Das Licht der Erkenntnis könnte beim Klimaschutz helfen – wenn man nur wüsste wie
Wissen und Aufklärung können grundlegende Veränderungen herbeiführen. Dafür braucht es aber glasklare Botschaften und eine Kommunikationsstrategie, deren Erfolg oder Nicht-Erfolg überprüft wird. Dann kann tatsächlich die Kehrtwende in der Klimakrise gelingen.
Sie gehört zu den mächtigsten politischen Waffen. Fürsten, Despoten, der Klerus, sie alle fürchteten sie: Information, Bildung, vornehm auch Aufklärung genannt. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Autokraten in aller Welt unterdrücken sie, demokratische Regierungen bauen auf sie, wenn es gilt, politische Ziele zu erreichen. Also beispielsweise Suchterkrankungen zurückzudrängen, die Verkehrssicherheit zu erhöhen oder die Energieeffizienz zu steigern.
Zugleich gehört Aufklärung zu den meistüberschätzten Mitteln. Regierungen setzen auf sie, wenn sie lieber keine klaren Regeln setzen wollen, vor „harter“ Regulierung zurückschrecken, wenn sie grundlegende Veränderungen scheuen – immer dann erscheinen Information, Bildung, Maßnahmen der Bewusstseinsbildung opportun. Dabei gilt, was der Ökonom John D. Sterman auf den Punkt brachte: Die Forschung hat gezeigt, dass es nichts bringt, Menschen Forschung zu zeigen. Zumindest nicht, wenn man allein dadurch Verhaltensänderungen anstoßen möchte.
Wissen allein schafft keinen Umbruch
Was also ist von Wissen als Mittel im Kampf gegen den Klimawandel zu halten? Als erstes Zwischenfazit bleibt festzuhalten: Das weiche Instrument der Aufklärung, der Wissensvermittlung, ist eben – ein weiches. Es wirkt oft erst über die lange Frist. Und damit es überhaupt wirken kann, muss eine Vielzahl anderer Bedingungen gegeben sein. Nirgendwo zeigt sich dies deutlicher als in der Klimapolitik. So ist es beispielsweise problematisch und unter Umständen kontraproduktiv, Menschen zur Nutzung von Bus und Bahn aufzurufen, wenn der Staat zugleich das private Autofahren steuerlich begünstigt. Und es ist vielfach unsinnig, bestimmte Menschen mit dem Argument für Wärmedämmung begeistern zu wollen, man könne damit Geld sparen – wenn es zum ausdrücklichen Selbstverständnis vieler Menschen gehört, dass sie Geiz ungeil finden und sie sich wegen ihrer Kinder für den Klimaschutz einsetzen wollen, ausdrücklich jedoch nicht wegen schnöder finanzieller Vorteile.
Die sozialwissenschaftliche Forschung ergibt: Wer Bürger*innen oder Unternehmen mit Mitteln von Information und Aufklärung für Klimaschutz motivieren will, sollte sehr genau wissen, was er tut. Andernfalls drohen die dafür aufgewendeten Mittel zu verpuffen oder sogar Schaden anzurichten. Denn, wer etwa Menschen zu Verhaltensänderungen pro Klimaschutz animiert, gleichzeitig aber klimaschädliches Verhalten durch Subventionen belohnt, der riskiert Abwehr (fachsprachlich: Reaktanz), Zynismus und Politikverdrossenheit.
Angesichts dieser Ausgangslage lohnt ein Blick darauf, in welchem Umfang der Staat in der Klimapolitik auf informationsbasierte Maßnahmen setzt – und ob er dabei die sozialwissenschaftlichen Befunde zu ihrer Wirkung berücksichtigt. Es geht also um die Frage, ob die Maßnahmen überhaupt erfolgversprechend sein können – oder doch Alibi-Aktionen sind, die Steuergeld verschwenden
Zunächst ist festzustellen: Ausmaß und Umfang informationsbasierter staatlicher Aktivitäten sind erheblich. So stellen Dutzende öffentlich finanzierter Forschungseinrichtungen Informationen über den Klimawandel und dessen Auswirkungen bereit. Zahlreiche Institutionen sind daran beteiligt, über Maßnahmen für den Klimaschutz aufzuklären – vom Umweltbundesamt bis zur Bundeszentrale für politische Bildung, den Energie-Agenturen in Bund und Ländern. Millionen fließen in Kommunikationskampagnen von Ministerien oder in die staatlich geförderte Energieberatung. Darüber hinaus haben Bund und Länder sogar das gesamte Bildungssystem – vom Kindergarten bis zur Berufsschule, vom Gymnasium bis zur Volkshochschule – aktiviert. Unter dem Schlagwort „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ sollen Menschen dazu befähigt werden, verantwortliche und nachhaltige Entscheidungen zu treffen.
Widersprüchliche Botschaften verhindern Verhaltensänderungen
So beachtlich und umfassend dieses staatliche Engagement ist, so erstaunt es doch, wie wenig zielorientiert und strategisch der Einsatz staatlicher Mittel der Information, Bildung und Kommunikation erfolgt. So fehlt ein umfassendes Monitoring, es fehlen Maßstäbe, anhand derer man bewerten könnte, welche messbaren Ziele erreicht werden sollen und inwieweit die eingesetzten Mittel tatsächlich zum Erfolg führen. Auch von einer Auseinandersetzung mit den Befunden der Sozialforschung scheint man bei vielen staatlichen Informationsaktivitäten pro Klimaschutz weit entfernt zu sein.
Um nur ein Beispiel zu nennen, das als Hinweis gelten mag, wie problematisch es ist, mit Verbraucheraufklärung gegen kurzsichtige politische Rahmenbedingungen anarbeiten zu wollen: Im vergangenen Jahr waren 70 Prozent der neu in Deutschland installierten Heizungen Gasheizungen. Eine Zahl, die nicht befriedigen kann – und die darauf hinweist, dass staatlich finanzierte Informationsarbeit nicht funktionieren kann, wenn die Bürger*innen „mixed messages“ hören, also gleichzeitig „Erdgas ist sauber!“ und „Raus aus den Fossilen!“.
Wie mächtig Wissens- und Aufklärungsarbeit sein kann, zeigt hingegen der deutlich zurückgehende Fleischkonsum. Obwohl die politischen Rahmenbedingungen eher auf eine Förderung des Fleischverzehrs ausgelegt sind, sinkt dieser seit Jahren. Offenbar auch ein Ergebnis von Aufklärungsarbeit, die eine Vielzahl gesellschaftlicher Akteure in einer Art Schwarmintelligenz zusammenbringt.
Wir sehen: Wissen hat Potenzial, Aufklärung kann Großes bewirken – aber nur, wenn sie richtig gemacht wird. Höchste Zeit also, dass der Staat die vorhandenen Instrumente in diesem Feld strategisch, wissenschaftsbasiert und wirkungsorientiert einzusetzen beginnt. Eine Bestandsaufnahme, welche staatlichen Stellen hierbei mit welchen konkreten Zielen und welchem Erfolg agieren, wäre ein erster Schritt.
Der Autor
Carel Carlowitz Mohn ist Chefredakteur und Projektleiter von klimafakten.de. Davor arbeitete der Diplom-Politologe und Absolvent der Deutschen Journalistenschule unter anderem als Kommunikationsdirektor Deutschland für die European Climate Foundation. Herausgegeben von klimafakten erscheint demnächst „Über Klima sprechen – das Handbuch“ im oekom Verlag.