Kreislaufwirtschaft muss mehr sein als Recycling
Das Kreislaufwirtschaftspaket der EU ist die Grundlage dafür, Abfälle in Europa besser zu recyceln. Die Frage, wie Abfälle und damit auch Plastik insgesamt vermieden werden können, bleibt jedoch unbeantwortet.
Im April 2018 hat das Europäische Parlament das EU-Kreislaufwirtschaftspaket verabschiedet, das zum Ziel hat, den Übergang von einer linearen zu einer kreislauforientierten Wirtschaft zu erreichen. Das Paket liefert gesetzliche Vorgaben, damit Abfälle recycelt und somit Ressourcen und Klima geschont werden. Das oberste Ziel, nämlich Abfälle zu vermeiden und Produkte wiederzuverwenden, wird mit den geplanten Maßnahmen jedoch nicht erreicht werden. Im Rahmen des Pakets wurden unter anderem folgende EU-Rechtsakte überarbeitet.
EU-Abfallrahmenrichtlinie
Kernelement der EU-Abfallrahmenrichtlinie ist die fünfstufige Abfallhierarchie, die vorschreibt, nach welcher Priorität Abfall zu behandeln ist. Demnach stehen Vermeidung und Wiederverwendung ganz oben. Im Gesetzestext fehlen jedoch konkrete Vorgaben, wie Abfälle vermieden oder zur Wiederverwendung aufbereitet werden sollen. Stattdessen werden die Mitgliedstaaten angehalten, eigenständig Maßnahmen zu entwickeln.
Konkreter ist die Richtlinie beim Recycling, der dritten Stufe der Abfallhierarchie. Sie schreibt vor, dass bis 2035 mindestens 65 Prozent der Siedlungsabfälle in den Mitgliedstaaten recycelt oder wiederverwendet werden sollen. Als Zwischenschritte werden 50 Prozent für 2020, 55 Prozent für 2025 und 60 Prozent für 2030 vorgegeben. In diesem Zuge wurde auch die Methodik neu geregelt, nach der die Recyclingquoten berechnet werden. Bisher galt als Berechnungsgrundlage stets die Abfallmenge, die in die Recyclinganlagen hineingeht (Input). Im Zuge des Recyclingprozesses fällt jedoch Ausschuss an und Verunreinigungen werden entfernt, sodass der Output der Anlage stets niedriger ist als der Input. Eine outputbasierte Berechnung soll die tatsächliche Recyclingpraxis korrekter abbilden. Aktuell ist die EU-Abfallrahmenrichtlinie in Überarbeitung, neue Regelungen zu den Abfallströmen Textilien und Lebensmittelabfälle stehen hierbei im Fokus.
EU-Richtlinie über Verpackungen und Verpackungsabfälle
Wie die Abfallrahmenrichtlinie konzentriert sich auch die Verpackungsrichtlinie auf das Thema Recycling und verzichtet auf verbindliche Vorgaben, wie Verpackungsabfälle vermieden werden können. Zwar werden Instrumente wie Pfandsysteme oder Mehrwegquoten erwähnt, es steht den Mitgliedstaaten jedoch frei, diese einzuführen.
Ein Kernelement der Richtlinie sind Recyclingquoten für Verpackungsabfälle. Bis 2025 müssen die Mitgliedstaaten mindestens 65 Prozent ihrer Verpackungsabfälle recyceln. Bis 2030 erhöht sich die Quote auf 70 Prozent. Außerdem wurden Vorgaben für einzelne Verpackungsmaterialien festgelegt. Beispielsweise müssen bis 2025 mindestens 50 Prozent der Kunststoff- und 75 Prozent der Papierverpackungsabfälle recycelt werden. Im deutschen Verpackungsgesetz sind höhere Quoten als die europäischen Mindestvorgaben festgesetzt. Demnach müssen bereits 2022 mindestens 63 Prozent der Kunststoff- und 85 Prozent der Papierverpackungsabfälle recycelt werden.
Damit die Recyclingquoten erfüllt werden können, müssen ausreichend recyclingfähige Verpackungen auf dem Markt sein. Insbesondere bei Kunststoffen scheitert das Recycling aktuell noch zu häufig daran, dass beim Design der Verpackungen das Recycling nicht mitgedacht wird, beispielsweise wenn verschiedene Materialien oder Kunststoffarten in der Verpackung miteinander verbunden sind. In der Sortierung und dem Recycling lassen sich diese dann nicht mehr voneinander trennen. Die EU hat deshalb in ihrer Kunststoffstrategie das Ziel formuliert, dass ab 2030 nur noch Kunststoffverpackungen auf den Markt kommen dürfen, die zu einhundert Prozent recyclingfähig sind.
Dieser Plan soll verbindlich mit der neuen EU-Verpackungsverordnung (PPWR) umgesetzt werden, die die bisherige EU-Verpackungsrichtlinie ersetzen soll. Die finale Abstimmung im EU-Parlament über die PPWR ist für November 2024 geplant. Neben der Recyclingfähigkeit sieht die Verordnung – unter Vielem mehr – auch erstmals gesetzliche Abfallvermeidungsziele für Verpackungen, Mehrwegquoten für Getränkeverpackungen sowie Mindestrezyklateinsatzquoten und Verbote für bestimmte Verpackungen aus Kunststoff vor.
Eine ambitionierte Kreislaufwirtschaft muss zum Ziel haben, Abfälle zu vermeiden oder zu recyceln und Produkte wiederzuverwenden. Gesetzliche Vorgaben wie verbindliche Abfallvermeidungsziele und Recyclingquoten sowie eine Besteuerung der Müllverbrennung sind daher notwendig, um Abfälle, die heute deponiert oder verbrannt werden, zukünftig zu minimieren.
Dazu fordert der NABU:
- Die EU muss die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Vorgaben des Kreislaufwirtschaftspakets unterstützen und falls notwendig im Rahmen ihrer Sanktionsmöglichkeiten einfordern.
- Die EU muss das Ziel festsetzen, ihren materiellen Fußabdruck bis 2030 zu halbieren, und dieses mit konkreten und verbindlichen Maßnahmen untermauern.
- Die EU muss sowohl für die gesamten Siedlungsabfälle als auch für einzelne Abfallfraktionen Vermeidungsziele definieren und in der EU-Abfallrahmenrichtlinie festschreiben.
- Für Textilien, Elektrogeräte und Sperrmüll müssen Quoten zur Wiederverwendung eingeführt werden. Systeme der erweiterten Herstellerverantwortung müssen eingeführt werden, um den Aufbau von Recyclinginfrastrukturen zu finanzieren.
- Die EU muss die Deponierung von Siedlungsabfällen stark reduzieren, die Deponierung recyclingfähiger Abfälle sollte verboten werden. Maßnahmen müssen die Verbrennung der vormals deponierten Abfälle verhindern (z.B. Besteuerung der Verbrennung unsortierter Abfälle).
Der Autor
Dr. Michael Jedelhauser ist Referent für Kreislaufwirtschaft beim Naturschutzbund Deutschland (NABU). Er studierte Geografie in Eichstätt und München.
Die ungekürzte Fassung des Artikels finden Sie hier.