Nachhaltigkeitsaspekte in Unternehmensberichten: Kommission legt Vorschlag vor
Die EU-Kommission präsentierte am Mittwoch nicht nur ihre Vorschläge zur Taxonomie, sondern auch ihren Entwurf für eine Überarbeitung der Richtlinie über nicht-finanzielle Berichterstattung (non-financial reporting directive, NFRD). Umweltorganisationen kritisieren Ausnahmen für 99 Prozent der Unternehmen.
Die Richtlinie soll in Zukunft dafür sorgen, dass Unternehmen besser darstellen, wie sich ihr Handeln auf die Umwelt auswirkt und welche Anstrengungen sie unternehmen, um diese Auswirkungen so gering wie möglich zu halten. In Ergänzung zur EU-Taxonomie (siehe EU-News vom 22.04.2021) soll sie es Anleger*innen und Finanzunternehmen außerdem erleichtern „vergleichbare und verlässliche Angaben zum Thema Nachhaltigkeit“ zu erhalten. Die EU-Exekutive erhofft sich, dass Berichte über die Nachhaltigkeit von Unternehmen langfristig einen ebenso großen Stellenwert wie die Finanzberichterstattung erhalten.
Konkret schlägt sie vor, die aktuellen Bestimmungen für Nachhaltigkeitsberichterstattung auf alle Groß- und börsennotierten Unternehmen auszuweiten und Berichtsstandards für sie zu entwickeln. Bisher sind nur Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigen von der NFRD betroffen. Für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU), die nicht an der Börse sind, sollen nur freiwillige Standards gelten. Für börsennotierte KMU sieht die EU-Kommission eine dreijährige Übergangsfrist vor, bevor auch für sie Berichtspflichten verpflichtend werden.
Die Qualität der Berichte soll langfristig von unabhängigen Prüfern, analog der Wirtschaftsprüfer für Finanzberichte, kontrolliert werden. Die konkreten Berichtsstandards soll die Europäische Beratergruppe für Rechnungslegung ausarbeiten. Im März hatte die Gruppe bereits ihre Empfehlungen dafür formuliert (siehe EU-News vom 11.03.2021). Sie wird nun parallel zu den Gesprächen zwischen Rat, Kommission und EU-Parlament über den Gesetzesvorschlag Entwürfe für Standards erstellen. Die EU-Kommission rechnet bis Mitte 2022 mit ersten Entwürfen. Gibt es dann bereits eine Einigung zwischen Rat und Parlament, könnten die neuen Vorschriften bis Ende 2022 angenommen werden und 2024 für das Geschäftsjahr 2023 in Kraft treten.
Reaktionen aus der Zivilgesellschaft
Eine Gruppe von 14 Nichtregierungsorganisationen, darunter Germanwatch, WWF, Transport and Environment und Finance Watch, reagierten in einem gemeinsamen Statement auf den Vorschlag der EU-Kommission. Darin begrüßten sie die Ausweitung des Geltungsbereichs der Richtlinie auf alle Großunternehmen und die Ankündigung, allgemeine und branchenspezifische Standards für die Berichterstattung zu entwickeln. Die Organisationen lobten auch, dass Unternehmen in ihren Berichten erklären sollen, wie ihr Geschäftsmodell mit dem 1,5-Grad-Ziel in Einklang gebracht werden – hierfür fehle jedoch ein verpflichtender Berichtsstandard. Dass der Vorschlag jedoch keine verpflichtenden Berichte für nicht-Großunternehmen vorsehen, sei problematisch und stehe auch im Widerspruch zur Forderung des EU-Parlaments (siehe EU-News vom 17.12.2021). Gerade Tätigkeiten von KMU aus dem Energie- und Bergbausektor oder der Agrarwirtschaft, die mit Abholzung und Landraub verbunden sei, hätten hohe potentielle negative Auswirkungen. „KMU machen laut Eurostat 99,8 % aller EU-Unternehmen aus, und die Auswirkungen auf Menschen und Planeten sind unabhängig von ihrer Größe. Der Mangel an Ehrgeiz im Geltungsbereich wird sich in der Wirksamkeit dieses Vorschlags widerspiegeln“, erklärte Julia Linares, Senior Sustainable Finance Policy Officer im WWF Europa-Büro.
Die Organisationen kritisierten außerdem, dass Unternehmen Informationen über Menschenrechtsumstände in ihrer Wertschöpfungskette nur „gegebenenfalls“ bereitstellen müssen. Die Nachhaltigkeitsziele eines Unternehmens müssten außerdem mit den restlichen Unternehmenszielen verbunden werden.
Christoph Bals, Geschäftsführer von Germanwatch, forderte „Deutschland und EU-Regulierungsbehörden“ auf, sicherzustellen, „dass die von Unternehmen berichteten Informationen klar genug sind, damit interessierte Stakeholder verstehen können, wie Unternehmen ihre Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft identifizieren und kontrollieren". [km]
Pressemitteilung der EU-Kommission
Fragen und Antworten der EU-Kommission zum Richtlinienvorschlag
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