Kohlenstoffspeicherung im Meeresboden
Den einen gilt die Technologie als Patentrezept, die anderen sehen Gefahren für die Umwelt. So hält der Weltklimarat die Speicherung von Kohlendioxid im Untergrund (Carbon Capture and Storage, CCS) für geeignet, die Erderhitzung zu mindern. Das Umweltbundesamt weist auf die Risiken hin. Gibt es ein Leck, kann das Grundwasser und Boden schaden.
Deutschland strebt bis 2045 Klimaneutralität an. Als eine mögliche technische Lösung zum Erreichen der Klimaziele wird das sogenannte Carbon Capture and Storage (CCS) diskutiert. Dabei wird das Treibhausgas CO2 eingefangen, bevor es in die Atmosphäre gelangen kann. Etwa an der Quelle wie am Schornstein einer Müllverbrennungsanlage. Dann wird das Kohlendioxid verflüssigt, per Pipeline transportiert und tief im Untergrund in Gesteinsformationen oder in ausgediente Erdgas- oder Erdölfelder gepresst - auch im Meeresboden. Das CO2 reagiert mit dem Gestein und wird dadurch chemisch neutralisiert.
Der Weltklimarat ist der Auffassung, dass CCS einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten kann. Laut Umweltbundesamt (UBA) gehen Wissenschaftler*innen davon aus, dass durch CCS 65 bis 80 Prozent des CO2 dauerhaft aus der Atmosphäre ferngehalten werden können. Ob die Technik dieses Versprechen halten kann, ist jedoch noch nicht geklärt und wird derzeit intensiv erforscht.
So halten etwa Wissenschaftler*innen vom Geomar-Zentrum in Kiel die Speicherung von CO2 im Meeresboden für technisch machbar, sehen aber auch Risiken. Darauf weist die Deutschen Allianz Meeresforschung (DAM) gemeinsam mit dem Geomar-Zentrum in Kiel in einem Factsheet vom vergangenen Monat hin.
Chance und Risiko zugleich
In der Nordsee gibt es demnach ein großes Potenzial für die unterirdische Speicherung von CO2. Denn im Meeresgrund liegen viele versiegte Öl- und Gasfelder. In Norwegen wird die Methode schon seit mehr als zwei Jahrzehnten angewandt und das Land will seine Speicherkapazitäten auf 20 Millionen Tonnen jährlich ausbauen. auch Dänemark speichert seit diesem Jahr Kohlendioxid unter der Nordsee und plant mit bis zu acht Millionen Tonnen jährlich. Ist CCS also die Patentlösung für Deutschland, um bis 2045 klimaneutral zu werden?
Studien zufolge wird auch CCS zur Treibhausgasreduzierung gebraucht. Das sagte im Frühjahr der Leiter der Forschungsabteilung Marine Geosysteme am Geomar-Zentrum in Kiel Klaus Wallmann gegenüber Medien. Der Beitrag zur Minderung werde aber nicht besonders groß sein – es gehe um fünf bis zehn Prozent der Emissionen (etwa 55 Millionen CO2-Äquivalente pro Jahr), die laut Bundesregierung anders nicht vermieden werden könnten. Im deutschen Teil der Nordsee gibt es laut Wallmann Speicherkapazitäten für insgesamt etwa zwei bis acht Milliarden Tonnen CO2. Das bestätigen Schätzungen der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe. Zum Vergleich: Der jährliche CO2-Ausstoß in Deutschland beträgt derzeit insgesamt rund 660 Millionen Tonnen.
Generell besteht die Gefahr, dass CO2 aus dem Meeresgrund wieder austreten könnte. Das ist in den norwegischen Speichern zwar bisher nicht passiert, aber zum Beispiel an natürlichen, vulkanischen CO2-Quellen im Mittelmeer haben Forscher eine starke Verarmung der Artenvielfalt am Meeresboden festgestellt. Indem das ausgetretene CO2 sich mit Meerwasser mischt, entsteht Kohlensäure, die das bodennahe Wasser versauert. Ein Leck hat also definitiv Schäden für die Biodiversität zur Folge.
Das belegt auch eine Studie der gemeinnützigen Denkfabrik Institute for Energy Economics and Financial Analysis (IEEFA) in den USA vom vergangenen Jahr. Die Autor*innen kommen zu dem Schluss, dass die Technologie überschätzt wird. Sie analysierten dafür weltweit 13 verschiedene CCS-Projekte mit dem Ergebnis: Drei Viertel der untersuchten Projekte waren gescheitert oder hinter den Zielen zurückgeblieben.
CO2 vermeiden, statt technisch einzulagern
CCS ist nicht nur in der Wissenschaft umstritten, auch Umweltorganisationen und Bürgerinitiativen haben Bedenken. So äußerte sich jüngst in einer öffentlichen Anhörung im Bundestagsausschuss für Klimaschutz und Energie zum Thema Speicherung und Nutzung von Kohlendioxid-Emissionen sowie CO2-Entzug aus der Atmosphäre DNR-Koordinator Politik und Gesellschaft Tobias Pforte-von Randow kritisch über das Verfahren: „Das Pferd wird von hinten aufgezäumt“. Zunächst müsse alles getan werden, um Emissionen zu vermeiden. Dazu gehöre auch der Ersatz von Materialien, bei deren Herstellung CO2-Emissionen unvermeidbar sind, durch andere Materialien. Würde jetzt schon Infrastruktur für CCS aufgebaut, drohe ein „Pull-Effekt“, es würde also mögliche CO2-Vermeidung unterlassen, weil es diese Infrastruktur gibt.
Kerstin Meyer, Leiterin des Referats Wirtschaft und Finanzen beim BUND nannte die Forderung nach dem Einsatz von CCS „gefährlich“, weil sie in eine Sackgasse führe. So seien etwa CO2-Pipelines im Fall eines Lecks eine Gefahr für die Anwohner.
Für eine stärkere Förderung natürlicher CO2-Senken plädierte Franziska Tanneberger, Leiterin des Moor Centrum der Universität Greifswald. Sie verwies darauf, dass derzeit sieben Prozent der deutschlandweiten CO2-Emissionen aus trockengelegten Mooren entwichen. Bei der Wiedervernässung von Mooren gehe es also zunächst darum, diese Emissionen zu stoppen.
Die Autorin
Marion Busch ist freie Journalistin in Berlin. Sie studierte Germanistik und Politikwisschenschaft und arbeitet seit vielen Jahren als Redakteurin und Lektorin für Medien, Hochschulen, Verbände, Verlage und Unternehmen.