Mikroschadstoffe minimieren per Gesetz
Seit dem vergangenen Jahr prüft das Spurenstoffzentrum des Bundes beim Umweltbundesamt Mikroschadstoffe, um Maßnahmen zur deren Reduzierung zu erarbeiten. Die schädlichen Substanzen kommen zuhauf in der Umwelt vor. Mit dem Spurenstoffdialog der Bundesregierung allein lässt sich das Problem nicht lösen.
Von Markus Große Ophoff
In Gewässern werden oft Hunderte oder sogar Tausende von Mikroschadstoffen – verharmlosend auch oft Spurenstoffe genannt – gefunden. Das Problem dabei: Zwar gibt es oft Umweltqualitätsnormen für Einzelstoffe, sie berücksichtigen jedoch nicht die Wirkungen, vieler Stoffe, die zusammenwirken. Mikroschadstoffe umfassen unter anderem Industriechemikalien, Pestizide, Arzneimittelrückstände und Abbauprodukte von Chemikalien. Ihre Vielfalt macht die Regulierung kompliziert, da unter anderem Chemikalien-, Arzneimittel- und Pflanzenschutzmittel und Wasserrecht betroffen sind.
Auch die Bundesregierung beschäftigt sich mit dem Thema Mikroschadstoffe. 2022 wurde das Spurenstoffzentrum des Bundes beim Umweltbundesamt gegründet. Es baut auf dem Stakeholder-Dialog Spurenstoffe auf, der von 2016 bis 2022 durchgeführt wurde. Nach dem dort festgelegten Verfahren beurteilt zunächst ein Expertengremium, ob es sich um einen relevanten Spurenstoff handelt, bei dem akuter Handlungsbedarf zur Reduktion besteht. Als Nächstes wurde dann ein Runder Tisch eingerichtet, der Minderungsmaßnahmen erarbeitete. Elf Mikroschadstoffe wurden bisher entsprechend eingeordnet und zu lediglich drei dieser Stoffe schlug der Runde Tische Minderungsmaßnahmen vor.
Das Verfahren des Spurenstoffdialogs der Bundesregierung ist unzureichend
- Es werden zu wenige Spurenstoffe behandelt, da die Auswahl durch das Expertengremium nur langsam erfolgt und zu enge Maßstäbe angelegt werden.
- Die Runden Tische schlagen gemeinschaftlich Maßnahmen vor. Durch das weitgehende Konsensprinzip haben in der Praxis die beteiligten Industrievertreter ein Vetorecht.
- Das ganze Verfahren fußt bisher auf Freiwilligkeit, obwohl es eigentlich klarer Regelungen durch Verordnungen oder Gesetze bedarf.
Einer der so behandelten Spurenstoffe ist das Schmerzmittel Diclofenac. Die entwickelten Maßnahmen werden laut Abschlussdokument lediglich zu einer Minderung von 10-20 Prozent führen und reichen nicht aus, um die nötige Minderung der Einträge zu erzielen. Der größte Teil des Stoffes gelangt über Schmerzgels in die Gewässer, indem sie beim Baden oder Duschen zum größten Teil abgewaschen werden. In seiner medizinischen Wirkung ist das Mittel umstritten und es gibt weniger gefährliche Alternativen. Ein Werbeverbot oder eine Verschreibungspflicht für Diclofenac würden sofort zu einer deutlich größeren Minderung führen. Dazu bräuchte es den politischen Willen und entsprechende Regelungen im Arzneimittelrecht.
Die neuere Forschung zeigt zudem, dass persistente Stoffe auch Umwandlungsprodukte sein können, die durch unvollständigen Abbau entstehen. Ein Beispiel dafür ist der als relevant eingestufte Mikroschadstoff Trifluoressigsäure. Sie entsteht als Abbauprobukt aus einer Vielzahl von fluorierten Verbindungen (PFAS), wie fluorierten Kältemitteln, Medikamenten oder Pestiziden. Trifluoressigsäure ist mittlerweile häufig sogar im Regen nachweisbar und kann nur sehr schwer aus Abwasser oder Trinkwasser entfernt werden.
Das Tempo zur Lösung des Problems muss deutlich forciert werden und es braucht klare Regelungen, um die Umweltprobleme durch Mikroschadstoffe zu lösen.
Der Autor
Markus Große Ophoff ist Chemiker und Sprecher des Arbeitskreises Umweltchemikalien/Toxikologie im Wissenschaftlichen Beirat des BUND. Vom DNR wurde er als Mitglied der Expertenkommission Spurenstoffe benannt.