Klima und Energie kompakt vom 28.01.2021
Blauer Wasserstoff im Umweltausschuss, Studien zu Bioenergie aus Holz und zur Stromerzeugung in der EU, Kohleausstieg mit EU-Klimadiplomatie?, globale Klimarisiken auch in EU, neues Projekt für EU-Batteriefertigung, ein Versprechen für grünen Konsum und die EZB.
Ausschussmehrheit für Wasserstoff aus Erdgas
Wie das Nachrichtenmagazin Euractiv berichtet, verabschiedeten die Mitglieder des Umweltausschusses (ENVI) im EU-Parlament am Mittwoch eine Stellungnahme als Reaktion auf die Wasserstoffstrategie der EU-Kommission. Darin bekennen sich die Abgeordneten „klar zum Übergang zur Erzeugung von Energie aus erneuerbaren Quellen“ sowie aus Quellen „mit sehr niedrigen CO2-Emissionen“. Dieser Wandel sei unerlässlich, um die Industrie zu dekarbonisieren und Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen.
Gleichwohl heißt es im Text, dass „während eines Übergangszeitraums Anreize erforderlich sind, um den Ausbau der Nutzung von aus erneuerbaren Quellen und mit sehr niedrigen CO2-Emissionen erzeugtem Wasserstoff in der Industrie und im Verkehr zu schaffen“. Mit anderen Worten zeigen sich die ENVI-Mitglieder mehrheitlich damit einverstanden, für einen Übergangszeitraum auch blauen Wasserstoff zu nutzen, d. h. Wasserstoff, der mit Erdgas hergestellt wird. Während des Herstellungsprozesses solle mit Abscheidungs- und Speichertechnologien so viel CO2 wie möglich gebunden werden.
Die Fraktion Grüne/EFA unterstützte die Stellungnahme nicht. Die grüne Europaabgeordnete Jutta Paulus stellte klar: „Es gibt keine Alternative zu grünem, emissionsfreien Wasserstoff. Die heutige Abstimmung ist eine verpasste Gelegenheit, klare Umweltstandards bei der Wasserstoffproduktion zu setzen.“
Euractiv: MEPs sehen Erdgas als „Brückentechnologie“ hin zu erneuerbarem Wasserstoff
Jutta Paulus: Europäische Wasserstoffstrategie: Schmutzige Mehrheiten im Umweltausschuss
Erneuerbare Energie auf dem Holzweg?
Eine neue Studie, die die Gemeinsame Forschungsstelle der EU-Kommission (Joint Research Centre, JRC) am Montag veröffentlichte, kommt zu dem Schluss, dass Bioenergie aus Holz das Potenzial habe, zur Lösung von Klima- und Biodiversitätskrisen beizutragen, aber nur, „wenn Biomasse nachhaltig produziert (und effizient genutzt) wird“. Nachhaltigkeitsaspekte seien für die Nutzung von besonderer Bedeutung, da „die Waldökosysteme in Europa im Allgemeinen in keinem guten Zustand sind“, heißt es weiter.
Sekundäre holzbasierte Biomasse, z. B. Nebenprodukte der Forstindustrie, mache etwa die Hälfte der gemeldeten holzbasierten Energieproduktion in der EU aus, während primäre holzartige Biomasse, die Äste, Baumkronen und Baumstämme umfasst, mindestens 37 Prozent ausmache. 14 Prozent des energetisch genutzten Holzes könne keiner der beiden Kategorien zugeordnet werden. Daher sei es wichtig, die Verfügbarkeit und Qualität der Daten zu verbessern.
Der WWF nahm die Studie zum Anlass, um die EU-Kommission aufzufordern, die Biomasse-Vorschriften in der Erneuerbare-Energien-Richtlinie II (RED II) mit Blick auf die Holznutzung zu verschärfen.
Schließlich habe die JRC nur eines von 24 Szenarien für die Nutzung von Waldbiomasse – nämlich die begrenzte Nutzung von „feinen Ernterückständen“ – als wahrscheinlich eingestuft, um kurzfristige Emissionsreduzierungen im Vergleich zu fossilen Brennstoffen zu erreichen, ohne die Biodiversität zu gefährden.
Außerdem sei es den Studienautor*innen zufolge aus Klimaperspektive wichtig, was verbrannt wird, nicht wie nachhaltig es produziert wurde oder was mit den Kohlenstoffvorräten der Wälder insgesamt passiert. Aber dieser Aspekt der Beschränkung von Einsatzstoffen, fehle derzeit in der RED II, bemängelte der WWF.
JRC study „The use of woody biomass for energy production in the EU“
WWF EU: Most forest biomass harms climate, biodiversity, or both - EU Commission
Erneuerbare schlagen 2020 knapp fossile Energien
Laut einer am Montag präsentierten Studie der Denkfabriken Ember und Agora Energiewende lieferten im Jahr 2020 Wind- und Solaranlagen sowie Wasserkraft und Biomasse 38 Prozent des EU-Stroms. Der Anteil von fossilen Energieträgern wie Kohle und Gas am Strommix betrug 37 Prozent.
Diese Entwicklung sei hauptsächlich auf den rasanten Ausbau von Wind- und Solaranlagen zurückzuführen. Diese Art der Stromerzeugung habe sich seit 2015 fast verdoppelt. Im vergangenen Jahr stammte bereits ein Fünftel des EU-weit produzierten Stroms aus Wind- und Solarenergieanlagen. Die höchsten Anteile wurden in Dänemark (61 Prozent), Irland (35 Prozent), Deutschland (33 Prozent) und Spanien (29 Prozent) verzeichnet, heißt es in der Analyse.
Im Gegenzug habe sich die Kohleverstromung in der EU seit 2015 halbiert. Kohlekraftwerke lieferten nur 13 Prozent des europäischen Stroms. Die Stromerzeugung aus Erdgas sank 2020 nur leicht um 4 Prozent.
Patrick Graichen, Direktor von Agora Energiewende warnte: „Die wirtschaftliche Erholung nach der Pandemie darf den Klimaschutz nicht ausbremsen. Wir brauchen daher eine starke Klimapolitik - wie zum Beispiel den Green Deal -, um einen stetigen Fortschritt zu gewährleisten.“
Studie von Ember und Agora Energiewende: „The European Power Sector in 2020“
EU-Klimadiplomatie soll Kohleausstieg voranbringen
In Schlussfolgerungen zu klimadiplomatischen Aktivitäten der EU, die am Montag veröffentlicht wurden, verpflichtet sich der Rat für Auswärtige Angelegenheiten, die Unterstützung für alle Infrastrukturprojekte für fossile Brennstoffe weltweit zu beenden, „sofern sie nicht vollständig mit einem ehrgeizigen, klar definierten Pfad zur Klimaneutralität im Einklang mit den langfristigen Zielen des Pariser Abkommens und den besten verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnissen übereinstimmen“.
Kohlekraftwerke ohne CO2-Abscheidung und -speicherung sollten vor dem Hintergrund eines „gerechten weltweiten Übergangs zur Klimaneutralität“ schrittweise abgeschaltet werden. Das beinhalte zuallererst ein „sofortiges Ende der Finanzierung neuer Kohleinfrastruktur in Drittländern“, heißt es in den Schlussfolgerungen.
Außerdem betonten die EU-Außenminister*innen den Zusammenhang zwischen Klimawandel, Sicherheits- und Verteidigungsfragen sowie das Engagement der EU in der internationalen Klimafinanzierung, einschließlich nachhaltiger Finanzierungspraktiken.
Schlussfolgerungen des Rates zur Klimadiplomatie der EU
Folgen der Erderhitzung auch in EU-Ländern spürbar
Die Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch veröffentlichte am Montag ihren jährlichen Globalen Klimarisiko-Index. Dieser zeige, dass erneut besonders Menschen in Entwicklungsländern unter den Folgen von Wetterextremen zu leiden hätten. Im Jahr 2019 waren schwere Wirbelstürme und darauffolgende Überflutungen sowie Erdrutsche die größten Bedrohungen. Mosambik und Simbabwe führten das Negativ-Ranking für 2019 an, aufgrund des bis dato verheerendsten Zyklons Idai, der jemals im westlichen Indischen Ozean auftrat.
Doch auch Industrieländer seien zunehmend von Wetterextremen betroffen. So gehörte Deutschland im Zeitraum 2000-2019 zu den 20 am massivsten betroffenen Ländern weltweit.
Dass einige EU-Länder in dem Ranking auftauchen, liege vor allem an der hohen Anzahl von Todesopfern durch die Hitzewelle 2003, bei der europaweit mehr als 70.000 Menschen starben. Obwohl EU-Staaten immer häufiger von Extremereignissen betroffen seien, seien die relativen wirtschaftlichen Verluste und die Zahl der Todesopfer aufgrund der hohen Bewältigungskapazitäten dieser Länder gemessen an ihrer Gesamtbevölkerung und Wirtschaftskraft meist relativ gering, so die Autor*innen.
Germanwatch mahnte eine bessere finanzielle und technische Unterstützung der Länder an, die am stärksten von den Folgen des Klimawandels betroffen sind. Den Zusagen der wirtschaftsstarken Industrienationen, jährlich 100 Milliarden US-Dollar zur Finanzierung des internationalen Klimaschutzes und von Anpassungsmaßnahmen bereitzustellen, müssten endlich Taten folgen.
Germanwatch: Globaler Klima-Risiko-Index 2021
Viel Geld für ein zweites EU-Batterieprojekt
Die EU-Kommission hat am Dienstag nach den EU-Beihilfevorschriften ein weiteres „wichtiges Projekt von gemeinsamem europäischem Interesse“ (IPCEI) genehmigt, das die Forschung in der Batterie-Wertschöpfungskette fördern soll. Hinter dem Titel „European Battery Innovation” steckt ein von Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Italien, Kroatien, Österreich, Polen, Schweden, der Slowakei und Spanien geplantes gemeinsames Vorhaben. Es soll sich mit der Gewinnung von Rohstoffen, der Konzeption und Fertigung von Batteriezellen und -sätzen und mit dem Recycling und der Entsorgung in einer Kreislaufwirtschaft befassen.
Die zwölf EU-Länder wollen in den kommenden Jahren bis zu 2,9 Milliarden Euro an Finanzmitteln bereitstellen. Das Projekt soll das erste, im Dezember 2019 von der Kommission genehmigte IPCEI für die Batterie-Wertschöpfungskette ergänzen.
„Green Consumption Pledge“
Am Montag startete die EU-Kommission eine neue Initiative als Teil des europäischen Klimapakts (EU-News vom 10.12.2020) sowie im Rahmen der neuen Verbraucheragenda (EU-News vom 17.11.2020). Mit der „Green Consumption Pledge“ (etwa: grünes Konsumversprechen) sollen Unternehmen zusichern, ihren Beitrag zu einem grünen Wandel zu leisten. Der Kommission zufolge sind die Colruyt-Gruppe, Decathlon, die LEGO-Gruppe, L'Oréal und Renewd die ersten Unternehmen, die an diesem Pilotprojekt teilnehmen.
Die Initiative umfasst fünf Kernzusagen: die Berechnung des CO2-Fußabdrucks des Unternehmens, die Berechnung des CO2-Fußabdrucks von ausgewählten Produkten, die Steigerung des Verkaufs nachhaltiger Produkte oder Dienstleistungen, die Bindung eines Teils der Ausgaben für Öffentlichkeitsarbeit für die Förderung nachhaltiger Verfahren sowie die Informationen, die den Verbraucher*innen in Bezug auf den CO2-Fußabdruck des Unternehmens und seiner Produkte zur Verfügung gestellt werden.
EZB kündigt Maßnahmen für mehr Klimaschutz an
Die Europäische Zentralbank (EZB) kündigte am Montag an, dass sie dieses Jahr ein Zentrum für Klimawandel einrichten werde, um die Arbeit zu Klimathemen in verschiedenen Teilen der Bank zusammenzuführen. Diese Entscheidung spiegelt nach eigener Darstellung die wachsende Bedeutung des Klimawandels für die Wirtschaft und die Politik der EZB sowie die Notwendigkeit eines strukturierteren Ansatzes für die strategische Planung und Koordination wider.
Außerdem beschloss die EZB, einen Teil ihres Eigenmittelportfolios für Investitionen in den von der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) eingeführten Investmentfonds für grüne Anleihen für Zentralbanken zu verwenden. Mit dieser Entscheidung trage die EZB zu den weltweiten Bemühungen um Umwelt- und Klimaschutz. Der Green-Bond-Fonds der BIZ investiert in die Erzeugung erneuerbarer Energien, Energieeffizienz und andere umweltfreundliche Projekte.
ECB sets up climate change centre
ECB to invest in Bank for International Settlements’ green bond fund
Zusammengetragen von Ann Wehmeyer