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Vorbildwirkung? Bleimunition verbieten, Habitatrichtlinie umsetzen!
EU-News | 24.06.2020
#Biodiversität und Naturschutz

Vorbildwirkung? Bleimunition verbieten, Habitatrichtlinie umsetzen!

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c. pixabay

Deutschland will sich laut Medienberichten bei der Abstimmung zum Verbot von Bleimunition in Feuchtgebieten enthalten. Und die durch Corona noch einmal verlängerte Meldefrist für Naturschutzgebiete im Rahmen der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie ist am 15. Juni abgelaufen. Niedersachsen hat immernoch nicht geliefert. Ist die Bahn frei für eine erneute Klage gegen Deutschland?

EU-Kommission will Bleimunition verbieten

Die Diskussion um ein Bleimunitionsverbot wenigstens in Feuchtgebieten hat eine lange Vorgeschichte mit Untersuchungen, Protesten und rechtlichen Aktivitäten. Die EU-Kommission schlug schließlich eine Regelung vor. Ein entsprechender Ausschuss der Europäischen Chemikalienagentur ECHA hatte 2018 eine ausführliche Stellungnahme vorgelegt und im Februar 2020 zuletzt dazu beraten. Der Europäische Jagdverband FACE hatte Stellung genommen, was BirdLife zu einer kritischen Reaktion veranlasste.

Dass Blei schon in geringen Dosen negative gesundheitliche Auswirkungen hat, ist zwar längst bekannt, das scheint die Bundesregierung aber nicht dazu zu bringen, einem Verbot bleihaltiger Munition in Feuchtgebieten zuzustimmen. Im Online-Magazin Spektrum berichtet Thomas Krumenacker, dass Deutschland angekündigt habe, sich bei der schriftlichen Abstimmung über das mögliche Verbot von Bleimunition in Feuchtgebieten enthalten zu wollen. Geharnischte Kritik übte NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger auf Twitter am Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL): "Jährlich gelangen Tonnen giftiger, bleihaltiger Jagdmunition in die Natur. (...) D hat sich auf Druck des @bmel enthalten und das Verbot blockiert. @JuliaKloeckner, können Sie das wirklich verantworten?"

Dass die Einnahme von bleihaltigen Munitionsresten für Wasservögel tödlich ist, ist seit über einem Jahrhundert bekannt, schreibt der ECHA-Ausschuss in der oben erwähnten Stellungnahme. Selbst eine einzelne Bleischrotkugel könne bei Stockenten und kleinen Wasservögeln tödlich sein - und zwar nach zwei- bis dreiwöchigen schweren Vergiftungserscheinungen. Dabei gibt es Alternativen für Bleimunition. Es könnte sich also politisch durchaus etwas tun - oder, wie DNR-Präsident Kai Niebert lapidar twitterte: "Mit Blei zu jagen ist voll 16. Jahrhundert". Die EU-Mitgliedstaaten haben nun knapp drei Wochen Zeit, sich schriftlich zu dem Verbotsvorschlag zu äußern. Jochen Flasbarth erklärte - ebenfalls auf Twitter -, dass die Enthaltung Deutschlands regelkonform sei, wenn die Bundesregierung nicht einig sei, wenn auch in der Sache "unverständlich", da 14 von 16 Bundesländern bereits ein Bleimunitionsverbot haben.

FFH-Gebiete: Das Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland läuft längst

Das unterschiedliche Tempo der deutschen Bundesländer ist auch bei der Umsetzung von EU-Naturschutzrecht und der Einhaltung von Fristen im Rahmen der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH) ein heikles Thema. Die EU-Kommission hat nämlich ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland angestrengt. Im Februar hatte die Brüsseler Behörde festgestellt, dass in Deutschland "bei allen 4.606 Natura-2000-Gebieten, in allen Bundesländern und auf Bundesebene eine generelle und fortbestehende Praxis zu beobachten ist, keine ausreichend detaillierten und quantifizierten Erhaltungsziele festzulegen". Dies habe "erhebliche Auswirkungen auf die Qualität und Wirksamkeit" der Maßnahmen. Zudem müsse die Bundesregierung dafür sorgen, dass sechs der deutschen Bundesländer die erarbeiteten Managementpläne auch "aktiv und systematisch" veröffentlichen (EU-News 13.02.2020). Ursprünglich hätte die Bundesregierung zwei Monate Zeit gehabt, angemessen auf die Kritik zu reagieren, um eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof und daraus gegebenenfalls entstehende Strafzahlungen zu vermeiden. Wegen der Coronapandemie war die Frist sogar noch bis 15. Juni verlängert worden (EU-News 15.04.2020).

Diese Frist ist nun verstrichen, doch hat beispielsweise Niedersachsen immer noch nicht alle Gebiete gemeldet. Es ist anzunehmen, dass hinter den Kulissen auch von der Bundesregierung erhebliche Anstrengungen laufen, um die drohenden Strafzahlungen - sollte die EU-Kommission klagen - doch noch abzuwenden. Aber reicht das? Allein in Niedersachsen waren es laut Berichten des Norddeutschen Rundfunks (NDR) noch 88 Gebiete, die das Bundesland melden müsste, "aber nicht kann". Der niedersächsische Umweltminister Olaf Lies (SPD) drücke "jetzt auf die Tube: Nun sollen Landräte die Schutzgebiete festlegen anstatt wie bisher die Kreistage und damit die politischen Parteien", sagte Lies dem NDR in Niedersachsen. In der Antwort auf eine kleine Anfrage der FDP an den Landtag von Mitte Mai ist nachzulesen, für wie viele Gebiete in welchen Landkreisen noch die "erforderlichen Verordnungen zur Sicherung der FFH-Gebietskulisse" fehlen. Und noch Mitte April fehlten in Bayern laut Bayrischem Rundfunk für 144 Naturschutzgebiete Managmentpläne mit konkreten Erhaltungsmaßnahmen. Am 1. Juli 2020 übernimmt Deutschland den EU-Ratsvorsitz. [jg]

Spektrum-Artikel: Wird bleihaltige Jagdmunition endlich verboten? und Kommentar: Julia Klöckners fatale Atacke auf den Vogelschutz (Autor: Thomas Krumenacker)

Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu Blei

NDR-Bericht: Naturschutzgebiete: Meldefrist ist abgelaufen

Kleine Anfrage Landtag Niedersachsen/Antwort Mitte Mai

Bericht Bayrischer Rundfunk/Mitte April

Pressestatement von Elisabeth Emmert, Präsidiumsmitglied des Umweltdachverbands Deutscher Naturschutzring (DNR) und Vorsitzende des Ökologischen Jagdverbands (ÖJV) [24.06.2020]:

  • "Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner schuldet uns eine Erklärung, in wessen Namen und aus welchen Gründen sie ein Verbot von Bleimunition für die Jagd ablehnt. Ca. 20.000 Tonnen Blei aus Jagdmunition jährlich landen irgendwo in Europas Umwelt. Sie  gefährden sensible Feuchtgebiete und lassen mehr als eine Million Wasservögel und andere Tiere einen qualvollen Tod erleiden. Im Namen aller verantwortungsvollen Jägerinnen und Jägern in unserem Land fordern wir von Ministerin Klöckner: Hören Sie auf, gegen unsere Interessen und die der Natur zu handeln, und machen Sie den Weg frei, um diese Praxis vor allem in Feuchtgebieten europaweit zu beenden, so wie das in Deutschland schon weitgehend der Fall ist!"

Leuchtturmprojekt bleifrei in Bayern

Um die Population von Stein- und Seeadlern sowie Bartgeiern in Bayern zu erhöhen und ihre Lebensgrundlage zu verbessern, haben die Bayerischen Staatsforsten und der Landesbund für Vogelschutz (LBV) in einem Projektgebiet die Umstellung auf bleifreie Munition geplant.

Der LBV fordert außerdem, gänzlich auf bleihaltige Munition zu verzichten, nicht nur in Feuchtgebieten.

Pressemitteilung zum Leuchtturmprojekt

LBV für ökologisch orientierte Jagdreform

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