Attacken gegen NGOs sind Angriffe auf die Demokratie

Ein besonders perfides Beispiel für populistische Desinformation lieferte die Bild-Zeitung im Februar, indem sie behauptete, die bundesweiten Massendemonstrationen gegen Rechtsextremismus würden mit Steuergeld unterstützt. Auch die Kleine Anfrage der Union nach der Bundestagswahl ist ein Frontalangriff auf zivilgesellschaftliche Organisationen, die zu diesen Protesten aufriefen.
Nicht erst seit der schon in der Ausformulierung einseitigen und mit 551 Fragen überdimensionierten kleinen Anfrage der CDU im Bundestag weht den Umweltverbänden in Deutschland ein rauer Wind entgegen. Umweltverbände sind für die Politik oft unbequem. Sie fordern Natur- und Klimaschutz ein, selbst wenn die Politik das nicht auf der Agenda sehen möchte. Sie verteidigen auch unsere demokratische Grundordnung, auf der der freiheitliche Rechtsstaat fußt – und können aus eigener Betroffenheit nicht schweigen, wenn Teile der Zivilgesellschaft – darunter Mitglieder, Ehrenamtliche, Funktionäre und Mitarbeiter*innen etwa mit Migrationshintergrund bedroht werden.
Reform des Gemeinnützigkeitsrechts dringend notwendig
Eine rechtskonservative Politik versucht seit 2019 mit dem Instrument der Aberkennung der Gemeinnützigkeit kritische Stimmen mundtot zu machen. Auf eine Reform des Gemeinnützigkeitsrechts, die die politische Arbeit von Verbänden rechtssicher macht, warten wir deshalb noch immer, wie etwa ein ZDF-Bericht zeigt. Im Wahlkampf zur vorletzten Bundestagswahl griff Friedrich Merz den NABU direkt an – NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger forderte deshalb eine Richtigstellung. Anfragen und Redebeiträge zur Finanzierung und Gemeinnützigkeit von Umweltverbänden gibt es im Bundestag jedoch schon länger. Auch die CDU hat sich hier mit tendenziösen Redebeiträgen hervorgetan. In der letzten Legislaturperiode gab es dazu zudem 15 Kleine Anfragen – alle aus den Reihen der AfD. In der 19. Wahlperiode fragte vor allem die FDP hier wie die AfD mit deutlich negativem Unterton nach – ohne kritikwürdige Sachverhalte zu Tage zu fördern.

Aktuell wird das Thema wieder von der CDU/CSU aufgegriffen. So offenbarte Markus Söder sein krudes zivilgesellschaftliches Weltbild, als er fragte, ob „NGOs wichtiger als Demokratie“ seien. Der inzwischen abgewählte FDP-Vize Wolfgang Kubicki wollte nicht nur das Umweltbundesamt abschaffen, sondern sah NGOs als „Empörungsindustrie“. Die Krone setzte dem Treiben aber die Bild-Zeitung auf, die titelte: „Wer steckt hinter den Massen-Demos in Deutschland?“, und behauptete nachweislich wahrheitswidrig, Bundesministerien würden die Proteste mit Steuergeldern finanzieren. Auch diese Schlagzeile suggeriert, dass der gerechtfertigte Protest Hunderttausender Bürger*innen „gesteuert“ sei.
Doch wie kommt man auf solch krude Ideen? Ist der Gedanke nicht mehr so abwegig, dass die Beeinflussung der öffentlichen Meinung, zum Beispiel durch finanzkräftige Thinktanks in einigen Parteien selbst längst gängige Praxis ist? Und wie groß ist tatsächlich der Einfluss von Großspendern auf die Parteien, wenn man bereits die vergleichsweisen geringen staatlichen Zuwendungen an NGOs im Rahmen der Projektförderung als so gravierend ansieht? Frei nach dem Motto: „Die Kritiker der Elche sind oft selbst welche ...“
Wie politisch dürfen NGOs sein?
Campact wehrt sich gegen die Schmähkampagne der Bild-Zeitung. Damit sind aber die Angriffe in Deutschland noch nicht beendet. Und nach der Bundestagswahl drohen nun weitere Einschränkungen. So möchte die CDU laut ihrem Wahlprogramm die Verbandsklage einschränken. Zur Erinnerung: Die unter anderem völkerrechtlich in der Aarhus-Konvention geregelten Beteiligungs- und Klagerechte sollen Verbänden eine Stimme für all die geben, die selbst keine Stimme haben. Nur durch deren Interessenvertretung können wir der Anwalt der Natur sein!
Irritierend ist auch, dass die gleichzeitigen Angriffe auf die NGOs auch in der EU damit begründet werden, dass diese deren Ansehen schaden würden. Haben aber die Umweltverbände die EU als Institution und Ursula von der Leyen als Kommissionspräsidentin nicht oft inhaltlich unterstützt – bei aller gerechtfertigten Kritik im Detail? Und schließlich: Rufen sie nicht regelmäßig die deutsche Öffentlichkeit und ihre Mitglieder auf, zur Europawahl zu gehen? Fördert es nicht eher das Ansehen der EU, wenn sich große Verbände offen zu ihr bekennen, statt sie wie manche Nutzer und Populisten fortlaufend zu diskreditieren?

Natürlich ist der NABU auch transparent und demokratisch organisiert – und hat in Berlin und Brüssel schon für Lobbyregister geworben, als es sie noch gar nicht gab. Und unsere Finanzierung ist transparent nachzulesen. Aber man fragt sich schon, was dieser hohe Aufwand wert ist, wenn diese Register und die Darstellung der Finanzen in den Jahresberichten einfach ignoriert werden.
Und welchen Beitrag zum Bürokratieabbau leisten 551 Fragen der CDU an die Bundestagsverwaltung, wenn die Antworten bereits vielfach überall nachlesbar sind – oder aber durch Gespräche hätten leicht aufgeklärt werden können? Oder geht es vielleicht gar nicht um Aufklärung: Will man eher von der Förderung von Unternehmens- und Industrie-Lobbyisten ablenken und dazu die unbequeme, eigenständige Zivilgesellschaft im Meinungsbild schwächen oder gar ausschalten? In Ländern wie Ungarn, Italien, der Slowakei oder auch in Russland ist dies bereits gängige Praxis. Bleiben wir also wachsam und stellen uns dem gemeinsam entgegen – es geht um unsere wertegebundene Zivilgesellschaft in einer liberalen, rechtsstaatlichen Demokratie!
Die Autoren
Ingo Ludwichowski leitet beim NABU-Bundesverband in Berlin die Stabstelle Verband und Gesellschaft.
Raphael Weyland leitet das Büro des NABU in Brüssel.