Klagerechte bewahren – in Deutschland und der EU

Klagerechte von Umweltverbänden sind immer wieder Gegenstand politischer Diskussionen. So haben sich CDU und CSU in ihrem Wahlprogramm für die Bundestagswahl 2025 etwa dafür ausgesprochen, das Verbandsklagerecht bei Infrastrukturvorhaben abzuschaffen. Unmittelbar nach der Wahl stellten die Abgeordneten Friedrich Merz und andere sowie die Fraktion der CDU/CSU eine 551 Fragen umfassende Kleine Anfrage zur „politischen Neutralität staatlich geförderter Organisationen“, die unlängst von der Bundesregierung beantwortet wurde.
Von Cornelia Nicklas, DUH
Ein Blick in die Geschichte der Umweltverbandsklage in Deutschland verdeutlicht ihre rechtliche und politische Verankerung: Seit Ende 2006 haben anerkannte Umweltverbände mit dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz (UmwRG) die Möglichkeit, umweltrelevante Behördenentscheidungen gerichtlich kontrollieren zu lassen – und zwar ohne darlegen zu müssen, dass die angegriffene Entscheidung sie in ihren eigenen Rechten verletzt. Ziel solcher Verbandsklagen ist es vor allem, die Einhaltung geltenden Umweltrechts durch die Gerichte überprüfen zu lassen. Es geht in diesen Klageverfahren immer um die Frage, ob die Behörden im konkreten Einzelfall das bestehende Recht beachtet haben und falls nicht, ob sie zur Einhaltung der Vorgaben verpflichtet werden können.
Aarhus-Konvention: Informationen offenlegen, Öffentlichkeit beteiligen und Klagen ermöglichen
Das UmwRG geht auf die internationale Aarhus-Konvention aus dem Jahr 1998 zurück, ein völkerrechtlicher Vertrag, der der Öffentlichkeit in Umweltangelegenheiten verbesserten Zugang zu Informationen, das Recht auf Beteiligung an behördlichen Entscheidungsverfahren und Klagemöglichkeiten gewährt. Die Europäische Union (EU) hat die Aarhus-Konvention weitgehend, aber nicht vollständig, in europäisches Recht übernommen. Auch das deutsche UmwRG setzte die Vorgaben zunächst nur eingeschränkt um, was zur Folge hatte, dass verschiedene Urteile des Europäischen Gerichtshofs bestimmte Vorgaben des Gesetzes für unvereinbar mit dem Unionsrecht erklärten. Darüber hinaus beanstandeten die Aarhus-Vertragsparteien auf mehreren Tagungen ebenfalls Defizite des UmwRG. Infolgedessen musste das UmwRG mehrfach geändert werden; eine weitere unions- und völkerrechtlich erforderliche Novellierung des Gesetzes steht aus.
Verbandsklage hat mehr Aussicht auf Erfolg
Entgegen vielfach geäußerter Befürchtungen hat die Möglichkeit der Umweltverbände, umweltbezogene Behördenentscheidungen anzufechten, nicht zu einer Klageflut geführt. Denn jede derartige Klage ist mit hohem Zeitaufwand und beträchtlichen Kosten für den Verband verbunden. Deswegen prüfen die Verbände die Rechtslage und ihre spezifische Fachkompetenz in den strittigen Fragen umfassend, ehe sie sich zu einer solchen Klage entschließen. Darauf lässt sich auch zurückführen, dass Rechtsbehelfe von Umweltverbänden – wie mehrfach empirisch festgestellt – eine höhere Erfolgschance haben als Individualklagen.
Möglicherweise sind es gerade diese Erfolgschancen, die Kritiker zum Anlass nehmen, das Instrument grundsätzlich in Frage zu stellen. Der politische Vorstoß, Verbandsklagen in Umweltangelegenheiten abzuschaffen oder einzuschränken, ist allerdings kaum überwindbaren Hürden ausgesetzt. Denn das Klagerecht ist über entsprechende Regelungen der EU abgesichert, die selbst Vertragspartei der Aarhus-Konvention ist. Eine Änderung der Konvention bedarf der Zustimmung von drei Vierteln der anwesenden und abstimmenden Vertragsparteien – bei aktuell 47 Staaten ein politisch sehr schwieriges Unterfangen. Da die EU selbst Vertragspartei der Konvention ist, sind auch Einschränkungen im europäischen Recht kaum möglich.

Einschüchterungsversuche auf anderen Wegen, etwa durch die umfangreiche Kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion, wirken in diesem Licht eher substanzlos. Die Antwort der Bundesregierung verweist in puncto politischer Demonstrationen und Proteste etwa auf das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit, das auch vor Wahlen nicht eingeschränkt sei. Mit Blick auf die Gemeinnützigkeit zivilgesellschaftlicher Organisationen verweist sie zudem auf eine Entscheidung des Bundesfinanzhofes, demzufolge gemeinnützige Organisationen politisch aktiv sein und auch außerhalb ihrer Satzungszwecke vereinzelt zu tagespolitischen Themen Stellung nehmen dürfen.
Zu betonen ist: Erfolgreiche Umweltverbandsklagen leisten einen wichtigen Beitrag zum Umweltschutz. Allein die Verbandsklage ermöglicht es, die Einhaltung des Umweltrechts effektiv gerichtlich kontrollieren zu lassen. Das wirkt sich über den Einzelfall hinaus günstig auf die Praxis der Umweltverwaltung aus: Jedes Sachurteil eines Gerichts konkretisiert nämlich die im Einzelfall maßgeblichen rechtlichen Vorgaben und schafft damit Klarheit. Nicht nur die von einer Klage unmittelbar betroffenen, sondern auch andere fachlich zuständige Behörden sind dadurch in der Lage, die Regelungen sachgemäßer anzuwenden. Urteile der Verwaltungsgerichte in diesen Verfahren tragen somit nicht nur zur Durchsetzung von Umweltrecht bei, sondern fördern auch die Transparenz und Verständlichkeit eines vielfach als komplex empfundenen Rechtsgebiets.
Die Autorin
Dr. Cornelia Nicklas ist Volljuristin und Leiterin des Bereiches Recht bei der Deutschen Umwelthilfe e.V. (DUH).