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Umweltverbände zur Bundestagswahl: „Wahlkampf-Folklore“ und „Rolle rückwärts“
News | 25.02.2025
#Bundestagswahl #EU-Umweltpolitik #Politik und Gesellschaft

Umweltverbände zur Bundestagswahl: „Wahlkampf-Folklore“ und „Rolle rückwärts“

Balkendiagramm mit den vorläufigen Wahlergebnissen laut Bundeswahlleiterin: CDU/CSU 28,6 %, AFD 20,8 %, SPD 16,4 %, Grüne 11,6 %, Linke 8,8%

Umweltverbände haben die Ergebnisse der Bundestagswahl kommentiert und Zukunftsinvestitionen gefordert. Im Interview mit dem Deutschlandfunk sagte Kai Niebert, gut gemachter Klimaschutz könne Sicherheitspolitik sein. Auch Germanwatch, Robin Wood, NABU, BUND, WWF und andere reagierten prompt.

Unionsparteien siegen (28,6 Prozent), zweitplatziert ist die AfD (20,8). SPD verliert (16,4), Grüne auf niedrigem Niveau stabil (11,6), Linke (8,8) gewinnt hinzu, FDP und BSW sind nicht mehr im Bundestag. So lassen sich in Kürze die Wahlergebnisse vom Wochenende zusammenfassen. Von 60.490.603 Wahlberechtigten haben 49.927.315 ihre Stimme abgegeben, was einer Wahlbeteiligung von 82,6 Prozent entspricht. Nur ein Bruchteil davon (0,9 Prozent und damit 429.129 Stimmen) waren ungültig.

Die Wahl hat die drängenden Probleme wie Klimaschutz und den Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen nicht verschwinden lassen. Dabei könne eine gut gemachte Elektromobilität, der Einsatz von Wärmepumpen und Wasserstoff zu Sicherheit, Unabhängigkeit und Resilienz beitragen – und dabei den Klimaschutz stützen. Das zumindest betonte DNR-Präsident Kai Niebert im Interview im Deutschlandfunk

Frieden und Sicherheit in einer autokratischer werdenden Welt hingen eben auch mit der Unabhängigkeit von Öl und Gas zusammen. Dafür müsse massiv in klimaneutrale Infrastrukturen investiert werden, forderte Niebert. „Spannenderweise zeigen das ja nicht nur Umweltverbände auf, sondern die Gewerkschaften zeigen das genauso auf wie die Industrie“, führte Niebert aus.

Die Energiewirtschaft hofft nun vor allem auf Stabilität. So erklärte Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung, nach der Wahl: „Jetzt muss konstruktiv verhandelt werden. Es gilt, schnell eine stabile Regierung zu bilden und Handlungsfähigkeit herzustellen.“ Die Maßgabe für energiepolitische Entscheidungen müsse die „ambitionierte Machbarkeit“ sein. Da die Umsetzung der Energiewende Jahrzehnte dauern werde, brauche es „einen konsistenten und verlässlichen Regulierungsrahmen, der sich nicht an Legislaturperioden orientiert“.

Angesichts außen- und innenpolitisch „extrem herausfordernder“ Zeiten hat Germanwatch CDU/CSU und SPD aufgefordert, „zügig in lösungsorientierte Verhandlungen zur Regierungsbildung einzusteigen“. Auch Grüne und Linke sollten die Oppositionsrolle für das Vorantreiben der wichtigen Aufgaben nutzen. Zudem solle wieder mehr „Wert auf eine differenzierende und weniger polemische Kommunikation“ gelegt werden. Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch sagte im Hinblick auf die europäische Ebene: „Wir brauchen jetzt eine stabile und konstruktive Regierung mit klarem Kompass für die großen Herausforderungen.“ Europa müsse die Menschenwürde für alle, die Stärke des Rechts gegen das Recht des Stärkeren und den Schutz der ökologischen Lebensgrundlagen verteidigen. Sicherheit der EU lasse sich nicht allein militärisch herstellen, es brauche auch eine starke nationale und internationale Klima-, Biodiversitäts- und Gesundheitspolitik und entsprechende internationale Regeln und Partnerschaften. 

Auch der BUND forderte, dass sich Friedrich Merz nun „mit den wirklich wichtigen Dingen befassen“ müsse. Die BUND-Bundesgeschäftsführerin Politik Verena Graichen sagte: „Wichtige Schritte zum Erhalt unserer Lebensgrundlagen sind klar: Der konsequente und naturverträgliche Ausbau erneuerbarer Energien, die Wiederherstellung von natürlichen Lebensräumen und das entschiedene Angehen einer sozial gerechten Wärmewende.“ Zudem müsse die Schuldenbremse für wichtige Zukunftsinvestitionen reformiert werden. Der BUND werde die neue Regierung vor allem an den Bemühungen für einen sozial gerechten Umwelt-, Klima- und Naturschutz messen.

Der NABU mahnte, dass es ohne intakte Ökosysteme kein langfristiges Wachstum gebe. Die Regierungsbildung werde angesichts der schwierigen Mehrheitsverhältnisse „kein Selbstläufer“. NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger freute sich über die hohe Wahlbeteiligung und forderte: „Die künftigen Partner werden gemeinsame Antworten auf die drängenden Krisen finden müssen […]. Vor allem die viel zitierte Wirtschaftskompetenz zeigt sich heute daran, ob auch die Natur als Standortfaktor ernst genommen wird.“ Ökologie und Ökonomie müssten Hand in Hand gehen, das gelte auch für Europa und den Green Deal. Natur- und Klimaschutz seien Voraussetzung für Stabilität und Wohlstand.

Angesichts des starken Abschneidens der Unionsparteien und der AfD bei der Bundestagswahl warnte Robin Wood vor einer „Rolle rückwärts in der Klimapolitik“ und forderte die Zivilgesellschaft dazu auf, sich einem Rollback in der Klima- und Umweltpolitik entschlossen auf allen Ebenen entgegenzustellen. Die Grundrechte, insbesondere von Menschen mit Migrationsgeschichte, drohten ausgehöhlt zu werden. Besonders erschütternd sei, dass „mit der AfD eine in Teilen faschistische Partei, die den Klimawandel leugnet, nun zweitstärkste Kraft im Bundestag ist“. Die AFD werde ihren Einfluss nutzen, „um mit rechtsextremen Narrativen und Positionen die Debatte im Parlament und in der Öffentlichkeit weiter zu vergiften“, warnte die Organisation. 

Die NaturFreunde-Fachstelle Radikalisierungsprävention und Engagement im Naturschutz (FARN) nannte die Wahlergebnisse „alarmierend“ und forderte „klare Kante gegen Rechtsextremismus von allen demokratischen Parteien. Besonders besorgt zeigte sich FARN über Tendenzen innerhalb der CDU/CSU, sich rechtsextremen Positionen anzunähern, und darüber hinaus zivilgesellschaftliche Organisationen zu diskreditieren und ihre Förderung in Frage zu stellen. „Eine starke Zivilgesellschaft ist unverzichtbar für den Schutz von Natur und Umwelt“, so Lukas Nicolaisen, Leiter von FARN. „Wer ihre Arbeit erschwert oder ihre Legitimität angreift, spielt denjenigen in die Hände, die Fortschritte beim Klimaschutz verhindern wollen.“ 

Der WWF forderte, dass es nach der „Wahlkampf-Folklore jetzt zurück zu echten Lösungen“ gehen müsse. Die Parteien hätten Klima- und Naturschutz „sträflich vernachlässigt“, sagte Heike Vesper, Vorständin Politik & Transformation beim WWF Deutschland. Statt Lösungen zu liefern, habe sich die Debatte „in absurden Scheinlösungen“ verloren: Renaissance der Atomkraft, Abschaffung des Deutschlandtickets oder gar der Abriss von Windrädern. Als stärkste Kraft müsse die Union diese „Phantomdebatten“ nun beenden. „Ebenso inakzeptabel sind die systematischen Angriffe auf zivilgesellschaftliche Organisationen, die sich für Klima- und Naturschutz und damit für die Stabilität dieses Landes einsetzen. Sie sind tragende Säulen unserer Demokratie. Wir erwarten von einer neuen unionsgeführten Regierung die Rückkehr zu einem konstruktiven Dialog“, so Vesper.

Aber vielleicht lassen wir uns alle doch noch positiv überraschen, wie es Hermann Ott – ehemaliges Mitglied im DNR-Präsidium – im Interview mit Nick Reimer für den Freitag formulierte: „Friedrich Merz wird Klimakanzler“. Nicht etwa, weil er will, sondern weil er rechtlich einfach muss - und eventuell, um seine Vorgängerin Merkel zu übertrumpfen... [jg]

 

Bundeswahlleiterin: Vorläufige Ergebnisse Bundestagswahl 2025 

BDWE: Kerstin Andreae zur Bundestagswahl 2025 

Germanwatch: Große Herausforderungen: Konstruktiver Prozess für stabile Regierung notwendig

BUND: BUND misst Merz an sozial gerechtem Klima- und Naturschutz

NABU: Bundestagswahl: Qualität unserer Zukunft entscheidet sich jetzt 

Robin Wood: [...]Mehr Klimagerechtigkeit wird es nur mit einer starken Zivilgesellschaft geben

Naturfreunde/FARN: Alarmierende Wahlergebnisse: Alle demokratischen Parteien müssen klare Kante gegen Rechtsextremismus zeigen

WWF: Nach Wahlkampf-Folklore jetzt zurück zu echten Lösungen 

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