Deutschland tut zu wenig gegen Luftverschmutzung
Die Deutsche Umwelthilfe hat vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg Recht bekommen: Die Bundesregierung muss das Nationale Luftreinhalteprogramm ändern, damit es EU-Recht entspricht. Hintergrund ist die nicht ausreichende Umsetzung der EU-Richtlinie über die Reduktion der nationalen Emissionen bestimmter Luftschadstoffe (NEC-Richtlinie).
Es ist zu viel Stickstoffoxid, Ammoniak, Feinstaub und Schwefeldioxid in der deutschen Luft und zu wenig Ehrgeiz in den politischen Plänen gegen die Luftverschmutzung. Eine Klage der Deutschen Umwelthilfe mit Unterstützung der Umweltrechtsorganisation ClientEarth gegen die Bundesregierung war erfolgreich: Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg hat am 23. Juli die Bundesregierung zur Änderung des Nationalen Luftreinhalteprogramms verurteilt. Die Begründung des OVG fußt unter anderem auf Prognosefehlern und nicht einbezogenen aktuellen Daten. Des Weiteren müssten die Maßnahmen geeignet sein, „die in der NEC-Richtlinie festgelegten Reduktionspflichten der Bundesrepublik Deutschland einzuhalten“. Das OVG wies aber ein weiteres Anliegen der DUH zurück, nämlich „von 2025 bis 2029 einen sog. ,linearen Reduktionspfad‘ mit stetig steigenden Reduktionspflichten zu beschließen, der bis auf die ab 2030 geltenden Reduktionsverpflichtungen ansteigt“ – hierzu sei die Bundesregierung nicht verpflichtet.
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) begrüßte das Urteil, da das am 15. Mai 2024 beschlossene Nationale Luftreinhalteprogramm auf in wesentlichen Teilen veralteten Daten beruhe. Die DUH forderte als Sofortmaßnamen „die Nachrüstung von 8 Millionen Betrugs-Dieseln oder deren Stilllegung auf Kosten der Dieselkonzerne, ein Tempolimit von 100 km/h auf Autobahnen und 80 km/h außerorts, die Reduktion der Tierzahlen in der Massentierhaltung für weniger landwirtschaftliche Emissionen und Filterpflicht für Baumaschinen und Holzheizungen“. DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch sagte, dass das Gericht „der Verschleppungstaktik der Bundesregierung einen Riegel vorgeschoben“ habe.
Durch die ungenügende Maßnahmenumsetzung in der nationalen Luftreinhaltepolitik werde den Menschen in Deutschland seit Jahren ihr Recht auf saubere Luft verwehrt, kritisierte die DUH. Allein in Deutschland stürben jährlich knapp 28.000 Menschen vorzeitig aufgrund von Stickstoffdioxid und 68.000 Menschen aufgrund von Feinstaub PM2,5. Weitere Folgen der Luftverschmutzung seien schwerwiegende Erkrankungen, wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Asthma und Schlaganfälle.
Deutschland ist mit seiner schleppenden Umsetzung der NEC-Richtlinie nicht alleine. Nach Angaben der Europäischen Umweltagentur (EEA) haben nur 16 von 27 EU-Mitgliedstaaten im Jahr 2022 ihre jeweiligen nationalen Emissionsreduktionsverpflichtungen für 2020-2029 eingehalten (EU-News 05.07.2024). Und ab 2030 sollen noch strengere Grenzwerte gelten, denn Luftverschmutzung gilt inzwischen als eine der größten Gesundheitsgefahren weltweit. Immerhin: Die Freisetzung von Schadstoffen aus der Industrie in die Luft in Europa ist allgemein rückläufig – übrigens bei steigender Wertschöpfung. Mehr Umweltschutz ist also nicht automatisch gleichbedeutend mit negativen Folgen für die Wirtschaft - im Gegenteil, bestätigt wiederum die EEA. [jg]