriesektor zu dekarbonisieren. Der Vorschlag der Kommission ist viel zu vage, man müsste viel stärker darauf dringen, dass nur naturverträgliche und sichere Technologien gefördert werden und eben nicht CCS (Carbon Capture and Storage), Atomkraft oder Biomethan. Ein weiteres, zentrales Thema ist die COP, die UN-Klimakonferenz in Dubai im November.

Was erwarten die Umweltverbände hier von der EU und dem neuen Klimakommissar?

Hoekstra wird als Vertreter der EU zur COP fahren. Er wird sich daran messen lassen müssen, wie engagiert er für ein Phase-Out von fossilen Subventionen eintritt. Auf dieser internationalen Konferenz ist für uns ganz wichtig, dass die EU mit gutem Beispiel vorangeht und ihr Klimaziel für 2030 verschärft. Denn 55 Prozent Treibhausgasreduktion sind zu wenig, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. Dafür bräuchte es 65 Prozent brutto, also ohne die natürlichen Kohlenstoffsenken wie Moore oder Wälder. Hier müsste die EU nachliefern. Wir haben jedoch keine Signale, dass das geschehen wird.

Aber bei der COP geht es ja nicht nur um Ziele; entscheidend ist, dass diese mit finanziellen Zusagen hinterlegt werden. Die EU und andere Industriestaaten haben bereits im Vorfeld der COP finanzielle Unterstützung für die Anpassungen an den Klimawandel sowie für durch den Klimawandel verursachte Schäden und Verluste („loss and damage“) zugesagt. Damit andere Länder mitziehen und auch planen können, wäre eine belastbare Aussage der EU-Staaten und ihrer Partner sehr wertvoll. Bei der Anhörung im EU-Parlament hat Hoekstra jedoch nur von einer globalen CO₂-Bepreisung gesprochen, um daraus notwendige Anpassungen zu finanzieren, unter anderem eben auch Loss and Damage-Finanzierung. Das mag ein Baustein sein. Wichtiger ist, dass die EU zu ihrem Wort steht und das Geld, das sie versprochen hat, auch wirklich bereitstellt.

 

[Interview: Yvonne Martin]

Die Interviewpartnerin

Die Politikwissenschaftlerin (European Studies, International Relations) Elena Hofmann ist Referentin für EU-Klima- und Energiepolitik beim Deutschen Naturschutzring.

Elena Hofmann

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