Schaltet die Ampel auf Grün in der Naturschutzfinanzierung?
Seit Jahrzehnten leidet der Naturschutz unter chronischer Unterfinanzierung – trotz äußerst attraktiver Rendite: Die jährlichen Kosten aller Natura-2000-Schutzgebiete, die zusammen ein Fünftel der EU-Fläche einnehmen, bewegen sich im Bereich von 10–20 Milliarden Euro. Der sozio-ökonomische Nutzen intakter Natur in diesen Gebieten wurde schon vor Jahren auf 200-300 Milliarden Euro geschätzt. Doch weil die notwendigen Investitionen vom politischen Willen abhängen und die Schäden des (Nicht-) Handelns nur langfristig in privaten oder öffentlichen Haushalten sichtbar werden, ging es bisher kaum voran. Die neue Ampel-Koalition will es besser machen.
Wie viel Geld wird benötigt? Drei Bereiche können unterschieden werden, die jeweils aus unterschiedlichen Finanzierungsquellen beglichen werden könnten.
- Die seit Jahrzehnten unzureichend umgesetzten Verpflichtungen aus dem Naturschutzrecht – Schutz und Pflege von Natura-2000-Schutzgebieten und Maßnahmen, um EU-rechtlich geschützte Arten in einen guten Erhaltungszustand zu bringen: Hierfür schätzen Bund und Länder einen Mindestbedarf von rund 1,5 Milliarden Euro pro Jahr. Finanziert sind derzeit nur rund 600 Millionen Euro, vor allem aus Mitteln der EU-Agrarpolitik, sowie den Haushalten von Bund und Ländern.
- Flüsse, Wälder, das Grünland und unsere Meere sind durch jahrzehntelange Übernutzung in einem schlechten Zustand und verlieren zunehmend ihre Fähigkeit, für den Menschen wertvolle und nützliche Ökosystemleistungen zur Verfügung zu stellen. Wie im EU Green Deal festgelegt, braucht es eine großangelegte Renaturierungsoffensive, die die Leistungsfähigkeit dieser Ökosysteme insbesondere für Klimaschutz und Artenvielfalt steigert. Hierzu gibt es derzeit keine belastbaren Kostenschätzungen, man kann aber davon ausgehen, dass über die Jahre Investitionen in Milliardenhöhe notwendig sind.
- Biodiversität kennt keine Grenzen, deshalb liegt es im ureigenen Interesse der EU und ihres reichsten Mitgliedstaats, die ärmsten Länder der Welt im Naturschutz zu unterstützen. Die Bundesregierung hat hier bisher eine gute Rolle gespielt und trägt mit rund 800 Millionen Euro zu globalen Biodiversitätsmaßnahmen bei. Doch nach Ansicht der Umweltverbände müsste dies nun erheblich gesteigert werden, auf mindestens 2 Milliarden Euro jährlich.
Was verspricht der Koalitionsvertrag?
- Mit Hilfe eines großen Aktionsprogramms Natürlicher Klimaschutz, gespeist aus dem Energie- und Klimafonds, soll in die Wiederherstellung geschädigter Moore, Wälder, Auen, Küsten und Meere investiert werden. Das hat das Zeug zu einem wirklichen Durchbruch. Wichtig ist, dass nicht nur Großprojekte finanziert werden, sondern auch Programme, in denen beispielsweise die Bundesländer dezentral eigene kleinere Projekte und Maßnahmen finanzieren können.
- Schon jetzt finanziert der Bund wichtige Leuchtturm- und Pilotprojekte mit eigenen Programmen. Es ist sehr zu begrüßen, dass die Ampel-Koalition durch Bündelung der Programme zu einem Bundesnaturschutzfonds die Effizienz verbessern will – und es ist sehr zu hoffen, dass damit auch eine Aufstockung einhergeht.
- Besonders wichtig ist es, dass die Ampelkoalition auch den Bundesländern zusätzliche Mittel für den Naturschutz verschaffen will. Über die geplante Erweiterung der Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz (GAK) soll möglich werden, dass der Bund die Mittel von EU und Ländern ergänzt, gerade auch, um attraktive Anreize für eine naturverträgliche Landwirtschaft zu schaffen. Der NABU fordert hier einen Sonderrahmenplan Naturschutz in Höhe von 500 Millionen Euro pro Jahr.
- Sehr vage bleibt der Koalitionsvertrag bei der bisher wichtigsten Finanzierungsquelle für den Naturschutz – der sogenannten Zweiten Säule der EU-Agrarpolitik (GAP). Geplant ist ein Konzept zur Anpassung der „Architektur“ der GAP spätestens zur Mitte der Legislaturperiode. Das Ende der pauschalen Flächensubventionen soll mit verstärkter Honorierung von Klima- und Umweltleistungen eingeleitet werden.
- Besonders vom Ausbau der erneuerbaren Energieträger betroffene Tierarten sollen mit eigenen Artenhilfsprogrammen gestärkt werden. Dies hat das Potenzial, zu einem echten Rettungsanker für windkraftsensible Vogel- und Fledermausarten zu werden, wenn die Erhaltungssituation der betroffenen Arten dadurch signifikant verbessert wird.
- Schließlich wollen die Koalitionspartner auch die internationale Naturschutzfinanzierung „erheblich“ aufstocken, ob man sich dabei aber wieder an die Spitze der reichen Industrienationen stellen wird, bleibt bisher offen.
Wenn den Worten des Koalitionsvertrags Taten folgen, dann sendet die neue Bundesregierung nicht nur ein Signal des Aufbruchs, sondern leitet im Naturschutz und dessen Finanzierung auch eine echte Kursänderung ein. Die Erwartungen an die künftige Bundesumweltministerin Steffi Lemke, die in ihrer parlamentarischen Arbeit in den vergangenen Jahren mehrfach ihre Kompetenzen im Natur- und Umweltschutz unter Beweis stellte, sind daher hoch. Die Tatsache, dass die Verabredungen im Koalitionsvertrag im parteiübergreifenden Konsens getroffen sind, lässt hoffen, dass sich dies auch im Politikalltag fortsetzen wird.
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Der Autor
Konstantin Kreiser ist stellvertretender Fachbereichsleiter Naturschutzpolitik im NABU-Bundesverband und leitet zudem das Team Landnutzung. Davor war er Leiter der EU-politischen Arbeit von BirdLife International in Brüssel.