Menü
Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzorganisationen
Startseite
Aktuelles & Termine
Aktuelles & EU-News
"Fit for 55": Schwache Reform des EU-Gasmarkts vorgeschlagen
EU-News | 16.12.2021
#Klima und Energie #EU-Umweltpolitik

"Fit for 55": Schwache Reform des EU-Gasmarkts vorgeschlagen

Rubrik_Klima_und_Energie_Gasflamme__c._Pixabay_flame-580342_1920
© Foto: Pixabay

Die EU-Kommission hat am Mittwoch als Teil des „Fit-for-55“-Paketes Legislativvorschläge veröffentlicht, um den EU-Gasmarkt durch die Erleichterung der Nutzung erneuerbarer und CO2-armer Gase, einschließlich Wasserstoff, zu dekarbonisieren. Aus Umweltverbandssicht reichen die Vorschläge klimapolitisch bei weitem nicht und seien "Greenwashing von fossilem Gas".

Die Veröffentlichung umfasst vier Teile:
Was steckt drin?

Die EU-Kommission will den Übergang von fossilem Erdgas zu erneuerbaren und CO2-armen Gasen, insbesondere Biomethan und Wasserstoff, ankurbeln. Hierfür soll ein Wasserstoffmarkt aufgebaut werden, der aus einem „günstigen Investitionsumfeld“ und dem Ausbau spezieller Infrastrukturen auch über die EU hinaus besteht.

Gasmarktvorschriften in zwei Phasen: nämlich vor und nach 2030 mit neuer Steuerungsstruktur, nämlich das Europäische Netz der Wasserstoffnetzbetreiber (European Network of Network Operators for Hydrogen, ENNOH). Die Vorschriften decken hauptsächlich den Zugang zu Wasserstoffinfrastrukturen, die Trennung von Wasserstofferzeugung und Transporttätigkeiten sowie die Festsetzung von Tarifen ab.

Nationale Netzentwicklungspläne sollen auf einem gemeinsamen Szenario für Strom, Gas und Wasserstoff beruhen sowie mit den nationalen Energie- und Klimaplänen und dem EU-weiten Zehnjahresnetzentwicklungsplan im Einklang stehen. Gasnetzbetreiber müssen Angaben zu Infrastrukturen machen, die stillgelegt oder umfunktioniert werden können, und über das zu entwickelnde Wasserstoffnetz gesondert Bericht erstatten.

Tarife für erneuerbare und CO2-arme Gase in das bestehende Gasnetz sollen für grenzüberschreitende Verbindungsleitungen abgebaut und an Einspeisungspunkten gesenkt werden. Es soll ein Zertifizierungssystem für CO2-arme Gase geschaffen werden, um faire Wettbewerbsbedingungen durch vollständig einberechnete Treibhausgas-Fußabdrücke der verschiedenen Gase zu schaffen.

Keine Gas-Langzeitverträge mehr: Um zu vermeiden, dass Europa an fossilem Erdgas hängen bleibt und mehr Raum für saubere Gase auf dem europäischen Gasmarkt zu schaffen, schlägt die Kommission vor, langfristige Verträge für fossiles Erdgas ohne CO2-Minderung nicht über 2049 hinaus zu verlängern.

Verbraucherschutz soll gestärkt werden: leichterer Versorgerwechsel mit Entscheidungsfreiheit ob fossil oder erneuerbar, wirksame Preisvergleichsinstrumente, faire und transparente Abrechnungsinformationen, besserer Zugang zu Daten und neuen intelligenten Technologien.

Um die Resilienz des Gassystems zu verbessern und die bestehenden Bestimmungen für die Versorgungssicherheit zu stärken, wird ein strategischerer Ansatz für die Gasspeicherung gefördert, sowie die freiwillige gemeinsame Beschaffung strategischer Vorräte durch die Mitgliedstaaten angeregt. 

Reaktionen

CAN Europe: Weihnachtsbaum mit Kugeln aus fossilem Glas

Der zweite Teil des Klima- und Energiepakets gibt nicht den Weg vor, der notwendig ist, um das 1,5°C-Ziel und die Klimaneutralität bis 2040 zu erreichen”, kritisierte das Klimaaktionsnetzwerk CAN Europe. Es gebe die Tendenz, fossilem Gas und Wasserstoff eine herausragende Rolle zu geben, anstatt Marktregeln zu schaffen, die den Rückgang ihrer Nutzung erleichtern. Kern der Gasgesetzgebung hätten klare Zeichen für den Ausstieg aus fossilem Gas bis 2035 und für den Übergang zu einem 100 % erneuerbaren Energiesystem sein müssen. Stattdessen haben wir einen enttäuschenden Weihnachtsbaum vorgefunden, der mit unangemessenen und unansehnlichen Kugeln aus fossilem Gas geschmückt ist, um die herum wir uns weigern, Weihnachtslieder zu singen, sagte CAN-Sprecherin Esther Bollendorff.

Deutscher Naturschutzring: „Reform des Gasmarktes ist misslungen“

Aus Sicht des Umweltdachverbands DNR bleiben die Kommissionsvorschläge zum Gaspaket hinter dem klimapolitisch Notwendigen zurück. „Statt die Weichen für einen mittelfristigen Erdgasausstieg und ein 100 Prozent erneuerbares Energiesystem zu stellen, zementiert die Kommission die Abhängigkeit von gasförmigen Energieträgern und gefährdet damit das Ziel der Klimaneutralität”, sagte DNR-Präsident Kai Niebert. Besonders problematisch sei dabei die mangelhafte Definition von kohlenstoffarmen Gasen, welche Tür und Tor auch für Wasserstoff aus fossilem Erdgas oder Atomstrom öffnen könnte. Die geplante Beimischung von Wasserstoff ins bestehende Erdgasnetz berge aus Sicht der Umweltverbände die Gefahr eines stagnierenden Entwicklungspfades, eines „fossilen Lock-Ins“. Statt eine dringend benötigte eigenständige Wasserstoffinfrastruktur aufzubauen, würde der kostbare Energieträger primär dem Greenwashing von fossilem Gas dienen, kritisierte der DNR. Die Kommission ebne damit den Weg für den Einsatz von Wasserstoff im Wärmesektor, wo wesentlich effizientere und kotengünstigere Alternativen zur Verfügung stünden. Zudem werde die vielfach kritisierte Rolle der Fernleitungsnetzbetreiber bei der Bedarfsplanung nicht reformiert. „Eine unabhängige Kontrolle der Infrastrukturplanung entlang der Klimaziele bleibt damit weiterhin aus”, kritisierte Niebert.

BUND: "Versäumnis beim Gasausstieg"

Der BUND konstatierte, dass die EU-Kommission es bei der Gasmarktrichtlinie verpasst habe, ein fixes Enddatum für die Nutzung fossiler Energieträger vorzugeben. Auf europäischer Ebene müsse die Infrastrukturplanung auf den vollständigen Ausstieg aus der fossilen Gasnutzung ausgerichtet werden. „Ein zukunftsweisendes Gas-Paket darf Erdgas nicht einfach durch fossilen Wasserstoff ersetzen und diesen als 'kohlenstoffarm' neu etikettieren. Nur erneuerbare Gase ermöglichen den Einstieg in die klimaneutrale Gasnutzung. Sie sollten deshalb nicht genauso behandelt werden wie kohlenstoffarme Gase, die konsequenterweise keine öffentliche Förderung erhalten dürfen”, sagte die stellvertretende BUND-Vorsitzende Verena Graichen. Eine allgemeine Beimischung von bis zu fünf Prozent Wasserstoff in den Gasnetzen sei „energetisch ineffizient, teuer und klimapolitisch perspektivlos”. Erneuerbarer Wasserstoff sei ein knappes Gut, das gezielt und nicht in der Breite eingesetzt werden sollte. [jg]

 

EU-Kommission:

Berichterstattung:

Reaktionen:

CAN Europe: Fossil gas dressed up like a Christmas tree: 2nd part of the EU’s ‘Fit For 55’ not in line with 1.5°C

Deutscher Naturschutzring: EU-Kommission legt zweiten Teil des “Fit for 55”-Pakets vor

BUND: EU-Richtlinien für Gebäude und Gasmarkt: Endlich mehr Tempo bei Gebäudemodernisierung - Versäumnis beim Gasausstieg

Das könnte Sie interessieren

Rubrik_Naturschutz_-_pixabay-wolf-2984865__340
EU-News | 01.08.2024

#Biodiversität und Naturschutz #EU-Umweltpolitik

EuGH stärkt Wolfsschutz in Spanien: Keine regionale Ausnahme

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden, dass regionale Gesetze keine Ausnahmen bei der Bejagung von Wölfen zulassen dürfen, wenn es der Population auf nationaler beziehungsweise biogeografischer Ebene schlecht geht. Es ging in diesem Fall um ein Regionalgesetz in Spanien und die Bejagung nördlich des Flusses Duero. ...