Lebensmittelverschwendung: Lässt EU die Produktion außer acht?
Die EU-Kommission hat am 5. Juli Pläne gegen Lebensmittelverschwendung und neue Vorschriften für weniger Textilabfälle vorgelegt. Zero Waste Europe begrüßte EU-weite Ziele, allerdings seien zentrale Probleme im Abfallsektor nicht angegangen worden. Der WWF moniert, dass Nahrungsmittelverluste in der Landwirtschaft „ignoriert“ würden.
Die EU-Kommission will die Abfallrahmenrichtlinie „gezielt“ überarbeiten und hat deshalb sowohl Vorschläge zur Reduzierung von Textil-Abfällen (EU-News 06.07.2023) als auch zur Verringerung von Lebensmittelverschwendung vorgelegt. „Die Überarbeitung der Abfallrahmenrichtlinie ist eine verpasste Gelegenheit“, kommentierte die in Brüssel ansässige Umweltorganisation Zero Waste Europe (ZWE). Die Vorschläge gehen der Organisation nicht weit genug, und sie forderte Parlament und Rat auf, diese nachzubessern sowie „wesentliche Maßnahmen umzusetzen, darunter die Festlegung von Restmüllzielen und die obligatorische Sortierung von Abfällen, die nicht getrennt gesammelt werden“. Zudem müsste die Getrenntsammlung von organischen Abfällen optimiert werden, um die EU-Recyclingziele zu erreichen.
Worum geht es bei den vorgeschlagenen Maßnahmen gegen Lebensmittelverschwendung?
In der EU fallen jedes Jahr fast 59 Millionen Tonnen Lebensmittelabfälle mit einem geschätzten Verlust von 132 Milliarden Euro an. Umgerechnet auf alle EU-Bürger*innen wären das jährlich etwa 130 Kilogramm pro Kopf.
Weil die EU sich verpflichtet hat, das globale Ziel für nachhaltige Entwicklung Nr. 12.3 – Halbierung der Lebensmittelverschwendung pro Kopf auf Einzelhandels- und Verbraucherebene bis 2030 – zu erreichen und die Lebensmittelverluste entlang der Produktions- und Lieferkette verringern will, hat die EU-Kommission nun konkretere Ziele vorgeschlagen.
Die Mitgliedstaaten sollen die Lebensmittelverschwendung bis 2030 im Bereich Verarbeitung und Herstellung um 10 Prozent und in den Bereichen Einzelhandel und Verbrauch (Restaurants, Verpflegungsdienste und Haushalte) um insgesamt 30 Prozent pro Kopf reduzieren. Zwar seien die Mitgliedstaaten nach geltendem EU-Abfallrecht bereits verpflichtet, nationale Programme zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen umzusetzen, und die Verschwendung von Lebensmitteln auf jeder Stufe der Lieferkette zu verringern, zu überwachen und darüber Bericht zu erstatten. Es würden aber immer noch zu viele Lebensmittel weggeworfen. Deshalb sieht der Legislativvorschlag zur Änderung der Abfallrahmenrichtlinie eine förmliche Überprüfung der von den Mitgliedstaaten erzielten Fortschritte bis Ende 2027 vor. Die Kommission werde dann möglicherweise die Ziele anpassen, wenn es Anzeichen dafür gibt, dass die EU einen noch größeren Beitrag zum globalen Ziel leisten kann.
ZWE: EU-Ziele bleiben hinter UN-Vorgaben zurück und adressieren eher Verbrauch als Produktion
ZWE begrüßte zwar den Vorschlag der Kommission, EU-weite Zielvorgaben für die Reduzierung von Lebensmittelabfällen einzuführen - die ersten ihrer Art -, bedauert aber, dass zentrale Probleme im Abfallsektor nicht angegangen wurden.
Die von der EU-Kommission festgelegten Ziele für die Reduzierung von Lebensmittelabfällen blieben „besorgniserregend“ weit hinter den UN-Verpflichtungen zurück. ZWE-Referentin Theresa Mörsen hoffte „aufrichtig, dass dieses Ziel während der Verhandlungen gestärkt wird“, damit bis 2030 eine 50-prozentige Reduzierung vom Erzeuger zum Verbraucher erreicht wird. Der Schwerpunkt des Vorschlags auf Einzelhandel und Verbraucher lasse viele Produktions- und Verarbeitungsbetriebe außer acht. „Die Tatsache, dass die Primärproduktion völlig ausgeklammert wurde, ist höchst bedauerlich, da dieser Sektor große Mengen an Lebensmittelverlusten und -abfällen produziert“, so Mörsen.
Auch der WWF kritisiert, dass der Vorschlag höchstens ein „halbherziger Schritt“ in die richtige Richtung sei. Rechtsverbindliche Reduktionsziele seien zwar gut, die vorgeschlagenen aber zu niedrig und nur für Teile der Lebensmittelkette gültig. Verluste, die vor, während und nach der Ernte oder der Aufzucht von Tieren entstehen, würden nicht mit Reduktionszielen versehen, Nahrungsmittelverluste in der Landwirtschaft also komplett ignoriert. Dabei habe sich die EU in ihrer "Farm-to-Fork"-Strategie dazu bekannt, die gesamte Lieferkette vom Acker bis zum Teller zu betrachten. Es sei „unverständlich“, dass die EU-Kommission davon nun abrücke, so der WWF. [jg]
Vorschläge der EU-Kommission:
Vorschlag zur Änderung der Abfallrahmenrichtlinie/Lebensmittelverschwendung sowie Fragen und Antworten: Lebensmittelverschwendung
ZWE: The Waste Framework Directive revision is a missed opportunity, says Zero Waste Europe
WWF: Bei Lebensmittelverschwendung halbherziger Schritt in die richtige Richtung