Fakt oder Fake?

Vor der jüngsten Bundestagswahl waren wieder zahlreiche irreführende, gar manipulative Informationen in der Öffentlichkeit verbreitet. So wurden etwa laut NDR in den sozialen Netzwerken Informationen gestreut, dass es in Deutschland eine Wahlpflicht gebe oder dass eine Unterschrift auf dem Wahlzettel die abgegebene Stimme verdoppele. Das sind klare Falschaussagen.
Fake News
Bei Fake News dreht es sich genau darum: um absichtlich falsche, irreführende Informationen, um Lügen, die als Journalismus getarnt sind. Fake News können in Form von Artikeln, Bildern, Videos oder Social-Media-Beiträgen erscheinen und sind oft schwer von echten Nachrichten zu unterscheiden. Deshalb ist es in Zeiten zunehmender Desinformation wichtig, dass Journalist*innen das Zwei-Quellen-Prinzip und die Kenntlichmachung von Quellen auch einem breiteren Publikum erläutern. Zudem sind KI-generierte Inhalte in journalistischen Formaten unbedingt zu kennzeichnen. Denn Fake News sind keine Flüchtigkeitsfehler.
Halbwahrheiten
Ein besonders subtiles und effektives Mittel der Desinformation ist die Halbwahrheit. Sie ist verwandt mit dem Gerücht und verbreitet sich ebenso schnell. Nach dem „Stille-Post-Prinzip“ wird sie weitererzählt, dabei verändert, ausgeschmückt oder verkürzt. Je stimmiger die Geschichte dadurch wird und je besser sie zur eigenen Weltanschauung passt, desto eher wird sie geglaubt.
Halbwahrheiten sind Falschaussagen, die teils auf tatsächlichen Ereignissen, teils auf fiktiven oder spekulativen Inhalten basieren. Sie können auch echte Sachverhalte verdrehen, übertreiben, umdeuten oder in einen falschen Zusammenhang stellen. Im postfaktischen Diskurs sind sie schwerer zu entlarven als offensichtliche Lügen.
Eine Hochkonjunktur hatten Halbwahrheiten 2016 bei der Brexit-Kampagne und dem ersten Wahlkampf des US-Präsidenten Donald Trump. Die Deutsche Gesellschaft für Sprache wählte damals den Begriff des „Postfaktischen“ zum Wort des Jahres. Die Beraterin von Trump während seiner ersten Amtszeit ab 2017, Kellyanne Conway, prägte den Begriff „alternative Fakten“. Sie benutzte die Formulierung, um falsche Aussagen des Pressesprechers des Weißen Hauses Sean Spicer zur Anzahl der Menschen, die sich bei Trumps Amtseinführung vor dem Kapitol aufhielten, zu rechtfertigen. Auch dies ist eine Form der Halbwahrheit.
Was hilft dagegen?
Wer Halbwahrheiten oder Fake News auf den Leim gegangen ist, lässt sich durch eine Widerlegung mittels Faktencheck häufig nicht überzeugen. Dennoch sind Faktenchecks wichtig zur Entlarvung erfundener Infos.
In der neuesten Eurobarometer-Jugend-Umfrage, die im Februar veröffentlicht wurde, waren fast drei Viertel der 16- bis 30-Jährigen überzeugt, in der Woche vor der Befragung mit Fake News und Desinformation konfrontiert gewesen zu sein. Die Befragten informieren sich in erster Linie (42 Prozent) mittels sozialer Medien über politische und gesellschaftliche Themen und Probleme. Ihre größten Sorgen sind steigende Preise und der Klimawandel.

Kompetente Mediennutzung
Um Fake News zu erkennen, fehlt es jungen Menschen häufig an der nötigen Medienkompetenz. Denn im Unterricht an Schulen steht in der Regel nicht der kritische Umgang mit Nachrichten im Netz oder in sozialen Medien auf dem Lehrplan, sondern eher das Vermitteln von Informatik-Grundkenntnissen.
Medienkompetenz ist eine Voraussetzung, um sich unabhängig und unbeeinflusst im Internet und den sozialen Netzwerken bewegen zu können. Dafür braucht es eine Medienbildung, die bereits bei der Förderung von Kindern und Jugendlichen ansetzt, aber auch Erwachsenen einen selbstbestimmten und verantwortungsvollen Umgang mit Medien beibringen kann. Menschen zu ermächtigen zwischen Fake und objektivem Sachverhalt zu unterscheiden, ist auch eine Aufgabe für Medienschaffende, Verlage und Produzent*innen.
„Wer Medienbildung organisieren will, muss die Menschen in die Lage versetzten, die Wahrheit von der Lüge zu unterscheiden, das geht nur durch ein umfassendes Wissen von der Welt“, sagt Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates. Er plädiert dafür, dass Kinder und Jugendliche mehr analog lesen sollen, damit sie sich kompetent in der digitalen Welt zurechtfinden lernen. Denn zwischen echt und falsch unterscheiden zu lernen, ist auch essenziell wichtig für die Demokratie.
Die KI verschärft das Problem. Durch sie hat das Volumen manipulierter und manipulativer Inhalte in den sozialen stark zugenommen und diese verbreiten sich immer rasanter, wie die stellvertretende Vorsitzende des Bundesverbands Digitale Wirtschaft (BVDW) Lea Horn im vergangenen Jahr feststellte.
Juristische Grundlagen schaffen
Was den Kampf gegen Falschnachrichten zusätzlich erschwert, ist die rechtliche Bewertung, ab wann es etwas wahr oder unwahr ist. Zwar gibt es bereits Technologien, mit denen sich Herkunft und Quelle von digitalen Inhalten feststellen und damit Desinformationen entlarven lassen. Ob diese dann zum Beispiel an zuständige Stellen weitergegeben werden dürfen oder müssen, ist aber juristisch noch nicht geklärt. Klare gesetzliche Grundlagen sind daher Voraussetzung, um etwa technische Manipulation der Reichweite und Relevanz zu ahnden. Damit ließe sich die Welle an Desinformationen brechen.
Die neue Richtline der EU, der Digital Service Act (DSA), fordert entsprechende Verhaltensregeln ein, die verpflichtend sind. So müssen die Plattformen etwa Sicherheitssysteme einführen. Die Vorgaben sind aber noch in der Vorbereitung. Einige Plattformen haben sich selbst verpflichtet, gegen Auswüchse in der digitalen Welt vorzugehen. In den USA sind große Tech-Player – etwa Meta – von dieser Selbstverpflichtung, aber bereits wieder zurückgetreten.
Faktenchecks - eine Auswahl
European Fact-Checking Standards Network: die Stimme der europäischen Faktenchecker - Hierzu gehören etwa Agenturen wie dpa, AFP oder das Netzwerk Correctiv aus Deutschland.
CeMAS - Center für Monitoring, Analyse und Strategie
Für Kinder und Jugendliche
Checkliste zum Erkennen von Falschmeldungen
Faktencheck gegen Fake News - Kostenlose Tipps und Tricks - Faktencheck für Kinder
Die Autorin
Marion Busch ist freie Journalistin mit Schwerpunkt auf gesellschafts- und umweltpolitischen Themen.
Quellen
Mit Recht und Technik gegen Fake News - M - Menschen Machen Medien (ver.di)
www.kulturrat.de/themen/texte-zur-kulturpolitik/wahrheit-von-der-luege-unterscheiden/
www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/desinformation-erkennen-1750146