„Klimaschutz muss der demokratische Konsens sein“
Aktuellen Umfragen zufolge würde bundesweit knapp ein Fünftel der Menschen die Alternative für Deutschland (AfD) wählen. In einigen Bundesländern kommt die rechtsextreme Partei auf noch höhere Werte. Umweltorganisationen, auch der Dachverband DNR, beobachten mit Sorge die hohen Zustimmungswerte, die eine Gefahr für die Demokratie bedeuten können. Die AfD mobilisiert auch gegen Klimaschutz und versucht, die Begriffe Natur und Heimat für sich zu kapern. Interview mit Janine Patz, Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft Jena (IDZ)
Welche Strategien verwenden rechtspopulistische Gruppen in der Debatte über Natur-, Klima- und Umweltschutz, um das Thema für ihre politischen Zwecke zu nutzen?
Zuerst müssen wir klären, was ihre politischen Zwecke sind. Denn, anders als es die Frage implizieren könnte, springen antidemokratische Akteur*innen aus dem (extrem) rechten Spektrum nicht einfach inhaltlich auf. Vielmehr sind Naturschutz und ein als Heimatschutz verstandener Umweltschutz von jeher ihre Themen. Historisch betrachtet hat der Naturschutz in Deutschland sogar braune Wurzeln. Das heute von vielen eher politisch „links“ verortete Themenfeld ist erst nach den 1960er-Jahren zunehmend von progressiven Kräften besetzt worden. Die ideologische Rechte kämpft also eher um die Rückeroberung der Deutungshoheit als darum, etwas zu kapern. Mit dem Bedeutungszuwachs der Klimafrage, welche das rechte Spektrum mit allen Mitteln abwehrt, ist dieser Kampf umso wichtiger für sie geworden. Die Klimakrise ist eng verbunden mit demokratischen Werten, den Menschenrechten, globaler Gerechtigkeit aber auch Themen wie Verteilung, Solidarität, Flucht und Asyl. Sie bedarf der Verantwortungsübernahme, Transformation und globaler Lösungsansätze. Die Forderungen nach Klimagerechtigkeit stehen schlichtweg im absoluten Gegensatz zu rechter Ideologie und „Wir zuerst“!
Blicken wir auf die Strategien, so ist es Teil der antidemokratischen, (extrem) rechten Agenda die gesellschaftlichen Krisen zu instrumentalisieren, um die eigene Ideologie und Deutungsangebote zu propagieren. Akteur*innen dieses Spektrums delegitimieren das politische System, dessen Institutionen und Prozesse und schwächen so die Demokratie. Seit einem Jahrzehnt lässt sich eine permanente demokratiefeindliche Krisenmobilisierung erkennen, bei der die Themen bewusst miteinander verknüpft werden: Migration, Corona, Krieg und Klima. Verbindende Narrative sind die antisemitisch aufgeladenen Verschwörungserzählungen zu vermeintlichen globalen Mächten, die angeblich eine neue Weltordnung planen und von politischen Eliten, die wissentlich volksschädlich agieren. Ihrer Position nach sind wir von der „Klimadiktatur“ bedroht, in der die nationale Heimat zerstört und dem Volk Schaden zugefügt werde durch Energieverknappung, wirtschaftlichen Ruin und Wohlstandsvernichtung.
Rechte Strukturen haben dabei keine einheitliche „Argumentation“. Sie reichen von der Leugnung des Klimawandels, über das wissenschaftsablehnende Infragestellen des menschlichen Einflusses bis hin zu ökofaschistischen Positionen. Letztere erkennen die Problematik des Klimawandels durchaus an, sehen aber in der Moderne die Ursache aller Probleme. Als Lösung wird die Rückbesinnung auf eine angeblich „natürliche“ Gesellschaftsordnung propagiert und damit an die alte „Blut und Boden“-Ideologie angeknüpft – nur mit etwas angepasstem Vokabular. Einem völkischen Naturverständnis nach konstruieren sie eine vermeintlich natürliche Bindung des imaginären „Volks“ an einen Raum. Hieraus leitet sich auch der Slogan „Umweltschutz ist Heimatschutz“ ab. Schützenswert ist dabei allein die heimische Kulturlandschaft, heimische Arten, Lebensformen und Traditionen. Dieser heimatliche Umwelt- und Naturschutz wird dabei als unvereinbarer Gegensatz zum Klimaschutz konstruiert. Denn jede Veränderung der nationalen Umwelt wird als Veränderung des „nationalen Volkes” verstanden.
Die unterschiedlichen Argumentationsstränge eint die Abwehr von Klimaschutzpolitik. Nicht etwa der Klimawandel wird zur eigentlichen Bedrohung von Mensch und Natur, sondern die als „Ideologieprojekte“ diffamierten Maßnahmen und die als „Demokratiefeinde“ kriminalisierten Akteur*innen.
Wie wirkt sich das auf die öffentliche Wahrnehmung der Dringlichkeit klima- und umweltpolitischer Maßnahmen aus?
In den vergangenen zwei Jahren sind demokratiefeindliche Positionen und antidemokratische Agitationsformen weit über das extrem rechte Spektrum hinaus übernommen worden und beeinflussen zunehmend die gesamtgesellschaftlichen Diskurse. Folglich zeigen aktuelle Untersuchungen ein abnehmendes Bewusstsein für die Klimakrise, aber noch viel stärker eine zunehmende Ablehnung von Klimaschutzmaßnahmen, Klimaschutzengagement und vor allem Protest.
Grund ist die hohe Anschlussfähigkeit der rechten, klimaschutzregressiven bis -ablehnenden Narrative jenseits offener demokratiefeindlicher Milieus. Die Klimakrise ist eine enorme Herausforderung und konfrontiert uns alle mit den Folgen der fossilen Wohlstandsproduktion und der seit Generationen abgewehrten Verantwortung für die Ausbeutung von Mensch und Natur. Eine Anpassung haben die Industrienationen über ein halbes Jahrhundert verschleppt. Obendrein wurden die besonders toxischen Elemente der Wohlstandsproduktion in die ausgebeuteten Weltregionen ausgelagert. Das zementierte das Fortschreiten des Klimawandels und die Dynamiken globaler Ungleichheit. Gerade die „westlichen“ Demokratien haben dieses Dilemma lange verdrängt.
Angesichts der drastischen Folgen einer voranschreitenden Klimakrise ist eine sozial-ökonomische Transformation der Gesellschaft dringlicher denn je. Heute wirksame Maßnahmen müssen entsprechend einschneidend ausfallen. All das verursacht Unsicherheiten, hat soziales Konfliktpotenzial und fordert den gesellschaftlichen Zusammenhalt heraus. Letztendlich kann das den Wunsch stärken, die eigenen Lebensgewohnheiten, das Konsum- und Produktionsverhalten zu verteidigen und die Notwendigkeit der dringenden Veränderungen abzuwehren. So sind die rechten Anti-Klimaschutz-Deutungsangebote auch für alle jene attraktiv, die für den Erhalt ihres Status quo und ihrer Privilegien bereit sind, die existierenden Ungleichheiten zu rechtfertigen für ein „weiter wie bisher“. Zu dieser Entwicklung beigetragen haben auch politisch Verantwortungstragende und Parteien jenseits des demokratiefeindlichen Spektrums. Sie haben extrem rechte Narrative übernommen und salonfähig gemacht.
Was bedeutet diese Entwicklung für die Arbeit von Umweltorganisationen?
Wir alle müssen unsere Wissens-, Urteils- und vor allem Handlungskompetenzen stets weiterbilden, um demokratiegefährdenden Prozessen etwas entgegensetzen zu können. Organisationen benötigen zudem eine selbstkritische Reflektion ihrer eigenen historischen Wurzeln, Strukturen und den gewählten Strategien. Demokratiedistanzierte bis demokratiefeindliche und menschenverachtende Positionen existieren in allen Milieus und Altersgruppen unserer Gesellschaft und finden sich demnach auch in unseren Organisationsstrukturen wieder. Das trifft umso mehr zu, wenn es thematische oder gar historische Anknüpfungspunkte gibt, wie etwa im Naturschutz. Elemente des völkischen Naturverständnisses und das daraus abgeleitete gesellschaftliche „Zurück zur Natur“-Ideal sind auch heute zum Beispiel in ökologisch und esoterisch geprägten Milieus anschlussfähig. Hieraus ergeben sich Berührungspunkte – sowohl auf der inhaltlich argumentativen als auch auf der praktischen Handlungsebene.
Ein Beispiel für ein inhaltlich-argumentatives Brückennarrativ ist der von rechts konstruierte und als unversöhnlich dargestellte „Gegensatz“ von Klimaschutz und Umweltschutz. Der Vorwurf, dass Klimaschutzmaßnahmen die eigentliche Gefahr für Natur- und Artenvielfalt darstellen, ist in abgeschwächter Form auch schon von Naturschutzverbänden gegen erneuerbare Energien angebracht worden. Nehmen wir das Beispiel Windkraft: Über Schönheit lässt sich bekanntlich streiten, aber Auswirkungen sind untersuchbar. Obwohl wissenschaftlich erhobene Daten zeigen, dass es sich um ein äußerst seltenes Ereignis handelt, wurde das Narrativ des „Vogelschredderns“ häufig übernommen. Nicht nur, dass Vergiftungen durch die Landwirtschaft, Glasscheiben, Auto- und Bahnverkehr sowie Abschuss als Todesursachen weit vor Windrädern rangieren, bei diesem Argument gegen Windkraft wird die viel dramatischere Gefährdung der Biodiversität durch den fortschreitenden Klimawandel außer Acht gelassen. Zur selbstkritischen Reflektion gehört an dieser Stelle auch die eigene Argumentation und Motivation zu prüfen, um klimaschutzregressiven, rechten Akteur*innen nicht in die Karten zu spielen.
Wenig überraschend stellen Proteste ganz praktische Berührungspunkte dar. Selbst solche, die sich gegen fossile Energien richten. Bei Protesten auf Rügen, gegen den Bau eines riesigen LNG-Terminals, sehen sich Klimaschutz- und Umweltaktivist*innen damit konfrontiert, dass auch klimaschutzregressive bis demokratiefeindlich eingestellte Personen versuchen anzudocken, denn auch sie wollen das Terminal nicht. Was auf den ersten Blick so wirkt, als gäbe es ein gemeinsames Ziel, zeigt aber zwei entgegengesetzt motivierte Absichten. Denn anders als die Klimaschutzaktivist*innen kämpfen die anderen nicht für ein Ende der fossilen, auf Ausbeutung und Zerstörung fußenden Produktion. Ihnen geht es allein um den heimischen Landschaftsschutz bei gleichzeitiger Fortführung der fossilen Wohlstandsproduktion. Klimaziele spielen für sie keine Rolle und auch Naturschutz ist oft vorgeschoben. Ihrer Argumentation nach ist der Bau einer solchen Anlage, bei sofortiger Beendigung der Sanktionen gegen Russland, vor einer deutschen Küste schlichtweg so unnötig wie hässlich.
Es genügt also nicht, sich gegen eine Zusammenarbeit mit rechtsextremen Strukturen auszusprechen. Organisationen, die sich gegen antidemokratische Inhalte, Prozesse aber auch Einflussnahme stärken wollen, benötigen ein klares Selbstverständnis, humanistische Grundsätze und partizipative, inklusive und diskriminierungskritische Handlungsstandards.
Kontroverse Debatten um die Angemessenheit klima- und umweltpolitischer Maßnahmen sowie um deren soziale und ökonomische Folgen sind an sich gut. Problematisch ist, wenn durch Desinformation Angst geschürt wird, die die Menschen verunsichert. Wie kann es gelingen, rückwärtsgewandte, populistische Erzählungen zu entlarven und Akzeptanz für erforderliche Maßnahmen zur Lösung der Klimakrise zu schaffen?
Es ist in jüngster Vergangenheit nicht ausreichend gelungen, der Übernahme und Normalisierung von demokratiefeindlichen, verschwörungsideologischen Narrativen, Feindbildern, aber auch populistischen Politikstilen effektiv entgegenzuwirken. Wir benötigen einen gesamtgesellschaftlichen Konsens, der die Notwendigkeit von Klima- und Umweltschutz und einer sozial-ökologischen Transformation anerkennt. Denn nicht die von uns aktiv gestaltbaren Veränderungen werden uns unweigerlich herbe Verluste von Natur und Umwelt, Wohlstand, Freiheit und Gesundheit bescheren, sondern die Folgen eines ungebremsten Klimawandels. Es ist von Bedeutung, sich in Klima- und Umweltfragen nicht auseinander differieren zu lassen. Beides ist untrennbar.
Notwendig ist es zudem, kritische und faktenorientierte Diskurse zu führen. Der demokratische Zusammenhalt kann nur gewahrt werden, wenn der Desinformationsdynamik und antidemokratischen Agitation – auch innerhalb der sozialen Netzwerke – mit sachlichen Inhalten und demokratischen Standards begegnet wird, anstatt wissentlich oder unwissentlich Narrative der klimaschutzregressiven (extrem) Rechten zu reproduzieren und im Diskurs zu normalisieren. Die Übernahme von antidemokratischen Narrativen oder gar ein Schulterschluss mit entsprechenden Akteur*innen wird nicht nur das Anliegen umwelt- und klimagerechter Lösungen konterkarieren, es gefährdet die demokratische Kultur.
Bisher dominieren häufig die seitens der klimaschutzabwehrenden Akteur*innen beschworenen „Verluste“, „Verbote“, „Nachteile“ und geschürten Ängste die Debatten. Positive Entwicklungspotenziale bleiben dagegen oft unbeleuchtet. Das müssen wir ändern. Klima- und Umweltschutz sind nicht nur ein notwendiges Übel und Veränderung heißt nicht Verlust. Zum Beispiel liegen in der Energie- oder Verkehrswende viele, bisher kaum thematisierte Potenziale für Verbesserungen nicht nur für unsere Lebens-, Konsum- und Produktionsweisen, sondern auch für Gesundheit von Mensch und Natur sowie der Zukunftsaussichten kommender Generationen. Diese gilt es aufzuzeigen.
Außerdem muss deutlich stärker berücksichtigt werden, dass die Menschen sehr unterschiedlich vom Klimawandel und dem Anpassungsdruck betroffen sind. Gerade Regionen, die am stärksten von der ausbeuterischen Wohlstandsproduktion der Industrienationen betroffen sind und wenig zum massenhaften C02-Ausstoß beigetragen haben, leiden am härtesten und am längsten unter den Folgen und der Umweltzerstörung. Während hierzulande nicht wenige um ihre Privilegien und ihren Wohlstandskonsum bangen, kämpfen Menschen in anderen Regionen bereits um ihr nacktes Überleben. Auch dies gilt es, ins Bewusstsein zu rufen.
Die Folgen des Klimawandels werden auch hierzulande immer stärker spürbar werden, enorme Schäden und Leid verursachen. Bestehende Ungleichheiten werden dadurch verschärft. So sind marginalisierte und finanziell schlechter gestellte Bevölkerungsgruppen nicht nur stärker von Umwelt- und Klimawandelfolgen, sondern auch von den Kosten entsprechender Anpassungsleistungen belastet. Ihre Perspektive muss gestärkt werden. Klimaschutz kann nur gelingen, wenn die menschenrechtlichen, sozialen Aspekte mitgedacht und die Umsetzung von Maßnahmen dahingehend kritisch überprüft werden.
Mit welchen Mitteln sollten zivilgesellschaftliche Akteure der rechtspopulistischen Instrumentalisierung von Natur- und Klimaschutz und der möglichen Spaltung der Gesellschaft entgegentreten?
Eine einfache Antwort hieße wahrscheinlich: zusammen und mit klarer Kante. Einfach gibt es aber nicht. Demokratie und Menschenrechte sind keine Selbstläufer, sie müssen nicht nur gelebt, sondern demokratische Räume jeden Tag aufs Neue erkämpft und verteidigt werden. Es kommt auf Jede*n an, die alltäglichen Prozesse möglichst demokratie- und menschenrechtsorientiert, sprich: inklusiv, partizipativ, diskriminierungskritisch und barrierearm zu gestalten und wo dies nicht gewährleistet ist, zu intervenieren. Für den Umwelt- und Klimaschutz können wir alle versuchen, bewusst zu konsumieren und zu produzieren, Ressourcen zu sparen. Wir können liebgewonnene, aber nicht selten unnötige Privilegien hinterfragen und Gewohnheiten auf die Probe stellen, etwas Neues ausprobieren. Jeder einzelne Mensch kann mit kleinen Schritten viel bewirken. Zusammen geht aber noch viel mehr. Der demokratische Handlungsrahmen ist groß und die Mittel vielfältig, vor allem wenn sich Menschen zusammentun, in Initiativen, Bündnissen, Organisationen, Parteien: ob Bio-Energiedorf, solidarische Landwirtschaft, Umwelt- und Klimaschutzinitiativen, globale und klimabewusste Bildung oder demokratische Protestkultur.
Aktuell erleben wir, dass wöchentlich viele Menschen gemeinsam gegen rechts auf die Straße gehen und zeigen, dass sie – über verschiedene politische Milieus hinweg – bereit sind, die Demokratie gegen die Politik der AfD zu verteidigen. Nun kommt es auf politisch Verantwortungstragende an, diesem Symbol Rechnung zu tragen. Anstatt sich weiter von Demokratiefeinden und der Hoffnung treiben zu lassen, entsprechendes Wähler*innenklientel zurückzuerobern, gilt es nun, die Interessen dieser Mehrheit in den Fokus zu nehmen.
Die Klima- und Umweltbewegung braucht einen ähnlichen Konsens, über alle verschiedenen Positionen und kleineren Zielsetzungen hinweg. Nämlich den, dass eine sozial-ökologische Transformation nicht nur unsere demokratische Verantwortung, sondern schlichtweg unumgänglich ist. An die Politik ist das Signal zu senden, dass diese Aufgabe endlich von allen demokratischen Verantwortungstragenden – unabhängig der parteipolitischen Ausrichtung – erwartet wird. Nach über einem halben Jahrhundert Ausbremsen, Verschleppen und Verhindern effektiven Klimaschutzes, der globalen Ungerechtigkeit und enormen Umweltzerstörung braucht es einen Wandel. Klimaschutz muss der demokratische Konsens sein. Eine weitere Abwehr der Verantwortung ist gleichzeitig eine Absage an Demokratie und Gerechtigkeit. Protest ist ein wichtiges demokratisches Partizipationselement, um Missstände zu benennen und Forderungen in politische Prozesse einzubringen. Er darf kreativ und unbequem sein, vorausgesetzt er transportiert keine demokratie- und menschenfeindlichen Inhalte und gefährdet oder bedroht die Unversehrtheit und Würde anderer nicht. Das Problem beginnt also auch hier nicht erst beim Schulterschluss mit antidemokratischen Strukturen. Wie bei jeder anderen Engagementform ist nicht nur das Ziel entscheidend, sondern Methoden, Prozesse und Wirkung müssen stets geprüft werden. Der Zweck heiligt nicht alle Mittel. Bei verschwörerischen Umsturzfantasien, demokratiefeindlicher Rhetorik oder gar Bedrohungsräumen ist eine Grenze überschritten.
Wie bedeutend die gewählte Aktionsstrategie ist, hat uns die jüngsten Bauernproteste vor Augen geführt. Wer gegen die Streichung des vermeintlich überlebenswichtigen Agrardiesels protestiert, in dem das mit Steuergeldern subventionierte und obendrein umweltschädliche Privileg 100.000-fach zweckentfremdet verfahren wird, büßt mindestens an Glaubwürdigkeit ein. Im direkten Vergleich offenbart der gegensätzliche Umgang mit den Protesten der Klimabewegung und der Landwirte, wie vehement der Status quo unserer Konsum- und Produktionsweisen innerhalb unserer Gesellschaft verteidigt wird. Umso entscheidender wird es sein, sich künftig im Engagement für Umwelt und Klima nicht spalten zu lassen und der zunehmenden Delegitimierung der Forderung nach mehr Klimaschutz solidarisch entgegenzutreten.
Wie lautet Ihre Zauberformel gegen Stammtischparolen in puncto Klimakrise?
Die Antwort ist kurz und knackig: Ich habe keine. Es gibt schlichtweg keine einfachen Lösungen für ein so komplexes und auf so viele Weise instrumentalisiertes Thema und die damit verbundenen Herausforderungen. Die Reaktion muss immer situations-, kontext- und wirkungsorientiert erfolgen. Nur eins steht fest, unwidersprochen sollten sie nicht bleiben.
Das Interview führte Marion Busch.
Die Interviewpartnerin
Janine Patz ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt (FGZ) und Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft Jena (IDZ). „Internationaler Rechtspopulismus in Kontext globaler und ökologischer Krisen (IRÖK)“ ist der Titel ihres aktuellen Forschungsprojekts.