GAP: Öko-Regelungen, Modellvorschlag, Ernährungssicherheit
Erste Daten zeigen Zurückhaltung bei der Beantragung von Umweltmaßnahmen. Der Bio-Spitzenverband BÖLW stellt Alternativmodell für GAP ab 2028 vor. EU-Parlament setzt auf Ernährungssicherheit.
Nach Inkrafttreten der neuen Regelungen zur Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) mit Beginn des Jahres 2023, werden allmählich erste Angaben zur Verwendung der EU-Fördermittel bekannt. Das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) veröffentlichte am 1. Juni die ersten Daten zur Inanspruchnahme der neuen Instrumente aus der ersten Säule der GAP, den sogenannten Öko-Regelungen (Eco-Schemes). Nach den ausgewerteten vorläufigen Antragsdaten aus den Bundesländern fällt das Interesse der Landwirt*innen an diesen freiwilligen Maßnahmen mit Fokus auf Umwelt, Klima und Biodiversität, noch relativ gering aus.
BMEL: Zurückhaltung bei Öko-Regelungen
Der Anteil der Öko-Regelungen (ÖR) macht in Deutschland 23 Prozent der Direktzahlungen aus. Damit stehen für die Umweltmaßnahmen pro Jahr etwa 1 Milliarde Euro zur Verfügung, die 2023 nicht vollständig abgerufen wurden. Nach den Daten des BMEL haben Landwirtschaftsbetriebe für 2023 auf etwas unter 6 Millionen Hektar Fläche Öko-Regelungen angemeldet. Bei den beantragten Maßnahmen ergibt sich ein gemischtes Bild: Die Maßnahmen für extensive Grünlandbewirtschaftung - Extensivierung des Dauergrünlands (ÖR 4) und Nachweis von mindestens vier Kennarten (ÖR 5) - wurden gut beziehungsweise überdurchschnittlich angenommen. Relativ gut angenommen wurde auch der Anbau vielfältiger Kulturen (ÖR 2) und die Bewirtschaftung in Natura 2000 Gebieten (ÖR 7). Schlecht angenommen wurden hingegen Maßnahmen zur Bereitstellung von Flächen für die Biodiversität (ÖR 1) zu Agroforst (ÖR 3) und zum Verzicht auf Pestizide (ÖR 6).
AbL: Öko-Regelung für Weideviehhaltung überfällig
Wie Bund und Länder auf die zurückhaltende Beantragung reagieren, wird sich in den kommenden Wochen zeigen. So könnte eine Prämienerhöhung bis zu einem Höchstbetrag von 130 Prozent stattfinden. Auch die Einführung weiterer Öko-Regelungen sind in der Diskussion. So forderte die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) eine zusätzliche Öko-Regelung für die Weidehaltung von Milchkühen: „Wer ernsthaft etwas für den Klima-, Grundwasser- und Artenschutz in der GAP tun möchte, muss endlich damit beginnen, Grünlandbetriebe und die Weidehaltung von Milchkühen in den Öko-Regelungen der GAP angemessen zu honorieren“, erklärte Ottmar Ilchmann, Landesvorsitzender der AbL Niedersachsen.
BÖLW: Stufenmodell für GAP ab 2028
Bereits mit Blick auf die nächste GAP-Reform schlägt der Bio-Spitzenverband Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) indes eine gezielte Honorierung von Gemeinwohlleistungen, in seinem am 12. Juni veröffentlichten Stufenmodell für die Agrarförderung ab 2028, vor. Dieses Alternativmodell für die zukünftige GAP sieht drei Förderstufen vor: Basis, Basis-Plus und Bio. In den Stufen sind unterschiedliche Anforderungen an Düngung, Pestizideinsatz, Viehbesatz und Fruchtfolgen vorgesehen. Diese sollen durch bundesweite und länderspezifische Zusatzmaßnahmen ergänzt werden können. Das Modell soll laut BÖLW Konstruktionsfehler der bisherigen GAP überwinden und bürokratischen Belastungen für Landwirtschaftsbetriebe und die Verwaltung reduzieren. Für die Diskussionen um die zukünftige Ausgestaltung der GAP soll das BÖLW-Stufenmodell eine Perspektive sowie „einen Transformationspfad für alle Betriebe“ aufzeigen.
EU-Parlament: Fokus auf Ernährungssicherheit
Derweil hat das EU-Parlament am 14. Juni mit großer Mehrheit eine Entschließung angenommen, die den Fokus auf die Ernährungssicherheit in der EU richtet. In der Entschließung heißt es, die EU müsse bei der Versorgung mit Gütern wie Düngemitteln, Futtermitteln und Rohstoffen unabhängiger von Drittländern werden, sich selbst mit Lebensmitteln versorgen können und die Ernährungssicherheit stärken. Darüber hinaus sollen aber auch die Ziele des Green Deals unter dem Gesichtspunkt der Ernährungssicherheit betrachtet werden. So könnten „einige der vorgeschlagenen Maßnahmen unbeabsichtigte Auswirkungen haben, die noch nicht ordnungsgemäß bewertet und auf Betriebsebene ermittelt wurden“. Diese Argumentation wurde in der Vergangenheit jedoch oft genutzt, um Umweltgesetzgebungen zu verschieben oder auszubremsen.
NGO-Analyse: Futtermittel statt Nahrungsmittel angebaut
So wurde im Jahr 2022 etwa auch die Freigabe von ökologischen Vorrangflächen für die Produktion mit dem Argument der Ernährungssicherung begründet. Eine im Mai veröffentlichte Analyse der Organisationen GLOBAL 2000, BirdLife, Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) und Corporate Europe Observatory (CEO) deckte jedoch am Beispiel Österreichs auf, dass die Aussetzung der Maßnahmen nicht zu einer gesteigerten Nahrungsmittelproduktion geführt hat. Denn anstatt die Flächen für den Getreideanbau zu nutzen, wurden dort fast ausschließlich Futtermittel für die Schweine- und Rindermast produziert. In der NGO-Analyse wird das Argument der Ernährungssicherheit einem Realitätscheck unterzogen. [bp]
Daten zur Inanspruchnahme der Öko-Regelungen
Pressemitteilung und Stufenmodell BÖLW
Pressemitteilung und Entschließung des EU-Parlaments