Klimaziel 2030 und viel Energie: in Infrastrukturen ohne Fossile, in Gebäuden und im Charta-Vertrag
Während es im EU-Parlament Bestrebungen gibt, das EU-Klimaziel 2030 auf 65 Prozent anzuheben, fordern Klimaschutzorganisationen eine künftige Energieversorgung ohne fossile Brennstoffe. Auch der Energiecharta-Vertrag und die Energieeffizienz von Gebäuden haben diese Woche den Brüsseler Politikbetrieb bewegt.
Guteland: 65 Prozent weniger Emissionen bis 2030
Greenpeace zufolge kündigte die Europaabgeordnete Jytte Guteland (Schweden, S&D) am Dienstag an, das europäische Klimaziel 2030 deutlich anheben zu wollen. Sie unterstütze es, die CO2-Emissionen um 65 Prozent zu verringern statt um 40 Prozent, wie es derzeit noch geplant sei. Gutelands Aussage hat Gewicht, denn sie ist Berichterstatterin im Umweltausschuss (ENVI) des EU-Parlaments und somit maßgeblich am Gesetzgebungsverfahren für das EU-Klimagesetz beteiligt. Dessen Entwurf hatte die EU-Kommission im März veröffentlicht (EU-News vom 05.03.2020). Sowohl Greenpeace als auch das Climate Action Network (CAN) Europe begrüßten Gutelands Ankündigung. Auch auf dem Petersberger Klimadialog stand das 2030-Klimaziel zur Debatte (EU-News vom 29.04.2020).
Voraussichtlich Anfang Juni soll der ENVI über Gutelands Berichtsentwurf abstimmen.
Am morgigen Freitag endet eine wichtige EU-Konsultation, um den Entwurf der EU-Kommission für die Verordnung für das Klimagesetz zu kommentieren. Den Link zur Konsultation finden Sie am Ende des Artikels.
Energieminister*innen unterstützen mehrheitlich Green Deal
Ebenfalls am Dienstag tauschten sich die 27 EU-Energieminister*innen auf einer Videokonferenz über die Rolle des Energiesektors für die wirtschaftliche Wiederbelebung nach der Covid-19-Pandemie aus. Den Minister*innen zufolge kann der Europäische Green Deal, gemeinsam mit den nationalen Energie- und Klimaplänen (NECPs), eine entscheidende Rolle für eine nachhaltige Erholung europäischer Volkswirtschaften spielen. Ähnlich scheinen es die Kolleg*innen im Umweltrat zu halten, denn vier weitere EU-Mitgliedstaaten – Irland, Malta, Slowenien und die Slowakei – gesellten sich zu der Gruppe von EU-Ländern, die einfordern, den europäischen Green Deal zum Herzstück wirtschaftlicher Wiederaufbauprogramme zu machen. So berichtete es das Nachrichtenportal Climate Home News am Freitag.
Kurz nach dem Treffen der Energieminister*innen wandten sich die Umwelt- und Klimaschutzorganisationen CAN Europe, BirdLife Europe, Client Earth, Food and Water Action Europe sowie Friends of the Earth Europe in einem Brief an die EU-Kommission. Darin zeigen sie auf, wie die EU ihre Energieinfrastruktur zukünftig gestalten solle: kurzfristig die wirtschaftliche Erholung sicherstellen und langfristig den Wandel hin zu Klimaneutralität ohne Gasprojekte forcieren.
Mehr Kosteneffizienz bei Energieeffizienz von Gebäuden
Der Europäische Rechnungshof (ECA) hat in seinem am Dienstag erschienenen Sonderbericht zur Energieeffizienz von Gebäuden angemahnt, dass die Kosteneffizienz stärker im Vordergrund stehen sollte. Die Zuweisung öffentlicher Mittel für Energieeffizienzmaßnahmen in Wohngebäuden werde bislang nicht durch Erwägungen zur Kosteneffizienz bestimmt. Obwohl die EU-Kommission ihre Orientierungshilfen verbessert habe, stehe bei EU-geförderten Projekten die Erzielung der größtmöglichen Energieeinsparungen je investiertem Euro nach wie vor nicht im Vordergrund. Es sei darum nicht klar, welchen Gesamtbeitrag die EU-Mittel zu den Energieeffizienzzielen der Union leisteten. Die Prüfer*innen empfehlen, die Planung, Auswahl und Überwachung der Investitionen und somit die Kosteneffizienz der Ausgaben zu verbessern.
Kontroverser Reformentwurf des Energiecharta-Vertrags
Die EU-Kommission hat offenbar einen ersten Reformvorschlag an die Vertragsstaaten des Energiecharta-Vertrags geschickt. Die Umweltrechtsorganisation Client Earth und das International Institute for Sustainable Development warnten am vergangenen Freitag, dass der vorliegende Reformentwurf aus dem Berlaymont für den Energiecharta-Vertrag (Energy Charter Treaty, ECT) nicht ausreiche, um transnationalen Konzernen ihre Sonderklagerechte gegenüber Staaten endgültig zu entziehen. Es gebe lediglich kosmetische Korrekturen, die den ECT nicht “fit for purpose” mache. Beide Organisationen forderten den Vizepräsidenten der EU-Kommission Frans Timmermans auf, einen weitreichenderen Vorschlag auszuarbeiten.
Der ECT ist ein internationaler Vertrag, der nach dem Ende des Kalten Krieges ursprünglich die Integration der Energiesektoren der Nachfolgestaaten der Sowjetunion und Osteuropas in die europäischen und globalen Märkte zur Aufgabe hatte. Die darin enthaltene Klausel zum Schutz von Auslandsinvestitionen macht es Unternehmen möglich, Staaten auf horrende Entschädigungszahlungen zu verklagen. Ein Beispiel ist die Klage des schwedischen Energieversorgers Vattenfall gegen die Bundesrepublik Deutschland aufgrund des 2011 beschlossenen Atomausstiegs.
Im Februar hatten attac, BUND, Campact, das Forum Umwelt und Entwicklung, die NaturFreunde Deutschlands sowie PowerShift ein Positionspapier veröffentlicht, welches Aufschluss darüber gibt, inwiefern der ECT eine ambitionierte Klimaschutzpolitik in der EU und international gefährdet. [aw]
CAN Europe: European Parliament’s climate law rapporteur calls for 65% emissions cuts by 2030
Greenpeace EU: EU Parliament lead negotiator backs 65% climate emission cuts by 2030
EU-Konsultation zum Klimagesetz: European climate law – achieving climate neutrality by 2050
Energierat: Energy sector should play a central role in the recovery plan from COVID-19
CAN Europe: Europe needs fossil-free energy infrastructure
Climate Home News: Four more EU nations back a green post-coronavirus recovery
Europäischer Rechnungshof: Sonderbericht 11/2020: Energieeffizienz von Gebäuden: Kosteneffizienz sollte stärker im Vordergrund stehen
Client Earth: Energy Charter Treaty Reform – a missed opportunity to support the EU’s climate action and the clean energy transition
Positionspapier von attac, BUND, Campact, FUE, NFD und PowerShift: Stolperfalle für den Klimaschutz: Wie der Energiecharta-Vertrag ambitionierte Klimapolitik gefährdet