Unscharfer Fokus auf Netto-Null-Technologien: der Net Zero Act
Die EU-Kommission hat ein Gesetz für eine klimaneutrale Wirtschaft vorgelegt. Bis 2030 sollen mindestens 40 Prozent des Bedarfs der Europäischen Union für die strategisch wichtigsten CO2-arme Technologien in der EU selbst hergestellt werden können. Harsche Kritik kommt vom WWF, weil „echte“ saubere Technologien mit umweltschädlichen in einen Topf geworfen werden.
Schnelle Genehmigung, staatliche Subventionen: Die Kommission will acht Industriezweige, die einen „wesentlichen Beitrag zur Dekarbonisierung“ leisten, besonders fördern. Das Netto-Null-Industrie-Gesetz (Net Zero Act) soll günstige Investitionsbedingungen schaffen, unter anderem durch kürzere Genehmigungsfristen und straffere Verfahren. Es soll CO2-Abscheidung beschleunigen, unter anderem durch die Schaffung jährlicher Injektionskapazitäten von 50 Millionen Tonnen bis 2030. Innovationen sollen gefördert und ein erleichterter Marktzugang gewährleistet werden, beispielsweise durch verpflichtende Kriterien für Nachhaltigkeit und Belastbarkeit von Netto-Null-Technologien in öffentlichen Ausschreibungen.
Zu den acht ausgewählten Technologien zählen:
- Photovoltaik und Solarthermie
- Onshore-Windkraft und erneuerbare Offshore-Energie
- Batterien und Speicher
- Wärmepumpen und Geothermie
- Elektrolyseure und Brennstoffzellen
- Biogas/Biomethan
- Kohlenstoffabscheidung, -nutzung und -speicherung sowie
- Netz-Technologien.
Die EU-Kommission will außerdem bessere Qualifikationen erreichen, zum Beispiel durch die Einrichtung von Net-Zero-Industrieakademien. Geplant ist außerdem eine „Net-Zero Europe“-Plattform, die die Kommission und die Mitgliedstaaten bei der Koordination von Maßnahmen und dem Austausch von Informationen unterstützen soll. Das Netto-Null-Industrie-Gesetz ist neben der Reform des Strommarktes (EU-News 14.03.2023) und dem Paket zu kritischen Rohstoffen (EU-News 16.03.2023) das dritte Gesetzesvorhaben, das die EU-Kommission in dieser Woche vorlegt, um das EU-Ziel der Klimaneutralität zu unterstützen und die Abhängigkeit von Importen zu verringern. Es ist aber auch die europäische Antwort auf den US-amerikanischen Inflation Reduction Act.
Der WWF Europa kritisierte, dass die EU-Kommission „Äpfel und Birnen vermischt“ beziehungsweise „zum Hammer der Deregulierung greift, obwohl sie eigentlich Präzisionswerkzeuge einsetzen sollte“. Die Behörde unterscheide nicht zwischen umweltschädlichen beziehungsweise in großem Maßstab nicht erprobten Aktivitäten – wie Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (CCS), Kernkraft und nicht erneuerbarer Wasserstoff – und solchen, die sauber sind und eine rasche Ausweitung benötigen, wie Photovoltaik, Windkraft und Wärmepumpen. Darüber hinaus versäume es die EU-Kommission, die Material- und Energieeffizienz als einen wichtigen Teil der Gleichung anzuerkennen. Echte grüne Technologien dürften nicht mit CCS auf eine Stufe gestellt werden, so der WWF. Die Abschaffung von Vorschriften zum Naturschutz und zur Beteiligung der Zivilgesellschaft und lokaler Gemeinschaften am Planungsprozess sei außerdem ein Irrweg. Klima- und die Biodiversitätskrise dürften nicht gegeneinander ausgespielt werden. [jg]
Net-Zero Industry Act: Making the EU the home of clean technologies manufacturing and green jobs
WWF Europa: The EU’s Clean Industrial Revolution: catching up on green tech at the risk of environmental damage