EU-Winterpaket: Schritt gen Kohleausstieg mit Schlupfloch
Am frühen Mittwochmorgen haben das EU-Parlament, die EU-Mitgliedstaaten und die EU-Kommission Neuregelungen des EU-Strombinnenmarktes vereinbart. Zugeständnisse an Polen trüben jedoch die klimafreundlichen Ergebnisse.
Die Verhandlungsführer*innen des EU-Parlaments setzten größtenteils ihre klimafreundlichen Positionen für die Verordnung des Strommarktes durch: Den dreckigsten und klimaschädlichsten Kohlekraftwerken geht es an den Kragen.
Bestandsanlagen zur Stromproduktion dürfen ab dem 1. Juli 2025 keine Subventionen mehr über Kapazitätsmechanismen erhalten, wenn sie mehr als 550 Gramm CO2 pro Kilowattstunde (g pro kWh) oder im jährlichen Durchschnitt mehr als 350 Kilogramm CO2 pro installierter kW ausstoßen. Bei neuen Kohle- und Gaskraftwerken gilt dieser Grenzwert bereits ab 2021. Damit wird der staatlichen Bezuschussung von ineffizienten, klimaschädlichen und luftverschmutzenden Kohle- und Erdgaskraftwerken spätestens ab 2025 ein Riegel vorgeschoben.
Ein großes Aber verbirgt sich hinter der „Großvater-Klausel“, mit der die EU-Institutionen dem Kohleland Polen entgegenkommen. Die Emissionsgrenzwerte sollen nicht für in Planung oder im Bau befindliche Kraftwerke gelten, deren Vertragsabschluss für den Bau vor dem 31. Dezember 2019 stattfindet. Damit unterliegen beispielsweise neue Kohlekraftwerke in Polen mit einer Gesamtleistung von 4 Gigawatt Stromproduktion nicht den neuen EU-Vorschriften.
Florian Schöne, Generalsekretär des Deutschen Naturschutzrings, zeigte sich dennoch optimistisch: „Die Einigung ist ein wichtiger Schritt in Richtung eines europäischen Kohleausstiegs. Statt Milliarden Euro in ineffiziente, unflexible sowie umwelt- und klimaschädliche Kohlekraftwerke zu stecken, können Mitgliedstaaten künftig die richtigen Anreize für ein klimafreundliches und sicheres Energiesystem schaffen. Deutschland muss nun nachziehen und mit der Kohlekommission ein stabiles Fundament für einen schnellen Kohleausstieg schaffen“.
Auch Wendel Trio vom Climate Action Network (CAN) Europe bewerte die Einigung im Trilog als durchaus positives Signal, mahnte jedoch stärkeres Engagement der EU-Länder an. Das Erreichen der Klimaziele von Paris seien noch immer in weiter Ferne.
Sebastian Mang von Greenpeace kritisierte vor allem die Ausnahme für neue Kraftwerke. Dieses Schlupfloch untergrabe die Anstrengungen für besseren Klimaschutz. Bis in die 2030er Jahre hinein könnten Steuergelder für Kapazitätsmechanismen ausgegeben werden, um dreckige Kohle weiterhin zu subventionieren.
Zudem verständigten sich die Verhandelnden der drei EU-Organe auf Neuerungen der Richtlinie für den Strommarkt. Stromanbieter sollen künftig die Strompreise eigenständig festlegen können. Allerdings sollen wirtschaftsschwache Haushalte mittels festen Strompreisen geschützt werden. „Prosumers“ sollen gestärkt werden, indem Verbraucher*innen künftig einfacher ihren selbsterzeugten Strom ins Netz einspeisen dürfen. Spätestens ab 2026 soll es Stromkund*innen möglich sein, innerhalb von 24 Stunden den Stromanbieter zu wechseln.
Heute (Mittwoch) tagt der Energierat. Die Minister*innen werden einen ersten Gedankenaustausch über die Strategie für die langfristige Senkung der Treibhausgasemissionen der EU gemäß dem Übereinkommen von Paris führen. Der Rat wird über den Sachstand bei den Dossiers des Pakets „Saubere Energie“ unterrichtet. Die Minister*innen werden auch über den Verhandlungsstand bei der Fazilität „Connecting Europe“ (CEF) und über den Stand der Überarbeitung der Gasrichtlinie informiert. Weitere Punkte betreffen ein Follow-up der „Wasserstoff-Initiative“, die auf dem informellen Treffen der Energieminister*innen im September 2018 in Linz startete, sowie Informationen zu den Aktivitäten der EU im Bereich der Meeresenergie. [aw]
EU-Parlament zum Strommarkt
Ministerrat zum Strommarkt
Reaktion Deutscher Naturschutzring
Reaktion CAN Europe
Reaktion Greenpeace EU
Tagesordnung Energierat