Über kurz oder lang: Freiwillige überzeugen
Immer mehr Menschen engagieren sich ökologisch. Allerdings ist das Engagement häufig nur von kurzer Dauer. Für eine langfristige Motivation braucht es vor allem eine gute Begleitung. Überregionale und digitale Zusammenarbeit stellen das Teambuilding vor neue Herausforderungen, erhöhen aber gleichzeitig die politische Schlagkraft.
Natur- und Umweltschutz sind wachsende Engagementfelder. Das sagen uns nicht nur die letzten Deutschen Freiwilligensurveys, auch die wachsende Zahl von Ehrenamtlichen im Naturschutzbund Deutschland (NABU) macht deutlich: Unsere Themen sind engagementrelevant. Doch zugleich hören wir, dass in klassischen Engagementbereichen Vorstände fehlen, Menschen sich nur kurzfristig engagieren wollen oder vor der Komplexität der Anforderungen zurückschrecken. Um Wirkung für den Naturschutz zu entfalten, brauchen wir aber kompetente und motivierte Ehrenamtliche, die in leistbaren Engagementfeldern aktiv sind.
Gute Bildung und Begleitung unserer Engagierten sind dafür wesentliche Voraussetzungen. Damit lösen wir nicht alle Fragen des Ehrenamts. Aber wir schaffen Zugangsmöglichkeiten. Die Kenntnisse, die es für wirkungsvolle Naturschutzarbeit braucht, waren schon immer umfangreich. Neben klassischen naturschutzfachlichen Fragestellungen sind Kenntnisse über Verordnungen, Richtlinien oder Gesetze oftmals Voraussetzungen für ein Engagement. Dazu kommen im Vorstandsamt noch Themen wie Vereinsrecht, Datenschutz oder Führung anderer Ehrenamtlicher. Diesen hohen Anforderungen stellen sich viele Ehrenamtliche mit großer Energie, andere werden dadurch abgeschreckt.
Angesichts der Erwartungen und Anforderungen, die potenzielle Ehrenamtliche heute an ein Engagement formulieren, stehen Verbände vor großen Herausforderungen, wie sie Kompetenzerwerb und Begleitung unterstützen können. Potenzielle Ehrenamtliche möchten sich heute zunehmend kürzer engagieren. Die Vereinbarkeit der ehrenamtlichen Tätigkeit mit dem Privatleben sowie die Führung im Ehrenamt spielen eine wachsende Rolle. Die Öffnung von Strukturen und dadurch geschaffene Andockmöglichkeiten für neues Engagement, auch von unterschiedlichen Personengruppen sind eine wesentliche Voraussetzung für Diversität. Ehrenamtliche fragen nach Vernetzung, Beratung und einem „doppelten“ Boden für ihr Engagement. Das heißt, sie brauchen Absicherung durch Strukturen, die zum Beispiel in Rechtsfragen zur Seite stehen, die ein offenes Ohr haben, die Kontakte herstellen können.
Wirksame Vernetzung ist das A und O
Ein ineinandergreifendes Netz von Bildungs- und Beratungs-, und Begleitangeboten kann entscheidend für eine wirkungsvolle naturschutzfachliche Arbeit sein. Um dieses Netz zu bauen, sind die Stärken aller Akteure zu betrachten und Rollen, Erwartungen und Schnittpunkte zu klären.
Zugänge vor Ort sind der Schlüssel für Einstieg und Beteiligung. Im Sinne des Konzepts der Freiwilligenkoordination braucht es hierfür Einstiegshilfen und eine Haltung der Offenheit. Vor Ort kann dann viel vermittelt werden: Kenntnis über lokale Gebiete, Zusammenhänge der praktischen Arbeit, Bedingungen für eine funktionierende Gemeinschaft. Es kann ein Lernen in der Praxis stattfinden, angereichert durch viele informelle Prozesse und orientiert an Vorbildern. Kursangebote sind dabei ebenso probate Mittel wie praktische Naturschutzeinsätze.
Verbände sollen und müssen die Arbeit vor Ort unterstützen. Vorlagen und Checklisten auf gemeinsame Plattformen zu stellen, Seminarangebote zu verschiedenen Themen anzubieten und damit zugleich Vernetzungsmöglichkeiten zu schaffen, bestenfalls zu einzelnen Themen Beratungsangebote vorzuhalten, all das hilft Ehrenamtlichen. Über unser NABU-Netz und Angebote des NABU-Bildungswerks oder über unsere E-Learning-Plattform haben wir zahlreiche Bildungsmöglichkeiten geschaffen. Zu verschiedenen Themen beraten der Bundesverband, die Landesverbände oder regionale Akteure.
Gekommen, um zu bleiben: Initiativen statt Vereine als Einstieg
Darüber hinaus wünschen sich Ehrenamtliche weitere Facetten der Kompetenzvermittlung und der Begleitung im Ehrenamt. Um den Übergang aus dem klassischen Ehrenamt in neue, vielfältigere Ehrenamtsformate gut gewährleisten zu können, rücken andere Tools stärker in den Blick und verschieben den Fokus, ohne dass die bisherigen Angebote dadurch zwingend ersetzt werden.
Ehrenamtliche, die einen kürzeren Einsatz leisten, brauchen andere Engagementformen und je nach Thema eine stärkere Begleitung. Es entstehen neue Anforderungen an ehrenamtliche Tätigkeiten, weil das Schaffen von Zugängen mitgedacht werden muss. Dort, wo nur kleine Angebote für kurzfristiges Engagement formuliert werden, spielen Ansprache und Einstiegskanäle eine wichtige Rolle. Zudem gilt es, die bisherige Ehrenamtsstruktur und neue Formen so miteinander zu synchronisieren, dass sie sich weder behindern noch doppelten Aufwand kosten. Aus verbandlicher Sicht ist es auch ein Ziel, Menschen vom kurzfristigen zum dauerhaften Engagement zu bewegen.
Nicht immer ist dafür der klassische Verein der passende Weg – obwohl Benefits wie Haftungsprivilegierung oder Versicherungsschutz durchaus Vorteile bieten. Rahmen für Engagement gibt es viele und diese zu sehen und zu nutzen, kann zusätzliche Anreize zum Mitmachen und Dabeibleiben bieten. Freiwilligendienste, unselbstständige Vereine oder Initiativen erweitern Eintrittsmöglichkeiten.
Ehrenamtliche wünschen sich noch stärker eine Begleitung und Mentoring-Angebote, welche die klassische Seminararbeit mindestens ergänzen. Die Angebote können durch E-Learning-Sessions und weitere Formate erweitert werden. Überregional vernetzte Ehrenamtliche erhöhen zudem die politische Schlagkraft, weil Austausch, Motivation und gemeinsames Lernen ermöglicht wird. Solche Formate zu begleiten, kann für die Verbände herausfordernd sein. Denn wo virtuell miteinander gearbeitet wird, stellen sich Fragen des Teambuildings ganz neu. Community Management kennen wir bereits aus dem digitalen Engagement. Auch für hybride Formate sind Aufbau und Pflege von Bindungen unverzichtbar, weil damit das Voneinanderlernen und die Erfolgskontrolle maßgeblich unterstützt werden.
Erweitert gedachte Bildungs- und Begleitangebote ermöglichen Engagement für Menschen, die Betätigungsmöglichkeiten jenseits der klassischen Vereinsarbeit suchen. Verbände sind aufgerufen, neue Formen zu entwickeln, die die bisherigen ergänzen und wo nötig ersetzen.
Zum Autor
Matthias Laurisch ist Diplom-Soziologe und zertifizierter Freiwilligenkoordinator. Er leitet den Fachbereich Engagement und Verbandsentwicklung beim NABU Bundesverband.