Stoppen Sie unredlichen Wahlkampf auf Kosten des Klimas!
Brandbrief der Umweltverbandsspitzen an die Parteivorsitzenden von CDU/CSU, SPD, FDP, die Linke und Bündnis 90/Die Grünen sowie den SPD-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz
Berlin
Sehr geehrte Damen und Herren,
Deutschland ist meilenweit davon entfernt, seinen Beitrag zur Einhaltung des 1,5-Grad-Limits für die Erderhitzung zu leisten.
Daher brauchen wir jetzt einen Parteienwettstreit um die besten Maßnahmen für den Klimaschutz. Und Ehrlichkeit gegenüber den Wählerinnen und Wählern auch in Bezug auf die Kosten unterlassenen Handelns. Denn jede verzögerte Maßnahme im Klimaschutz erzeugt hohe volkwirtschaftliche Schäden bereits in der nahen Zukunft, die wiederum einzelne gesellschaftliche Gruppen mehr belasten als andere.
Doch stattdessen erleben wir einen unredlichen Wahlkampf auf Kosten des Klimas und der Biodiversität. Die für den Klimaschutz zentral notwendige Akzeptanz in der Bevölkerung wird gerade mutwillig oder fahrlässig zerstört.
Die Bundesminister Olaf Scholz und Andreas Scheuer polemisieren heute öffentlich gegen die schrittweise Anhebung der CO2-Bepreisung und die damit einhergehende Erhöhung der Benzin- und Dieselpreise. Dabei haben sie dieses Instrument selber eingeführt.
Bereits bei Einführung dieses Klimaschutzinstruments haben wir uns dafür stark gemacht, dass es eine Pro-Kopf-Rückzahlung der CO2-Preis-Erlöse gibt. Die Regierung aus CDU, CSU und SPD haben sich allerdings gegen eine sozial gerechte Ausgestaltung des CO2-Preises entschieden und kritisieren das Klimaschutzinstrument nun genau dafür. Wenn Sie es ernst meinen mit dem Klimaschutz, dann schreiben Sie jetzt eine sozial progressive Rückzahlung ins Gesetzblatt. Denn Benzinpreispopulismus in der Bild-Zeitung kann diesen Regierungsfehler nicht heilen.
Während Teile der Union gerade wieder an die Herzen der Autofahrer appellieren, blockieren sie im Bundestag auf Kosten der Mieterinnen und Mieter eine faire Verteilung des CO2-Preises beim Heizen. Soziale Verantwortung sieht sicher anders aus.
Wir Umweltverbände plädieren für einen Mix aus ordnungsrechtlichen Instrumenten und einer schrittweise steigenden CO2-Bepreisung. Denn nur wenn wir heute die richtigen Weichen stellen und unter anderem strenge CO2-Grenzwerte für Autos einführen, werden die CO2-Preise Ende des Jahrzehnts nicht dramatisch in die Höhe schnellen.
Der Gipfel der Unredlichkeit ist, wenn Politiker und Politikerinnen, die alle wirksamen und sozialverträglichen Maßnahmen ablehnen und alles über den Preis regeln wollen, gegen höhere CO2-Preise wettern.
Wir fordern alle Parteien auf, um die wachsende Zahl von Wählerinnen und Wähler zu kämpfen, die mehr Klimaschutz wollen, statt durch unredliche Argumente gegen Klimaschutzmaßnahmen zu versuchen, diese Zahl wieder nach unten zu drücken. Denn wer heute wie Teile der Bundesregierung und auch anderer demokratischer Parteien Wahlkampf auf Kosten des Klimas führt, gefährdet die Zustimmung für die tiefgreifenden Veränderungen, die für die Klimaneutralität und den Stopp des Artensterbens notwendig sind.
Beim Klimaschutz sind alle demokratischen Parteien in der Verantwortung. Niemand kann allein diese Herkules-Aufgabe stemmen.
Wir appellieren daher an alle demokratischen Parteien: Ringen Sie um die richtigen Instrumente, wie die verfassungsgemäßen Klimaziele erreicht werden und das Artensterben gestoppt werden kann, und beenden Sie unredliche Desinformationen. Zeigen Sie noch vor der Wahl – wo immer Sie in Regierungsverantwortung sind – was Sie können!
Die Koalition im Bund hat jetzt noch die Chance, durch konkrete Beschlüsse den Klimaschutz zu stärken und glaubwürdig in den Wahlkampf zu starten. Sie darf sich nicht darauf beschränken, lediglich das Klimaschutzgesetz verfassungsgemäß umgestaltet zu haben. Denn das Gesetz benennt vor allem Ziele. Um Klimaneutralität zu erreichen, braucht es aber entsprechende Maßnahmen. Deshalb gilt unser besonderer Appell den Regierungsparteien: Beenden Sie Wahlkampfpolemik auf Kosten des Klimas und überzeugen Sie durch Handeln.
Mit freundlichen Grüßen
Christiane Averbeck, Geschäftsführerin Klima-Allianz Deutschland
Christoph Bautz, Geschäftsführer CAMPACT
Antje von Broock, Bundesgeschäftsführerin BUND
Martin Kaiser, Geschäftsführender Vorstand Greenpeace
Silvie Kreibiehl, Vorstandsvorsitzende Germanwatch
Jörg-Andreas Krüger, NABU-Präsident
Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer DUH
Kai Niebert, DNR-Präsident