Emissionshandel EU-ETS II sozial abfedern: Was denken Klimagruppen in SPD und Union?
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Am 28. Januar diskutierten Vertreter*innen von KlimaUnion und SPD.Klima.Gerecht in Berlin über die Gestaltung des neuen EU-Emissionshandelssystems II (EU-ETS II), das auch Emissionen aus Straßenverkehr und Gebäuden einbezieht. Unser EU-Team war dabei und hörte sich die Ideen an, wie die EU-Regelung in nationales Recht umgesetzt werden soll: Wie kann die CO₂-Bepreisung sozial gerecht gestaltet und mit anderen Klimamaßnahmen kombiniert werden? Während beide Gruppen das Klimageld als zentrale Lösung sehen, unterscheiden sich ihre Ansätze zur sozialen Abfederung und Preispolitik.
Vertreter*innen der KlimaUnion und von SPD.Klima.Gerecht trafen sich zu einer lebhaften Diskussion über die Ausgestaltung des EU-Emissionshandelssystems II (EU-ETS II). Berthold Schilling (KlimaUnion) und Jonas Rogoll (SPD.Klima.Gerecht) stellten im Rahmen der Veranstaltung im Europasaal des Paul-Löbe-Hauses die jeweiligen Positionspapiere ihrer Gruppen vor. Im Mittelpunkt der Diskussion stand die Frage, wie das EU-ETS II in Kombination mit anderen klimapolitischen Maßnahmen möglichst effektiv und sozial gerecht umgesetzt werden kann. Dabei unterscheiden sich die beiden Gruppen in Lösungsansätzen zur CO₂-Bepreisung und sozialen Abfederung. SPD.Klima.Gerecht bevorzugt einen Mix aus CO₂-Bepreisung, gezielten Investitionen in Infrastruktur, gezielter Unterstützung sozial benachteiligter Gruppen und einem verlässlichen ordnungsrechtlichen Rahmen. Die KlimaUnion setzt hingegen auf marktwirtschaftliche Lösungen als Leitinstrument und weniger staatliche Eingriffe, wobei sie langfristig auf einen globalen Treibhausgas-Emissionshandel abzielt.
SPD.Klima.Gerecht: Klimageld sozial und regional staffeln
Einig ist man sich: Es braucht ein Klimageld oder Klimabonus. SPD.Klima.Gerecht plädiert dabei für ein sowohl sozial als auch regional gestaffeltes Klimageld. Das Klimageld soll in mehreren Einkommensstufen ausgezahlt werden und zudem regional differenziert werden, ähnlich dem österreichischen Modell mit vier Regionen. Da ein Klimageld von wenigen hundert Euro jährlich nicht ausreiche, um größere Investitionen in umweltfreundliche Mobilität oder Gebäudesanierungen zu fördern, fordert SPD.Klima.Gerecht ergänzende Maßnahmen zur CO₂-Bepreisung, wie ein bundesweites Sozialticket (20-30 Euro im Monat) und Social Leasing-Programme für Elektrofahrzeuge (49-150 Euro im Monat). Im Gebäudebereich fordert SPD.Klima.Gerecht eine soziale Sanierungsstrategie für selbstnutzende Eigentümer*innen sowie eine Reform der Modernisierungsumlage, um die Investitionsanreize für Vermieter*innen zu verbessern. Rogoll wies darauf hin, dass das Klimageld, wenn es allein aus den Einnahmen des ETS II finanziert wird (bei einem CO₂-Preis von 150 €/t etwa 170 Euro pro Person jährlich), nicht ausreicht. Sein Netzwerk fordert daher, die Deckelung des Klima-Sozial-Fonds (KSF) von derzeit 65 Milliarden Euro abzuschaffen. Der KSF soll nicht auf einen festen Betrag begrenzt, sondern stets mindestens 25 Prozent der ETS-II-Einnahmen ausmachen. So soll auf steigende Einnahmen aus der CO₂-Bepreisung reagiert werden und die Belastungen für sozial benachteiligte Gruppen auch bei steigenden CO₂-Preisen abgemildert werden können. Rogoll betont außerdem, dass das Klimageld nicht als dauerhafte Lösungen dienen kann, vielmehr soll es den Übergang zu einer klimaneutralen Lebensweise unterstützen.
KlimaUnion: Klimageld regional und bürokratiearm staffeln
Die KlimaUnion fordert ebenfalls eine regionale Staffelung des Klimageldes, die sich jedoch ausschließlich an den Unterschieden im Mobilitätsbedarf und in der Infrastruktur orientiert. Eine soziale Staffelung lehnt die KlimaUnion ab. Berthold Schilling betont die Notwendigkeit einer schnellen und bürokratiearmen Umsetzung des Klimageldes und spricht sich z.B. gegen verbrauchsabhängige Rückzahlungen wie bei Tankrabatten aus, da diese nicht zielführend wären. Weil die Anpassung des Gebäude- und Verkehrssektors eine langfristige Herausforderung von mehreren Jahrzehnten sei, fordert die KlimaUnion, dass das CO₂-Kostenaufteilungsgesetz im Mietwohnbereich beibehalten wird. Weitere soziale Ausgleichsmaßnahmen sind seitens der KlimaUnion nicht vorgesehen. Sie schlagen jedoch vor, die Stromnetzentgelte für alle Verbraucher*innen zu senken, beispielsweise durch die Reduzierung der Stromsteuer auf das europäische Minimum und eine Zuschussregelung für die Stromkosten, die durch die Unternehmensabgaben im ETS I und II finanziert wird. Ziel sei es, neben Menschen mit niedrigen Einkommen auch den Mittelstand zu entlasten. Außerdem soll durch niedrigere Stromkosten ein zusätzlicher Anreiz zur Elektrifizierung geschafft werden, was wiederum zur Vermeidung von CO₂-Emissionen beitragen soll.
Schilling von der KlimaUnion warnte, dass eine unzureichende soziale Abfederung zu einer Abwanderung an die AfD führen könnte. So zeigten Studien, dass Bürger*innen der Mitte zwar Klimaschutzmaßnahmen unterstützen, aber Klimageld bevorzugen, da ihr eigener Wohlstand für sie wichtiger ist. Klimageld werde als klar und direkt wahrgenommen, besonders im Kontext steigender Tank- und Heizkosten, was die Akzeptanz dieses Instruments fördere.
Untergrenze ja oder nein - was ist mit den Preisen?
Im Bereich der Preispolitik zeigen sich ebenfalls unterschiedliche Positionen. SPD.Klima.Gerecht fordert einen stabilen Preispfad bis 2027, mit einer Anhebung des CO₂-Preises im Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) auf mindestens 85 €/t CO2 und einem Mindestpreis von 100 €/t CO₂ ab 2027, um Preissprünge zu vermeiden und eine stabile Preisentwicklung zu gewährleisten. Die KlimaUnion sieht das BEHG als Übergangsinstrument, das langfristig in ein europäisches System integriert werden sollte. Angesichts der Unsicherheit über die zukünftige Preisentwicklung im EU-ETS II – Prognosen schwanken zwischen 50 Euro und 380 Euro pro Tonne CO₂ bis 2030 – fordert SPD.Klima.Gerecht einen klaren Preispfad. Die KlimaUnion geht davon aus, dass der Markt die Preise langfristig selbst regulieren wird und lehnt festgelegte Unter- und Obergrenzen ab. Gleichzeitig betonte Schilling, dass das EU-ETS II durch zusätzliche Maßnahmen wie den Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) oder Climate Clubs ergänzt werden müsse, um auch international Emissionsminderungen zu fördern. Die KlimaUnion fordert außerdem, dass Technologien wie Direct Air Capture (DACCS), Carbon Capture and Storage (CCS) sowie Carbon Capture and Utilization (CCU) ebenfalls in das ETS aufgenommen werden.
Ohne angemessene Abfederung können weder Emissionshandel noch Klimaschutz erfolgreich sein
Bei allen Differenzen war doch eines klar: Das EU-ETS II ist ein entscheidendes Instrument im Kampf gegen die Klimakrise und ohne eine angemessene soziale Abfederung wird weder das Emissionshandelssystem noch die Klimaschutzpolitik insgesamt erfolgreich sein können. Daher wird sie - auch wenn Klimapolitik und ihre soziale Flankierung im aktuellen Bundestagswahlkampf 2025 bisher keine zentrale Rolle spielen - in den kommenden Monaten und Jahren zunehmend an Bedeutung gewinnen. Mit Blick auf die steigenden CO₂-Preise, die Einführung des ETS II ab 2027 und die zunehmenden sozialen Herausforderungen wird die künftige Bundesregierung Lösungen finden müssen, die sowohl die europäischen Klimaziele als auch die Belastungen der Bevölkerung adressieren. Auch auf europäischer Ebene wird das von der breiten Koalition „European Alliance for a just transition“, der unter anderem unsere Dachverbände CAN Europe und EEB angehören, gefordert. Die Allianz betont, dass der Fokus der Transformation auf dem Abbau sozioökonomischer Ungleichheiten liegen und so gestaltet werden muss, dass alle davon profitieren und sich Klima-, Umwelt- und soziale Ziele gegenseitig verstärken. Ähnlich argumentiert das deutsche Institut für Klimasozialpolitik. [ks]
SPD.Klima.Gerecht - Impulspapier: Klimapolitik für alle! Impulse für eine soziale Ausgestaltung des ETS II.
KlimaUnion - Klimageld und CO₂-Bepreisung – Positionspapier
DNR-News vom 17.01.2024: Klimageld noch in dieser Legislaturperiode auszahlen
DNR-News vom 11.12.2023: Wo bleibt das Klimageld?