Klima, Netto-Null und sauberes Wachstum: Der Mission Letter für Wopke Hoekstra
Wopke Hoekstra soll EU-Kommissar für Klima, Netto-Null und sauberes Wachstum bleiben. In ihrem Mission Letter hat Ursula von der Leyen zentrale Aufgaben und Ziele für die kommende Legislaturperiode definiert. Zu seinen wichtigsten Aufgaben zählt die Weiterführung des 'Fit for 55'-Pakets, die Gestaltung einer Post-2030-Architektur und die Entwicklung einer Industriestrategie.
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (EVP) hat in ihrem Mission Letter an Wopke Hoekstra (EVP), dem designierten Kommissar für Klima, Netto-Null und sauberes Wachstum, zentrale Aufgaben und Prioritäten für die kommende Legislaturperiode definiert. Hoekstra wird sowohl mit Altlasten aus der vorherigen Legislaturperiode (2019-2024) konfrontiert sein als auch neue ambitionierte Aufgaben übernehmen, die den bisherigen Kurs der EU-Klimapolitik neu justieren werden. Hoekstra übernahm 2023 die Position von Frans Timmermans, nachdem dieser zurückgetreten war. Umweltorganisationen zeigten sich empört über diese Entscheidung, da Hoekstra zuvor bei Shell tätig war und keine Erfahrung im Bereich Klimapolitik mitbrachte.
Welche Aufgaben erwarten Hoekstra in der kommenden Legislaturperiode?
- Die Prüfung und Anpassung der Nationalen Energie- und Klimapläne (NECPs), die Erweiterung des Emissionshandelssystems (ETS2) sowie die Einführung des Klimasozialfonds. Bereits diese Aufgaben sind nicht ganz ohne, denn die NECPS gelten als vielfach unausgereift, und das ETS2, das ab 2026 auf den Straßenverkehr und den Gebäudesektor ausgeweitet werden soll, kämpft mit Problemen wie schwankender CO2-Preise, Herausforderungen bei der Implementierung sowie Bedenken hinsichtlich möglicher sozialer Auswirkungen. Besonders der Klimasozialfonds, der 2026 aktiv werden und soziale Härten abfedern soll, steht in der Kritik, unzureichend finanziert zu sein – eine Schwäche, die der Niederländer angehen müsste, um die Akzeptanz der Menschen für die Klimapolitik zu sichern. Allerdings lässt das Fehlen klarer Vorgaben im Mission Letter befürchten, dass die soziale Flankierung der Transformation in Hoekstras Aufgabenkatalog nicht von höchster Priorität sein wird.
- Zentrale Aufgabe des Kommissars wird die Entwicklung eines Politikrahmens für die Zeit nach 2030sein, der die bestehende Klimapolitik weiterführt und optimiert. Hoekstra soll Vorschläge erarbeiten, die das Emissionsreduktionsziel der EU auf minus 90 Prozent bis 2040festlegen. Dieses Ziel soll die Grundlage für den Übergang zur Klimaneutralität im Jahr 2050 bilden. Um eine Post-2030-Klimaarchitektur zu entwickeln, beauftragt von der Leyen Hoekstra, einen strategischen Dialog einzuleiten. Diese Architektur soll sicherstellen, dass notwendige „enabling conditions“ vorhanden sind, die die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie fördern und eine gerechte, faire Transformation gewährleisten.
- Zusammen mit dem Vizepräsidenten für Wohlstand und industrielle Strategie, dem Franzosen Stéphane Séjourné (Renew), wird Hoekstra einen Clean Industrial Deal entwickeln. Dieser soll Dekarbonisierungsmaßnahmen und saubere Technologien fördern sowie Investitionen in die grüne Transformation der Industrie stimulieren. Als Teil dieser Strategie wird der Industrial Decarbonisation Accelerator Act eine zentrale Rolle spielen. Wie eine europäische Industriestrategie aussehen sollte, hat der DNR in einem kürzlich veröffentlichten Forderungspapier skizziert.
- Ein weiterer Schwerpunkt wird auf der Entwicklung einer Industrial Carbon Management Strategy liegen, die einen einheitlichen CO2-Markt und die Förderung von Kohlenstoffentnahmen zum Ziel hat. Dabei sollen gezielt schwer zu dekarbonisierende Sektoren adressiert und die Nutzung von Carbon Credits als Geschäftsmodell vorangetrieben werden. Carbon Credits sollen als Anreize für Unternehmen dienen, in Technologien zur CO2-Entnahme zu investieren und diese weiterzuentwickeln, sodass Innovationen und nachhaltige Lösungen in diesem Bereich beschleunigt werden.
- Mithilfe eines Innovationsfonds sollen Investitionen in die Net-Zero-Infrastruktur gesichert werden. Dabei geht es um Anlagen, Technologien und Systeme, die es ermöglichen, Treibhausgasemissionen so weit wie möglich zu reduzieren und verbleibende Emissionen durch entsprechende Maßnahmen auszugleichen. Dazu gehören sowohl die Erzeugung und Nutzung sauberer Energie als auch technologische Lösungen zur CO2-Entnahme und -Speicherung, aber auch die Förderung von Kreislaufwirtschaft.
- Um den Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft zu unterstützen, soll Hoekstra außerdem Steuerreformen ausarbeiten. Dazu wird er in Kooperation mit dem designierten Energiekommissar Dan Jørgensen, einen Rechtsrahmen für den Phase-Out fossiler Subventionen entwickeln und zusätzliche Anpassungen in der Energiesteuerpolitik umsetzen. Bereits in der letzten Legislaturperiode wurde eine Reform der Energiesteuerpolitik angestoßen als die belgische Ratspräsidentschaft einen Vorschlag zur Reform der EU-Energiesteuerrichtlinie vorlegte. Er zielte darauf ab, fossile Brennstoffe höher zu besteuern und klimaneutrale Energieträger zu fördern, wurde vor den Wahlen aber nicht mehr intensiv verhandelt.
- Eine weitere Altlast aus der vergangenen Legislaturperiode: Die CO2-Emissionsstandardsfür Fahrzeuge. Konfliktpotential birgt hier nach wie vor der „technologieoffene Ansatz“ für klimaneutrale Autos ab 2035. E-Fuels sollen nach von der Leyen bei der Dekarbonisierung des Verkehrssektors eine Rolle spielen, auch „durch eine gezielte Änderung der Verordnung zur Festlegung der CO2-Emissionsnormen für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge.“ Dabei stehen E-Fuels in der Kritik, als Klimaschutzmaßnahme viel zu teuer und ineffizient zu sein und den Übergang zur E-Mobilität zu verzögern. Anstatt auf E-Fuels zu setzen, um den Verbrennungsmotor länger am Markt zu halten und ihre Lebensdauer über die Null-Emissionsziele hinaus zu verlängern, sollte Hoekstra klar Priorität auf die Förderung der Elektromobilität und die Entwicklung eines kohärenten Rahmens für die Dekarbonisierung des Verkehrssektors legen.
- Angesichts der wachsenden Bedrohungen durch die Klimakrise wird Hoekstra zudem die Aufgabe haben, den European Climate Adaptation Planweiterzuentwickeln. Ziel ist es, stärkere Anreize für naturbasierte Lösungen zu schaffen und sicherzustellen, dass zukünftige Gesetze gezielter auf Klimaanpassung und Präventionsmaßnahmen ausgerichtet sind.
- Hoekstra wird die EU-Klimadiplomatie weiterführen, die auf eine enge internationale Zusammenarbeit abzielt. Dazu gehört insbesondere die Entwicklung einer globalen Klima- und Energievision für die bevorstehende COP in Brasilien sowie die Förderung neuer Clean Trade and Investment Partnerships.
Hoekstra wird sowohl inner- als auch außereuropäisch ein hohes Maß an Verhandlungsgeschick und ambitioniertes Handeln benötigen, um die Rolle der EU als globalen Vorreiter im Klimaschutz zu sichern und weiter zu stärken. Die Anhörung, die vom Ausschuss für Umweltfragen (ENVI), vom Ausschuss für Industrie (ITRE) und vom Ausschuss für Wirtschaft (ECON) organisiert wird, findet am 7. November statt. [ks]