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Waldschutz als „Schweizer Käse“? Umweltrat zu entwaldungsfreien Produkten
EU-News | 29.06.2022
#Biodiversität und Naturschutz #Wald

Waldschutz als „Schweizer Käse“? Umweltrat zu entwaldungsfreien Produkten

Abholzung
© AdobeStock/Richard Carey
Abholzung im Regenwald

Die EU-Umweltminister und -ministerinnen haben am Dienstag ihre Verhandlungsposition zum „EU-Anti-Entwaldungsgesetz“ beschlossen. Es geht um die Begrenzung des Verbrauchs von Produkten, die zur Entwaldung oder Schädigung von Wäldern beitragen. Umweltverbände reagierten kritisch.

Vereinfachte Sorgfaltspflichten, geänderte Definitionen

Produkte aus Palmöl, Rindfleisch oder Holz, welche die EU aus anderen Ländern importiert, sollen nicht zur weltweiten Entwaldung und Waldschädigung beitragen. Der Umweltrat hat am 28. Juni seine allgemeine Ausrichtung zum Vorschlag der EU-Kommission (EU-News 17.11.2021) und den neuen Vorschriften zur Regulierung des Zugangs zum EU-Markt und der Ausfuhr dieser Waren aus der EU, die den Verbrauch „entwaldungsfreier“ Produkte fördern und entwaldungsfreie Lieferketten gewährleisten, beschlossen.

Der Umweltrat einigte sich darauf, verbindliche Sorgfaltspflichten für alle Marktteilnehmer und Händler festzulegen, die Palmöl, Rindfleisch, Holz, Kaffee, Kakao, Soja und eine Reihe von Folgeprodukten wie Leder, Schokolade und Möbel auf dem EU-Markt in Verkehr bringen, bereitstellen oder ausführen. Allerdings haben die Minister*innen die Sorgfaltspflichtregelung „vereinfacht und klarer gefasst“, dabei aber aus eigener Sicht „ein hohes Maß an ökologischem Ehrgeiz beibehalten“. Dies vermeide doppelte Verpflichtungen und verringere den Verwaltungsaufwand für Unternehmen und Behörden der Mitgliedstaaten. Außerdem soll kleinen Marktteilnehmern die Möglichkeit eingeräumt werden, sich bei der Erstellung von Sorgfaltserklärungen auf größere zu verlassen.

Der Rat hat die Definition des Begriffs „Waldschädigung“ dahingehend geändert, dass er strukturelle Veränderungen der Waldbedeckung in Form der Umwandlung von Primärwäldern in Plantagenwälder oder in andere bewaldete Flächen bezeichnet. Der Rat einigte sich auf ein Benchmarking-System, das Dritt- und EU-Ländern einen Risikograd in Bezug auf die Entwaldung zuweist, nämlich niedrig, Standard oder hoch. Von dieser Risikokategorie hänge ab, inwieweit die Betreiber und die Behörden der Mitgliedstaaten verpflichtet sind, Inspektionen und Kontrollen durchzuführen. Das heiße, eine verstärkte Überwachung für Länder mit hohem Risiko und eine vereinfachte Sorgfaltspflicht für Länder mit niedrigem Risiko. Der Rat habe die Kontrollpflichten präzisiert und quantifizierte Ziele für Mindestkontrollniveaus für Standard- und Hochrisikoländer festgelegt. Die von der Kommission vorgeschlagenen Bestimmungen über wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen und eine verstärkte Zusammenarbeit mit Partnerländern seien beibehalten worden. Dafür sei der Text in Sachen Menschenrechten noch ergänzt worden.

Reaktionen: Politik mit der Kettensäge, löchrig wie ein Schweizer Käse, Ausnahmen als Norm

Laut Greenpeace haben die europäischen Umweltminister*innen das geplante EU-Gesetz zum Schutz der Wälder der Welt vor dem europäischen Verbrauch stark abgeschwächt. Die vom Umweltrat vorgeschlagenen Änderungen würden den weiteren Verkauf von Produkten erlauben, welche die Wälder stark geschädigt haben, und auch den Verkauf von Holz-, Zellstoff- und Papierprodukten, die zur vollständigen Abholzung von Gebieten geführt haben. Die Leiterin der EU-Waldkampagne von Greenpeace, Sini Eräjää, sagte, der Rat habe „mit der Kettensäge an dem Gesetz gesägt“ und sich dem Druck von Holzunternehmen und deren Regierungen gebeugt.

Der WWF Zentral- und Osteuropa (WWF CEE) reagierte mit einer selbst beantworteten Frage auf die Entscheidung des Umweltrates: „Was hat mehr Löcher als ein Schweizer Käse? - Das neue EU-Anti-Entwaldungsgesetz“. Der WWF CEE sieht drei besonders große Schwachstellen in der Ratsposition. Zu enge Definitionen, zu stark auf Wälder statt auch auf andere Ökosysteme konzentriert und ungleiche Ausgangs- und Kontrollbedingungen für die in drei Risikokategorien aufgeteilten Länder. Die jetzige Definition von Waldschäden sei zu eng, da die vielfältige Zerstörung von Wäldern aller Art zum Verlust der biologischen Vielfalt führe oder ihre Fähigkeit zur Bekämpfung des Klimawandels verringere. Die Nichtberücksichtigung anderer Ökosysteme wie Savannen und Moore ignoriere deren extreme Bedrohung. Und die massive Verringerung der Kontrollen je nach Risikoeinstufung öffne zu viele Schlupflöcher. Europa sei nach China einer der größten Verursacher der weltweiten Entwaldung und für 16 Prozent der mit dem internationalen Handel verbundenen Abholzung der Tropenwälder verantwortlich.

Die Waldschutzorganisation FERN kritisierte ebenfalls die „vereinfachten Sorgfaltspflichten“ für Länder mit geringem Entwaldungsrisiko. Waren, die auf illegal abgeholztem Land produziert werden oder das Ergebnis von Menschenrechtsverletzungen sind, könnten so durch Regionen mit geringem Risiko geschleust werden. Strenge Anforderungen ohne Ausnahmen sollten stattdessen die Norm sein. Auch vorhandene Vorschriften wie die FLEGT-Verordnung für den Holzhandel und partnerschaftliche Abkommen (VPA) müssten besser integriert werden. FERN begrüßte zwar, dass die EU-Minister*innen anerkennen, wie wichtig die Einhaltung internationaler Menschenrechtsstandards ist, es seien aber weitere Konsequenzen erforderlich. Das EU-Parlament, das das Thema voraussichtlich im September behandelt, müsse unmissverständlich klarstellen, dass internationales Recht und Standards zu den Besitzrechten von Gemeinschaften eingehalten werden müssen und die Grundsätze der freien, vorherigen und informierten Zustimmung anzuwenden sind, bevor Waren auf dem EU-Markt verkauft werden können. Der Rat habe nämlich die ohnehin schon schwachen Bestimmungen zum Zugang zu Gerichten gestrichen. Zudem müsse die EU detaillierte Vereinbarungen mit den Ländern treffen, um die Ursachen der Entwaldung wie schlechte Forstverwaltung und unklare Landbesitzverhältnisse zu bekämpfen, denn Produkte würden auch anderswohin exportiert, nicht nur in die EU. „Die Verringerung des forstwirtschaftlichen Fußabdrucks der EU wird nicht ausreichen, um die Entwaldung in den Tropen zu reduzieren“, so FERN. [jg]

 

Umweltrat: Council agrees on new rules to drive down deforestation and forest degradation globally (press release, 28 June 2022)

Ergebnisse Umweltrat 28.06.2022

Greenpeace: Environment ministers take a chainsaw to EU forest law

WWF CEE: What has more holes than a Swiss cheese? The new EU Deforestation law

FERN: EU Ministers acknowledge importance of upholding international human rights standards to end deforestation, but more action is needed

Waldschutz: Parlament fordert Umweltstaatsanwaltschaft

Das EU-Parlament hat letzte Woche die harmonisierte Datenerfassung durch einen einheitlichen Waldbeobachtungsrahmen gefordert und verlangt, dass eine Europäische Umweltstaatsanwaltschaft (EU Green Prosecutor) berufen wird. Basis wäre die Ausweitung der Befugnisse der Europäischen Staatsanwaltschaft (EPPO). Damit soll der illegale Holzeinschlag besser bekämpft werden. Die Verhandlungen über Regeln für entwaldungsfreie Produkte biete die Chance für eine globale Lösung. Es wäre auch „ein Weg, um die Umsetzung und Durchsetzung des EU-Umweltrechts zu verbessern und schwere Umweltkriminalität mit grenzüberschreitender Dimension zu bekämpfen”.

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