EU-Behörde will weitere Giftstoffe in Kinderprodukten beschränken
Krebserregende, erbgutverändernde oder fortpflanzungsgefährdende (CMR) Stoffe sind in vielen Produkten für Kinder wie Autositzen, Lätzchen und Wickelauflagen enthalten. Das hat die Europäische Chemikalienbehörde (ECHA) in einem Bericht bestätigt. Außerdem hat sie Forschungslücken bei der Regulierung der Chemikaliensicherheit erkannt. Umweltverbände fordern derweil die versprochene Überarbeitung der EU-Chemikalienverordnung REACH ein.
Giftige Metalle wie Kobalt und Blei sowie Phthalate (Weichmacher) wie DEHP gehören zu den am häufigsten gefundenen Stoffen der von der ECHA im Auftrag der EU-Kommission untersuchten Kinderprodukte. Etwa jeder fünfte Autositz (17 Prozent) sowie ein Zehntel der Lätzchen, Toilettenartikel, Betten und Matratzen sowie Windeln enthielt CMR-Stoffe der gefährlichsten Klassen 1A und 1B! In 8 Prozent von Artikeln, die zum Essen und Trinken verwendet werden, sind ebenfalls giftige Chemikalien dieser Gefahrenkategorie enthalten. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung, deren Ergebnisse am 8. November veröffentlicht wurden. Der Bericht der ECHA auf Basis von Daten aus 48 separaten Studien stärkt damit Argumente für die Beschränkung dieser giftigen Chemikalien im Rahmen der EU-Chemikalienverordnung REACH. CMR-Stoffe der gefährlichsten Klassen 1A und 1B sind in Kosmetika bereits durch eine separate Verordnung verboten.
Ergänzend veröffentlichte die ECHA am 15. November einen Bericht über den identifizierten Forschungsbedarf für die Regulierung gefährlicher Chemikalien. Schlüsselforschungsbereiche für mehr Chemikaliensicherheit seien:
- Gefahrenermittlung für kritische biologische Wirkungen, für die es derzeit keine spezifischen und empfindlichen Testmethoden gibt: das heißt Neurotoxizität bei Kindern und Erwachsenen, Immuntoxizität und Störungen des Hormonsystems;
- Chemische Verschmutzung in der natürlichen Umwelt (Bioakkumulation, Auswirkungen auf die biologische Vielfalt, Expositionsbewertung);
- Abkehr von Tierversuchen (im Rahmen von REACH, Abkehr von Fischtests, mechanistische Unterstützung für toxikologische Studien, zum Beispiel Karzinogenität);
- Neue Informationen über Chemikalien (Polymere, Nanomaterialien, Analysemethoden zur Unterstützung der Durchsetzung).
Zivilgesellschaft: „REACH ist in die Jahre gekommen“ – die EU-Kommission soll liefern
Am 6. November hatte ein breites Bündnis von Umwelt- und Gesundheitsorganisationen die EU-Kommission aufgefordert, endlich die chemikalienbezogenen Versprechen des europäischen Green Deals und der Chemikalienstrategie für Nachhaltigkeit „Für eine schadstofffreie Umwelt“ [KOM (2020) 667] einzulösen. Während die Wissenschaft eine „alarmierend hohe“ chemische Belastung der europäischen Bevölkerung durch gesundheitsgefährdende Giftstoffe feststelle, die schwere Krankheiten wie Krebs, Unfruchtbarkeit und Entwicklungsstörungen bei Kindern verursachen könnten, erreichten die steigenden Gewinne aus dem Verkauf von Chemikalien in der EU nach den Erkenntnissen der Kommission Rekordniveaus (872 Milliarden Euro im Jahr 2022). In einem offenen Brief an den Exekutivvizekommissionspräsidenten Maroš Šefčovič erkannten Organisationen wie das Health and Environment Alliance (HEAL), Europäisches Umweltbüro (EEB), ChemTrust, Forum Umwelt & Entwicklung und BUND zwar Fortschritte in vielen Politikbereichen an. Wichtige Maßnahmen zur Verwirklichung einer giftfreien Zukunft ohne Umweltverschmutzung blieben jedoch unerledigt. Das Bündnis bedauerte, dass die derzeitige Kommission die Überarbeitung des wichtigsten Gesetzes zur Kontrolle von Chemikalien, die REACH-Verordnung, nicht innerhalb ihres Mandats vorlegen kann. REACH sei mal Weltspitze gewesen. „Aber nach 17 Jahren ist es in die Jahre gekommen und leidet eindeutig an vielen Unzulänglichkeiten, die seine Wirksamkeit beeinträchtigen und dringend behoben werden müssen“, heißt es in dem Brief. Das Bündnis forderte die EU-Kommission auf, die laufenden technischen Arbeiten nicht zu unterbrechen und nach Abschluss der Arbeiten umgehend einen Vorschlag zur REACH-Überarbeitung vorzulegen. [jg]
ECHA’s investigation finds toxic chemicals present in childcare products
ECHA identifies research needs for regulating hazardous chemicals
HEAL et al.: Joint letter [...] to uphold commitments [...]
Chemikalienpolitik kurz & knapp
- Anti-PVC-Petition: Nichtregierungsorganisationen haben eine Petition gestartet, in der die EU-Politiker aufgefordert werden, die Verwendung von Polyvinylchlorid (PVC) wegen der Gefahren für Umwelt und Gesundheit auslaufen zu lassen.
- Blei und Diisocyanate/Arbeitsschutz: Rat und Parlament haben am 14.11. eine vorläufige Einigung über die Grenzwerte für Blei und Diisocyanate im beruflichen Zusammenhang erzielt. Die Grenzwerte für die berufsbedingte Exposition gegenüber Blei werden gesenkt und es gibt erstmals einen Grenzwert für Diisocyanate.
- Chemikalienrecht: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat letztinstanzlich eine Berufung des Chemieunternehmens Chemours NL abgewiesen, die Einstufung der PFOA-Ersatzchemikalie GenX durch die EU-Chemikalienbehörde ECHA als besonders besorgniserregende Substanz (SVHC) zu kippen. Das Unternehmen trägt auch die Gerichtskosten der ECHA, von ClientEarth, ClientEarth AISBL und CHEM Trust Europe.