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Strategischer Dialog: grundlegende Reformen im EU-Tierschutz bis 2026
EU-News | 13.09.2024
#Landwirtschaft und Gentechnik #Tierschutz

Strategischer Dialog: grundlegende Reformen im EU-Tierschutz bis 2026

Huhn
© pixabay / alexa_fotos

Der strategische Dialog zur EU-Landwirtschaft hat die Überarbeitung der EU-Tierschutzgesetzgebung bis 2026 gefordert. Zu den wichtigsten Forderungen gehören die Abschaffung der Käfighaltung, die Einführung eines EU-weiten Tierschutzkennzeichnungssystems, finanzielle Unterstützung für Landwirt*innen durch einen Just Transition Fund sowie Importanforderungen nach WTO-Standards für importierte Tierprodukte. 

Anfang September veröffentlichte der strategische Dialog zur EU-Landwirtschaft die Ergebnisse einer siebenmonatigen Debatte zwischen verschiedenen Interessenvertreter*innen, darunter Umwelt-NGOs, Verbraucherorganisationen, Bauernverbände und Vertreter*innen der Industrie. Ziel war es, einen Konsens über die zukünftige Ausrichtung der EU-Landwirtschaft zu erarbeiten. Neben vielen Empfehlungen zur Umgestaltung des Agrarsektors (EU-News vom 05.09.2024) wird die Europäische Kommission aufgefordert, die Tierschutzgesetzgebung bis 2026 grundlegend zu überarbeiten und den Übergang zu nachhaltigeren landwirtschaftlichen Modellen zu beschleunigen. 

Der Bericht, an dem 29 Organisationen mitgewirkt haben, fordert konkrete Maßnahmen, um den Tierschutz in der EU bis 2026 deutlich zu verbessern. Die Überarbeitung der EU-Tierschutzgesetzgebung soll dabei auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basieren, aber auch die wirtschaftlichen Auswirkungen auf kleine und mittlere Betriebe berücksichtigen. 

Zu den zentralen Forderungen gehören:

  1. Abschaffung der Käfighaltung: Käfighaltungen und andere geschlossene Haltungssysteme sollen abgeschafft werden. Dazu soll es aber Übergangsfristen und finanzielle Unterstützung für Landwirtschaftsbetriebe geben.
     
  2. Finanzielle Unterstützung für Landwirt*innen: Unter anderem für den schrittweisen Ausstieg aus der Käfighaltung wird die Schaffung eines Just Transition Funds vorgeschlagen. Er soll Landwirt*innen, die auf höhere Tierschutzstandards umstellen, finanziell unterstützen. Dieser Fonds soll außerhalb der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) angesiedelt sein und durch öffentliche Gelder gefördert werden.
     
  3. EU-weites Tierschutzkennzeichnungssystem: Es soll ein verpflichtendes Kennzeichnungssystem eingeführt werden, das für alle in der EU produzierten oder verarbeiteten Fleisch- und Milchprodukte gilt. Damit sollen Verbraucher*innen über die Tierschutzstandards der Produkte informiert und Landwirtschaftsbetriebe belohnt werden, die höhere Tierschutzstandards einhalten. Eine regelmäßige Evaluierung soll sicherstellen, dass das Kennzeichnungssystem effektiv ist und den Tierschutz fördert.
     
  4. Importanforderungen nach WTO-Standards: Auch importierte tierische Produkte sollen hohe Tierschutzstandards erfüllen müssen. Damit soll verhindert werden, dass der Konsum in der EU unethische Praktiken in anderen Teilen der Welt fördert.
     
  5. Förderung pflanzenbasierter Ernährung: Die EU soll mehr in die Entwicklung und Förderung pflanzenbasierter Alternativen investieren, um den Konsum tierischer Produkte zu verringern und nachhaltige Ernährungsweisen zu unterstützen.

Die Ergebnisse des Dialogs sollen die Vision der Europäischen Kommission für die Landwirtschaft und Ernährung der nächsten Jahre prägen, die in den ersten 100 Tagen der neuen Amtszeit vorgestellt werden soll. Präsidentin Ursula von der Leyen hat zugesagt, diesen Bericht zu nutzen, um die Agrarpolitik zu gestalten, und betonte, dass der Tierschutz eine Priorität im Arbeitsprogramm der Kommission für 2025 sein wird. 

Ein Wendepunkt, (nicht) ohne Zweifel

Ariel Brunner, Direktor von BirdLife Europe, bezeichnete den Bericht als „nicht nur einen Meilenstein, sondern hoffentlich einen Wendepunkt“. Trotz unterschiedlicher Interessen und politischer Positionen habe man nun „endlich einen Punkt erreicht, an dem klar ist, dass der Status quo keine Option mehr“ sei. Auch das Europäische Umweltbüro (EEB) begrüßte den Bericht als wichtigen Schritt in Richtung einer nachhaltigeren EU-Landwirtschaft, betonte jedoch, dass grundlegende Reformen der Gemeinsamen Agrarpolitik notwendig seien, um öffentliche Gelder stärker auf umwelt- und tierfreundliche Praktiken auszurichten. Zudem bleibe der Bericht in einigen Bereichen zu unkonkret, insbesondere bei der Reduktion der Tierbestände und dem Wandel weg von der industriellen Nutztierhaltung.

Die Eurogroup for Animals, die wie BirdLife an dem Dialog beteiligt war, unterstützte die Empfehlungen des Berichts, mahnte jedoch, dass „angesichts der existenziellen Natur der Krisen, vor denen wir stehen, diese Empfehlungen in konkrete Maßnahmen mit klaren Zeitplänen umgesetzt werden müssen“. Auch Olga Kikou, Direktorin für Advocacy beim European Institute of Animal Law & Policy und Organisatorin der Initiative „End the Cage Age“, äußerte sich vorsichtiger: „Selbst wenn die Industrie der Reform grundsätzlich zugestimmt hat, zeigt die Erfahrung, dass sie leicht ihr Wort brechen und gegen Fortschritte in diesem Bereich lobbyieren kann.“ Sie forderte Präsidentin von der Leyen auf, in ihrer kommenden Strategie „standhaft zu bleiben“. [ks]
 

Abschlussbericht des Strategischen Dialogs

Eurogroup for Animals: Pressemitteilung vom 04.09.2024

BirdLife: Pressemitteilung vom 04.09.2024

European Environmental Bureau (EEB): Pressemitteilung vom 04.09.2024

EU Reporter - New report augurs further delay of the promised EU animal welfare revolution
 

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