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Was muss auf die „Kunming-Deklaration“ folgen?
News | 13.04.2022
#Biodiversität und Naturschutz

Was muss auf die „Kunming-Deklaration“ folgen?

Amazonien, Primärwald
© pixabay
Primärwald Amazonien

Im Oktober 2021 fand in Kunming, China und virtuell der erste Teil der 15. Vertragsstaatenkonferenz der Biodiversitätskonvention statt. Die Teilnehmer*innen bekannten sich in der Kunming-Deklaration zur Entwicklung eines wirkungsvollen Post-2020 Biodiversitäts-Rahmenwerks (GBF), das ausreichend finanziert wird und über angemessene Mechanismen zur Umsetzung verfügt. Es soll auf dem zweiten Teil der 15. Vertragsstaatenkonferenz beschlossen werden, die für Herbst 2022 geplant ist.

Von diesem Rahmenwerk ist man trotz eines umfassenden Prozesses in den vergangenen drei Jahren noch immer ein ganzes Stück entfernt. Zwar fanden nach zwei Jahren rein virtuellen Austauschs vom 14.-29. März in Genf wieder physische Verhandlungen zum Post 2020-Rahmenwerk der Biodiversitätskonvention statt, doch kamen diese nicht zum Abschluss, so dass im Juni noch eine weitere Verhandlungsrunde in Nairobi stattfinden soll. An deren Ende, so der Plan, sollen die Ziele des neuen Biodiversitätsrahmenwerks stehen, sodass sie von der Vertragsstaatenkonferenz verabschiedet werden können.

Forderungen der deutschen Umweltverbände

Die deutschen Verbände arbeiten zur Biodiversitätskonvention in der AG Biodiversität des Forums Umwelt und Entwicklung zusammen. Bereits 2020 haben sie ein gemeinsames Kernpunktepapier entwickelt, deren wichtigste Punkte sich seitdem kaum verändert haben.

Friedrich Wulf
Die Staaten müssen klare Regeln und Anreize einführen, um die Wirtschaft in nachhaltige Bahnen zu lenken und den Überkonsum und dessen schädigende Auswirkungen auf Ökosysteme anderer Länder zu reduzieren – dies kann nicht allein der Wirtschaft und den Bürgerinnen und Bürgern aufgebürdet werden.
Friedrich Wulf, Pro Natura
Projektleiter Internationale Biodiversitätspolitik

Klar ist: Das Ambitionsniveau des GBF darf nicht hinter jenem des bestehenden strategischen Plans und der Aichi-Ziele und auch nicht hinter der Agenda 2030 zurückbleiben. Das bedeutet:

  • Die Wiederherstellung von 20 Prozent zerstörter Lebensräume ist wichtig, aber die Erhaltung bestehender Lebensräume muss Vorrang haben, die Wiederherstellung muss zusätzlich stattfinden.
  • Es braucht klare Regelungen für Ausweisung und Management von Schutzgebieten, die strikt eingehalten werden, und Indikatoren zur Berücksichtigung der Menschenrechte. Nur Gebiete, die gut gemanagt werden, in denen man die Menschenrechte respektiert und die allen Kriterien des Aichi-Ziels 11 entsprechen, sollten dem Schutzgebietsziel angerechnet werden.
  • Bei der Formulierung von Zielen zur nachhaltigen Nutzung der Biodiversität muss die Nachhaltigkeit im Vordergrund stehen, ihre Erreichung darf nicht anhand der Produktivität gemessen werden. So muss etwa die Landwirtschaft den ökologischen Landbau und Agrarumweltmaßnahmen fördern und ausbauen.
  • Nur durch eine klare Ansprache der Treiber (direkte wie indirekte) kann der Verlust der biologischen Vielfalt aufgehalten und ein nachhaltiger Wandel eingeleitet werden. Dazu gehört insbesondere der unverzügliche Abbau aller biodiversitätsschädigenden Subventionen und Anreize.
  • Die Staaten müssen klare Regeln und Anreize einführen, um die Wirtschaft in nachhaltige Bahnen zu lenken und den Überkonsum und dessen schädigende Auswirkungen auf Ökosysteme anderer Länder zu reduzieren – dies kann nicht allein der Wirtschaft und den Bürgerinnen und Bürgern aufgebürdet werden.

Die Vertragsstaaten sollten sich zur Einhaltung bestimmter Prinzipien bei der Umsetzung des GBF verpflichten (unter anderem Schutz der Menschenrechte, Einbindung und Würdigung der besonderen Rolle von Indigenous Peoples and Local Communities, also Indigene und lokale Gemeinschaften, Vorsorgeprinzip, Gender- und Generationengerechtigkeit, Teilnahme der Öffentlichkeit in allen Umweltbelangen). Diese Prinzipien müssen in einem eigenen Kapitel und in eigenen Zielen festgehalten werden. Zusätzlich bedarf es einer Erwähnung der Menschenrechte in besonders relevanten Zielen.

Was ist noch erforderlich für ein wirkungsvolles Rahmenwerk?

Klar ist: Es braucht verbindliche Umsetzungs-, Rechenschafts- und Monitoringmechanismen. Die Nationalen Biodiversitätsstrategien und Aktionspläne sind weiterhin das grundlegende Mittel zur Implementierung des globalen Rahmens. Sie sollten jedoch international untereinander vergleichbar, durch entsprechende Indikatoren und ein transparentes Berichtswesen aussagekräftig sein. Ferner braucht es eine konstruktive Diskussion der einzelnen Nationalberichte mit Nachbarländern, Experten und NGOs (Country-by-country Review), die zu verstärkten Maßnahmen in den Bereichen mit Defiziten führen. Das GBF muss zudem auf nationaler Ebene höchste Priorität haben und durch die gesamte Regierung unter aktiver und eigenverantwortlicher Mitwirkung aller Ressorts entsprechend ihren Zuständigkeiten umgesetzt werden (Whole-of-Government Approach).

Damit es zu einer Einigung kommt, die auch von den Ländern des Globalen Südens getragen wird, müssen schließlich noch zwei wichtige Voraussetzungen erfüllt werden:

  • Es muss eine ausreichende Finanzierung der Maßnahmen sichergestellt werden, die für das Erreichen der Biodiversitätsziele nötig sind – auf globaler und nationaler Ebene. Ohne klare Finanzzusagen werden die Länder des Globalen Südens dem neuen Biodiversitäts­rahmenwerk nicht zustimmen – dies haben zum Beispiel die afrikanischen Länder deutlich gemacht. Hier sind in erster Linie die Industrieländer gefragt, die gemäß Konventionstext die Finanzierung sicherstellen müssen. Die deutschen Verbände haben die Bundesregierung aufgefordert, ihren Beitrag auf zwei Milliarden Euro im Jahr aufzustocken.
  • Nötig ist ein wirksamer Mechanismus für den gerechten Vorteilsausgleich für die Herkunftsländer und deren Bewohner bei der Nutzung aller genetischen Ressourcen, unabhängig ob diese physisch oder ob Informationen dazu auf digitalem Wege (mittels digitaler Sequenzinformation (DSI)) weitergegeben werden. 

Bis zur Einigung braucht es noch einige Verhandlungen und guten Willen. Die Zeit bis Kunming ist knapp. Die von Deutschland und der EU verfolgten Ziele werden von den NGOs weitgehend unterstützt, und wir hoffen, dass es gelingt, andere Vertragsparteien zu überzeugen beziehungsweise ihnen entgegenzukommen. Kritisch zu sehen ist allerdings die allzu wohlwollende Haltung Europas gegenüber der Wirtschaft (Selbstkontrolle statt Staat, Einberechnung des Beitrags der Industrie zur Finanzierung) und der Glaube an Scheinlösungen wie Kompensationsmechanismen (Offsetting, Net Gain, Nature based Solutions). So sollen zum Beispiel industrielle CO2-Imissionen nicht reduziert, sondern durch Baumpflanzungen kompensiert werden – Monokulturen von Exoten eingeschlossen. Bei all diesen Mechanismen muss die Natur dafür herhalten, dass die Probleme nicht an der Quelle gelöst werden.

Der Autor

Der Diplom-Biologe Friedrich Wulf arbeitet als Projektleiter Internationale Biodiversitätspolitik beim Schweizer BUND-Partnerverband Pro Natura und begleitet seit 2007 die Biodiversitätskonvention. Seit 2008 koordiniert er die AG Biodiversität des Forums Umwelt und Entwicklung die Arbeit der deutschen NGOs zu diesem Thema.

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