Acrylamid abgelehnt, Entscheidungen zu Bisphenol A, PFAS und Blei vertagt
Das EU-Parlament hat Vorschläge der EU-Kommission zu Titandioxid- und Acrylamidgrenzwerten in Lebensmitteln als zu schwach zurückgewiesen. Die Europäische Chemikalienbehörde ECHA hat in ihrem Wochenrückblick unter anderem auf zwei neue "Beschränkungsabsichten" hingewiesen. Es geht um Bisphenol A sowie die Verwendung von Per- und Polyfluoralkyl-Substanzen (PFAS) in Feuerlöschschäumen.
Mit Verweis auf das Vorsorgeprinzip und die besondere Empfindlichkeit von Babys und Kleinkindern hat das EU-Parlament am Donnerstag einen Vorschlag der EU-Kommission zu titandioxid- und acrylamidhaltigen Lebensmitteln abgelehnt. Die Grenzwerte seien zu hoch.
Titandioxid/E 171: Das EU-Parlament forderte die Kommission auf, das Vorsorgeprinzip anzuwenden und E 171 von der EU-Liste der zulässigen Lebensmittelzusatzstoffe zu streichen, die derzeit hauptsächlich zum Färben von Süß-, Back- und Konditoreiwaren sowie Kaugummi, Bonbons, Schokolade und Eiscreme verwendet werden - Kinder seien damit besonders stark diesem Stoff ausgesetzt. In Frankreich sei der Verkauf von titandioxidhaltigen Lebensmitteln seit dem 1. Januar 2020 verboten. 85.000 EU-Bürger*innen hätten eine Petition zur Unterstützung des französischen Verbots unterzeichnet.
Acrylamid: Es entsteht bei der Verarbeitung, speziell bei der Erhitzung einiger Lebensmittel und erhöht das potenzielle Risiko in allen Altersgruppen, an Krebs zu erkranken. Die Abgeordneten fordern die Kommission auf, den vorgeschlagenen Höchstgehalt für zwei Lebensmittel, die Säuglingen und Kleinkindern häufig verabreicht werden, zu senken, da diese aufgrund ihres Körpergewichts am stärksten exponiert sind. Auch Kekse und Zwieback, die nicht speziell für Säuglinge und Kleinkinder hergestellt werden, sollten den gleichen, strengeren Anforderungen unterliegen. Auch Chips oder Pommes und andere stärkehaltige Lebensmittel können Acrylamid enthalten.
Da das Parlament die Vorschläge in dieser Form abgelehnt hat, muss die EU-Kommission diese nun zurückziehen oder verändern.
Die EU-Chemikalienverordnung REACH hat unter anderem die Aufgabe, besonders besorgniserregende Stoffe zu identifizieren und zu beschränken oder zu verbieten. Es geht dabei um Stoffe, die sehr ernste und häufig irreversible Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt haben. Diese können als besonders besorgniserregende Stoffe (Substances of Very High Concern, SVHC) identifiziert und auf die „Kandidatenliste" zulassungspflichtiger Stoffe gesetzt werden. Deutschland als zuständiger Mitgliedstaat hat die Absicht bekundet, das Inverkehrbringen und die Verwendung von 4,4'-Isopropylidendiphenol (Bisphenol A) und "strukturell verwandten Bisphenolen von ähnlicher Bedeutung für die Umwelt" einzuschränken. Die ECHA selbst beabsichtigt, die Verwendung von Per- und Polyfluoralkyl-Substanzen (PFAS) in Feuerlöschschäumen einzuschränken. Beide Absichten wurden am 1. Oktober eingereicht. Die konkreten Beschränkungsvorschläge werden für den 1. Oktober 2021 erwartet.
Beschränkungsvorschläge für Blei in Jagdmunition und Fischereiequipment sowie zu den Lösungsmitteln DMAC und NEP in den Anhang XV der REACH-Verordnung wurden vertagt. Für Blei bräuchten die Interessengruppen laut ECHA wegen der Pandemie noch mehr Zeit, um auf Informationsanfragen zu antworten. Und das für DMAC und NEP zuständige EU-Mitglied Niederlande wolle den Beschränkungsvorschlag am 15. Janur 2021 einreichen. [jg]
NACHHALTIGKEITSSTRATEGIE FÜR CHEMIKALIEN (HERBST 2020)
Aus dem Forderungspapier der deutschen Umweltverbände zum Europäischen Green Deal: Die unterzeichnenden Verbände fordern
- Die Strategie muss Gesetzeslücken bezüglich der Verwendung von Chemikalien schließen und ein übergreifendes Rahmenwerk für den Umgang mit gefährlichen Stoffen erstellen.
- Die EU-Kommission hat dabei das Vorsorge-, das Nachhaltigkeits- und das Verursacherprinzip konsequent anzuwenden und für transparente Entscheidungsprozesse zu sorgen.
- Einzelstoffbewertungen sind durch Gruppenbewertungen zu ersetzen, um die Effizienz der Bewertungen zu erhöhen und sicherzustellen, dass bedenkliche Stoffe durch sichere Alternativen ersetzt werden und nicht durch Substitute der gleichen Stoffgruppe.
- Risikobewertungen von Stoffen sind durch unabhängige Prüflabore durchzuführen, die aus einem von der Industrie bereitgestellten und von einer unabhängigen EU-Agentur verwalteten Fonds bezahlt werden.
- Die Substitution gefährlicher Chemikalien ist, sobald Alternativen vorhanden, verbindlich vorzugeben.
- Es ist ein Aktionsplan zum Schutz gefährdeter Bevölkerungsgruppen zu erstellen, der die Expositionsrisiken dieser Gruppen senkt