Gewässer: Zum Baden reicht es, Ökologie braucht aber mehr
Entwarnung für die meisten Badestellen in Europa: der neue Badegewässerbericht ist da. Parallel wird versucht, die Aktualisierung der Listen über prioritäre Stoffe und Grundwasser im Rahmen der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) abzuschwächen. Dagegen wenden sich Umweltorganisationen in einem offenen Brief.
Badestellen überdurchschnittlich gut, doch Ungarn, Polen und Albanien schneiden schlecht ab
Jedes Jahr veröffentlicht die Europäische Umweltagentur (EEA) eine Bewertung der Badegewässerqualität. Ergebnis: Die überwiegende Mehrheit – nämlich 85 Prozent der untersuchten rund 22.000 Badegewässer in Europa – erfüllte im Jahr 2023 mit „ausgezeichnet“ die strengsten Qualitätsstandards der Europäischen Union. Untersucht wird hauptsächlich auf Fäkalbakterien (Escherichia coli und intestinale Enterokokken). Insgesamt 96 Prozent aller offiziell ausgewiesenen Badegewässer in der EU erfüllten die Mindestqualitätsstandards, 1,5 Prozent wurden als „mangelhaft“ eingestuft. In Zypern und Österreich sind die Gewässer am saubersten, Schlusslichter der EU sind Ungarn, Polen und Albanien (nur zu 41,6 Prozent „ausgezeichnet“).
Die EEA räumt außerdem ein: „Obwohl die meisten europäischen Badegewässer als in ausgezeichnetem Zustand eingestuft werden, ist die Verschmutzung der Oberflächengewässer und des Grundwassers nach wie vor beträchtlich und könnte sich durch den Klimawandel noch verschärfen“. Die Qualität der Badegewässer an den Küsten (89 Prozent ausgezeichnet) sei im Allgemeinen besser als die der Flüsse und Seen (79 Prozent). Die Widerstandsfähigkeit der Gewässer sei für Mensch und Umwelt aber gleichermaßen entscheidend. Zunehmende starke Regenfälle im Zusammenhang mit dem Klimawandel könnten sich negativ auf die Qualität der Badegewässer auswirken und die Gesundheitsrisiken für die Badenden erhöhen, ergänzte die EEA. Zudem vermehrten sich bei steigenden Wassertemperaturen die Keime schneller.
Auf Deutschland bezogen erfüllten 98 Prozent der 2.291 offiziellen deutschen Badegewässer an Seen, Flüssen und Küsten die Mindestanforderungen der EU-Badegewässerrichtlinie. Mit den Höchstnoten „ausgezeichnet“ (90,3 Prozent) und „gut“ (rund 6 Prozent) wurden über 96 Prozent der Badegewässer bewertet. Sieben deutsche Badegewässer wurden 2023 als „mangelhaft“ eingestuft. In 155 Fällen wurde zum Schutz der Gesundheit vorsorglich ein Badeverbot verhängt oder vom Baden abgeraten. Grund waren laut Umweltbundesamt (UBA) häufig massenhaft auftretende Cyanobakterien (sogenannte „Blaualgen“, 94 Mal) oder andere wasserhygienische Gründe (37 Mal). Die Ursache für eine unzureichende hygienische Wasserqualität lag dabei meist in Starkregenereignissen, die Schmutzwasser in die Gewässer eingetragen hatten, so das UBA.
Stoffe müssen zukünftig besser überwacht werden
Derweil wird in den EU-Institutionen der Vorschlag der EU-Kommission (kritische Analyse von Umweltverbänden) für eine Aktualisierung der Listen für sogenannte „prioritäre Stoffe“ (also die Substanzen, die bedenklich oder gefährlich sind und deshalb als erste aus den Gewässern verbannt werden sollten) und Grundwassersubstanzen diskutiert. Hier geht es um die chemische Verschmutzung von Gewässern.
Trotz erzielter Fortschritte bleibt die Wasserverschmutzung eine große Herausforderung in der gesamten EU. Beispiele gefällig? 200.000 Menschen in Spanien können ihr Leitungswasser wegen der unsicheren Nitratwerte nicht trinken (Ecologistas en accion). In Rastatt, Deutschland, stiegen Wasserrechnungen um etwa 20 Prozent, weil der Wasserversorger die per- und polyfluorierten Substanzen (PFAS) entfernen muss (BUND). Es genügt der Verzehr von 16 Gramm Fisch aus der Unterelbe, um die maximal tolerierbare Aufnahme von PFAS gemäß den EFSA-Leitlinien zu erreichen (PubMed). In den Niederlanden raten die Behörden den Eltern, darauf zu achten, dass ihre Kinder keinen Meeresschaum verschlucken, da er schädliche PFAS-Werte enthalten kann (Science Advance).
Regeln sind veraltet, die EU muss schneller handeln
Umweltverbände finden: Die Listen der prioritären Stoffe und Grundwasserschadstoffe müssen dringend aktualisiert werden, denn sie sind „unvollständig, veraltet und bieten keinen angemessenen Schutz der Ökosysteme und der menschlichen Gesundheit“, heißt es in einem offenen Brief an den Mitte Mai tagenden Ausschuss der Ständigen Vertreter*innen (AStV, Coreper). Zudem würden nur einzelne Substanzen, nicht aber der Effekt von Mischungen beziehungsweise die kombinierte Wirkung von Stoffen betrachtet. Damit gehe man an den tatsächlichen Schadstoffbelastungen der Gewässer vorbei.
Europäisches Umweltbüro (EEB), WWF, Surfrider Foundation und andere Umweltverbände sind angesichts der Debatten besorgt, denn aus ihrer Sicht sollte der Kommissionsvorschlag nicht weiter abgeschwächt werden, heißt es in dem offenen Brief. Zudem gelte es, Änderungen an den Grundprinzipien der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) zu verhindern. So dürfe es keine Schlupflöcher bei der Definition, ab wann bei Gewässern von „Verschlechterung“ gesprochen wird, geben. Seit Jahren würden die Ziele der WRRL nicht eingehalten – obwohl nicht die Richtlinie das Problem ist, sondern die Umsetzung, wie ein Fitness-Check der EU-Kommission ergeben hat, der der WRRL „Zweckmäßigkeit“ (fit for purpose) bescheinigte (DNR zur WRRL). Die Aktualisierung müsse sich ausschließlich auf die chemischen Aspekte konzentrieren, vorgeschlagene Änderungen zu den Verpflichtungen zur Nichtverschlechterung (Art. 4 WRRL) seien abzulehnen, da diese nicht in den Aufgabenbereich der laufenden Aktualisierung fallen und eine der Kernverpflichtungen der WRRL schwächen würden.
Auch dürften Maßnahmen gegen die Wasserverschmutzung nicht bis in die nächsten Jahrzehnte hinausgezögert werden – derzeit lägen Vorschläge vor, die die Fristen für die Einhaltung der neuen Grenzwerte für die diskutierten Stoffe auf 2039 oder sogar bis 2051 verschieben würden. „Diese Verzögerung wird den ökologischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Kosten, die durch die Wasserverschmutzung entstehen, nicht gerecht“, kritisieren die Verbände. Nicht zuletzt müsse das Verursacherprinzip konsequent angewandt werden – hier biete sich die erweiterte Herstellerverantwortung (EPR) an.
Einige der jetzt debattierten Substanzen – wie beispielsweise bestimmte Arzneimittel – seien zudem schon bei der letzten Überarbeitung 2013 als prioritär vorgeschlagen worden. Viel getan habe sich seither nicht. Es sei daher von entscheidender Bedeutung, dass die neuen Listen der EU-Wasserschadstoffe und die entsprechenden Normen angenommen werden, bevor die Mitgliedstaaten mit der Planung von Maßnahmen im Rahmen des nächsten Zyklus der Bewirtschaftungspläne für die Flusseinzugsgebiete im Jahr 2025 im Rahmen der WRRL beginnen, so die Verbände. [jg]
EEA: Europe’s bathing waters remain safe.
UBA: Deutsche Badegewässer sind wieder ausgezeichnet.
EEB et al.: Joint letter [...] to update priority substances for surface and groundwater.
PAN-Report: PFAS in Gewässern
Trifluoressigsäure (TFA) und andere per- und polyfluorierte Substanzen (PFAS) konnten in 23 Oberflächenwasser- und sechs Grundwasserproben aus zehn EU-Ländern nachgewiesen werden. Das ist das Ergebnis einer Analyse des Pestizid Aktions-Netzwerk PAN Europe. Das Ausmaß der Kontamination sei alarmierend und erfordere entschiedenes Handeln und eine Unterstützung des PFAS-Verbotes auf EU-Ebene.
Alle untersuchten Wasserproben enthielten PFAS. Mehr als 98 Prozent der insgesamt nachgewiesenen PFAS war TFA, ein bekanntes Abbauprodukt von PFAS-Pestiziden und anderen PFAS. 79 Prozent der Proben wiesen TFA-Werte auf, die den in der EU-Trinkwasserrichtlinie vorgeschlagenen Grenzwert von 500 ng/l (Nanogramm pro Liter) für PFAS insgesamt überschritten. PFAS-Pestizide scheinen die Hauptursache für die Wasserverschmutzung mit TFA in ländlichen Gebieten zu sein, gefolgt von Kühlmitteln, Abwasserbehandlung und industrieller Verschmutzung. Die Einstufung von TFA als „nicht relevanter“ Metabolit im Rahmen der EU-Pestizidverordnung habe einen wirksamen Grundwasserschutz in der EU behindert. Das „Verschlechterungsverbot“ der EU-Wasserrahmenrichtlinie hätte eine jahrzehntelange, eskalierende TFA-Verschmutzung verhindern sollen, was jedoch nicht gelungen ist. Die Behauptung, kurzkettige PFAS (wie TFA) seien harmlos, stamme von der PFAS-Herstellungsindustrie, werde aber durch aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse zunehmend in Frage gestellt.