Strategischer Dialog: Konsens zur Agrar-Transformation
Der Abschlussbericht des strategischen Dialogs zur EU-Landwirtschaft wurde der EU-Kommission übergeben. Von Bauernverband bis Umweltorganisationen waren viele Player beteiligt und haben gemeinsame Politikempfehlungen für den Agrar- und Ernährungssektor gegeben. Zentrale Botschaft: „The time for change is now.“
Bis zuletzt blieb unklar, was genau der finale Bericht zum strategischen Dialog über die Zukunft der europäischen Landwirtschaft beinhalten würde. Am 5. September überreichte der Vorsitzende des Gremiums, Peter Strohschneider, die Ergebnisse des EU-Strategiedialogs nun an Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Das Ergebnis der sieben Plenarsitzungen von 29 Interessensvertretungen aus Landwirtschaft, Umwelt-, Tier- und Naturschutzorganisationen, Verbraucherschutz sowie Agrar- und Ernährungsindustrie umfasst 110 Seiten. In dem Kompromisspapier werden Empfehlungen zur Transformation des europäischen Agrarsektors aufgeführt. In den ersten 100 Tagen der neuen EU-Kommission soll eine Roadmap zur Umsetzung der Ergebnisse erarbeitet werden (Fünfjahresplan der EU-Kommission 2024-2029).
Der Abschlussbericht beschreibt eine mittelfristige Vision der europäischen Agrar- und Ernährungssysteme (10-15 Jahre) die durch zehn politische Leitlinien getragen werden. Vor diesem Hintergrund gibt das Gremium politische Empfehlungen zu verschiedenen Themenbereichen. Die Empfehlungen werden unter folgenden Überschriften zusammengefasst:
- Stärkung der Position der Landwirt*innen in der Wertschöpfungskette
- Anwendung eines neuen Ansatzes zur Erreichung von Nachhaltigkeit
- Weiterentwicklung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP)
- Finanzierung der Transformation
- Förderung von Nachhaltigkeit und Wettbewerbsfähigkeit in der Handelspolitik
- Nachfragesteigerung für gesunde und nachhaltige Lebensmittel
- Förderung nachhaltiger landwirtschaftlicher Praktiken
- Reduzierung der Treibhausgasemissionen in der Landwirtschaft
- Wege für eine nachhaltige Tierhaltung in der EU
- Weitere Maßnahmen zur besseren Erhaltung und Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen, Förderung einer wasser-resilienten Landwirtschaft und Entwicklung innovativer Züchtungsansätze
- Förderung eines soliden Risiko- und Krisenmanagements
- Aufbau eines attraktiven und vielfältigen Sektors
- Besserer Zugang zu und bessere Nutzung von Wissen und Innovation
- Wandel der Governance und neue Kultur der Zusammenarbeit.
Zu den konkreten Empfehlungen zählt etwa die Überarbeitung der GAP, weg von pauschalen Flächenprämien hin zu einer Einkommensunterstützung von Betrieben „die sie am dringendsten benötigen“ sowie die Förderung positiver ökologischer, sozialer und tierschutzrelevanter Leistungen sowie die Stärkung der Rahmenbedingungen für ländliche Räume. Außerdem wird die Beibehaltung und vollständige Durchsetzung bestehender Umweltvorschriften bestärkt und die Notwendigkeit nach Einrichtung eines Fonds zur Wiederherstellung der Natur unterstützt. Neue Gelder sollen zudem durch die Einrichtung eines Fonds für einen gerechten Übergang (Just Transition Fund) bereitgestellt werden. Einen tieferen Einblick in das Dokument bietet Natasha Foote auf der Agrarplattform ARC 2020.
Für das Europäische Umweltbüro (EEB), Dachverband der europäischen Umweltorganisationen, markiert der Bericht einen „entscheidenden Moment für die Zukunft der Lebensmittel und der Landwirtschaft in der EU“. Das Dokument zeige den breiten Konsens über „die dringende Notwendigkeit, die Art und Weise, wie wir Lebensmittel produzieren und konsumieren, zu verändern, um die planetarischen Grenzen zu respektieren“, so Faustine Bas-Defossez, EEB-Direktorin für Natur, Gesundheit und Umwelt. Und auch der Deutsche Naturschutzring (DNR) sieht im Bericht des EU-Strategiedialogs wichtige Impulse für eine zukunftsfähige Agrarpolitik. Ähnlich wie bei der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) in Deutschland seien zentrale Akteure aus Landwirtschaft, Lebensmittelhandel, Verbraucherschutz und Umwelt zu gemeinsamen und konstruktiven Ergebnissen gekommen. DNR-Präsident Kai Niebert begrüßte, dass sich die Teilnehmenden des Strategischen Dialogs eindeutig „zur Umsetzung der Naturschutzrichtlinien, der Nitratrichtlinie oder des Nature Restoration Laws“ bekannt haben, während „Bauernverbände zunehmend polemisch gegen jegliche Umwelt- und Klimagesetzgebung opponieren“. In zunehmend polarisierten Zeiten sei mit dem Bericht ein „relevanter Beitrag“ gelungen. Für Kai Niebert ist es nun entscheidend, „dass EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen den Bericht als konkreten Handlungsauftrag begreift und unmittelbar in den Arbeitsplan ihrer Kommission integriert.“ [bp]