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PFAS: Rechtsfälle, Solarmodule und Gift in der Küche
EU-News | 26.07.2024
#Chemikalien

PFAS: Rechtsfälle, Solarmodule und Gift in der Küche

Behandschuhte Hand im Labor mit Pipette und Laborgefäßen
© Adobe Stock / kwanchaift

Die Umweltorganisation ChemSec prophezeit wegen der Gesundheitsgefahren eine wachsende Anzahl von Rechtsstreits über per- und polyfluorierte Alkylverbindungen (PFAS). Dabei finden sich PFAS und damit deren Problematik in vielen Alltagsgegenständen, unter anderem in Solarmodulen und Küchengeräten. 

In den letzten 25 Jahren seien in den USA fast 10.000 Gerichtsverfahren wegen angeblicher Schäden durch PFAS eingereicht worden, führt die in Schweden ansässige Umweltorganisation International Chemical Secretariat (ChemSec) aus. Etwa 140 Branchen sähen sich mit Rechtsstreitigkeiten konfrontiert. Schadenswert der bisherigen Vergleiche? 16,7 Milliarden Dollar mit steigender Tendenz. So habe der amerikanische Chemiegigant 3M vor Kurzem zugestimmt, eine solche Klage mit 10,5 Milliarden Dollar beizulegen. 

Es wird teuer - nicht nur finanziell

Nicht nur in den USA, auch in Europa werden zunehmend Rechtsstreitigkeiten über Substanzen aus der PFAS-Gruppe ausgetragen. Die großen Gerichtsfälle in sechs Mitgliedstaaten in Europa seien „erst der Anfang“ gewesen. In Belgien musste sich der oben bereits erwähnte Chemiegigant 3 M vor Gericht verantworten, weil Luft und der Fluss Schelde verunreinigt wurden. In den Niederlanden stand Chemours in Dordrecht vor Gericht, in Schweden Miljö & Teknik in Ronneby (Löschschaum), in Italien die inzwischen bankrotte Firma Miteni, in Frankreich die Firmen Arkema und Daikin im Rhone-Tal und in Deutschland gab es einen Fall in der US/NATO Airbase Spangdahlem.

Per- und polyfluorierte Alkylverbindungen (PFAS) sind menschengemachte organische Verbindungen, bei denen Fluor teilweise Kohlenwasserstoff ersetzt. Natürlich kommen sie nicht vor. Wegen ihrer Langlebigkeit werden sie auch „Ewigkeitschemikalien“ genannt, weil sie in der Umwelt kaum abgebaut werden können. Einige der Substanzen aus der PFAS-Gruppe gelten als krebserregend. In ganz Europa gibt es nach Angaben von ChemSec mehr als 2.000 Standorte, an denen die PFAS-Belastung den für den Menschen als sicher geltenden Grenzwert weit überschreitet. Die Sanierungs- und Gesundheitskosten sind erheblich.

Auf europäischer Ebene liegt ein von fünf Ländern, darunter auch Deutschland, unterstützter Verbotsvorschlag vor, der erstmals eine ganze Gruppe von Chemikalien – rund 10.000 Substanzen zählen dazu - betreffen würde (EU-News 09.02.2023). Inzwischen erwägen auch einzelne EU-Mitgliedstaaten wie Frankreich und Dänemark, nationale Verbote einzuführen (EU-News 12.06.2024).

PFAS auch in Solarmodulen und beschichteten Pfannen

Die Nutzung von Solarenergie ist zweifellos eine der wichtigsten Maßnahmen gegen die Erderhitzung, doch „ein beunruhigendes Problem“ über das „nicht gern gesprochen wird“ liegt in den verwendeten Materialien, mahnt ChemSec. „Die überwiegende Mehrheit der Solarmodule verwendet derzeit giftige und hochpersistente PFAS-Chemikalien in der Außenschicht, um die Haltbarkeit zu gewährleisten. Im Jahr 2022 lag der Marktanteil von PFAS-Materialien in diesen Außenschichten bei fast 80 Prozent, während PFAS-freie Alternativen nur ein Fünftel ausmachten“, führt die Organisation aus. 

Die meisten dieser Produkte seien nicht recyclingfähig, bestätigt Huib van den Heuvel, Chief Commercial Officer bei Solarge, einem niederländischen Solarenergieunternehmen. Das heißt, sobald alte Solarmodule zu Abfall werden, müssen sie entsorgt werden, was auch bei Verbrennung  - dem in Europa üblichen Verfahren – dazu führen kann, dass schädliche Stoffe freigesetzt werden. Der europäische Markt für Solarmodule sei jedoch winzig und mache nur zwei Prozent des Gesamtmarktes aus. Im Rest der Welt landeten alte Solarpaneele stattdessen auf Mülldeponien, wo giftige PFAS in den Boden und das Grundwasser gelangen können – eine erhebliche Gefahr für die menschliche Gesundheit und die Tierwelt. Dabei seien Alternativen vorhanden, so ChemSec, deren Verwendung eine gute Möglichkeit für die Solarindustrie wäre, ihrem grünen Ruf auch wirklich gerecht zu werden. „Nur wenn wir das PFAS-Problem direkt angehen, kann die Solarenergie dem Planeten in vollem Umfang zugutekommen, ohne zur Krise der chemischen Verschmutzung beizutragen“, so die Organisation.

Auch beschichtete Pfannen erlebten in Frankreich gerade eine Art Comeback. Um Pfannen antihaftfähig zu machen, werden sie mit PFTE beschichtet, einer Untergruppe der PFAS-Substanzen, deren toxisches Potenzial weltweit Besorgnis erregt. Das oben bereits erwähnte französische Gesetz gegen PFAS in Konsumgütern enthalte ein Schlupfloch, durch das die französische Firma SEB weiterhin 35 Millionen Pfannen pro Jahr in PTFE tauchen dürfe. Die Firma habe vor der Gesetzesverkündung massiv mobilisiert, sodass Küchengeräte von der Regelung ausgenommen wurden. In einem bezahlten Leitartikel für Politico, ein einflussreicher Brüsseler Infodienst, habe zudem der Verband der europäischen Kochgeschirr-, Besteck- und Haushaltswarenindustrie erklärt, dass ein PTFE-Verbot Arbeitnehmer und Verbraucher treffen würde, kritisierte ChemSec. 

Behauptungen, PTFE sei sicher, sollten nicht nur aus Sicht der Umweltorganisation „mit Vorsicht genossen“ werden. Auch unabhängige Wissenschaftler verwiesen auf die PFAS-Emissionen, die bei der Herstellung von PTFE üblicherweise auftreten. Mit anderen Worten: Um PTFE herzustellen, braucht man PFAS - und zwar jede Menge. Die Auswirkungen davon würden in Abwasserproben in der Nähe der Tefal-Fabrik in Rumilly offensichtlich. Vor zwei Jahren habe die Wasserversorgung der Stadt wegen hoher PFOA-Werte unterbrochen werden müssen - eine schädliche PFAS-Substanz, die vor ihrem Verbot durch die EU im Jahr 2017 zur Herstellung von PTFE verwendet wurde, so ChemSec. [jg]

 

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