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Kommissionsprogramm 2025: Potenziale mit Schlagseite
EU-News | 14.02.2025
#Biodiversität und Naturschutz #EU-Umweltpolitik #Klima und Energie #Kreislaufwirtschaft #Landwirtschaft und Gentechnik #Mobilität #Wirtschaft

Kommissionsprogramm 2025: Potenziale mit Schlagseite

Zwei Hande zerreißen einen Notizzettel - auf der einen Hälfte steht "Pro", auf der anderen "Contra"
© pixabay / Alexas_Fotos

Am 12. Februar hat die EU-Kommission ihr Arbeitsprogramm für 2025 vorgelegt. Die Brüsseler Behörde verspricht eine „ambitioniertere, unkompliziertere und schnellere Union“. Umweltverbände fürchten, dass unter dem Deckmantel der Vereinfachung schlicht lästige Umweltauflagen abgewickelt werden sollen.

Im Zentrum des Arbeitsprogramms stehen die Leitinitiativen, die die Kommission im ersten Jahr ihrer Amtszeit ergreifen wird und die in gesonderten Anhängen aufgeführt sind. Die EU soll damit „sicherer und wohlhabender“ werden sowie „mehr Chancen, Innovation und Wachstum für Bürger und Unternehmen“ bieten. Um den Verwaltungsaufwand zu verringern und die EU-Vorschriften zu vereinfachen gibt es eine mehrteilige Umsetzungs- und Vereinfachungsstrategie. Den Start macht eine erste Reihe von sogenannten Omnibus-Paketen und -Vorschlägen für mehr Wettbewerbsfähigkeit. Paket Nummer eins sehe „weitreichende Vereinfachungen insbesondere in den Bereichen nachhaltige Finanzberichterstattung, Sorgfaltspflichten im Hinblick auf Nachhaltigkeit und Taxonomie vor“. Andere Initiativen, wie der Rechtsakt zur beschleunigten Dekarbonisierung der Industrie, würden die Genehmigungs- und Zulassungsverfahren sowie die Berichtspflichten straffen. Eine neue Definition des Begriffs „kleine Unternehmen mittlerer Kapitalisierung“ werde die Vorschriftenlast verringern. Spätere Omnibus-Pakete sollen sich mit der Vereinfachung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) und anderen die Landwirtschaft betreffende Politikbereiche beziehungsweise mit Investitionen im Verteidigungsbereich befassen.

Aus Sicht der EU-Kommission wichtigste Elemente im Umweltbereich

  • Nachhaltiger Wohlstand und nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit: Mittels dem Kompass für Wettbewerbsfähigkeit als „Richtschnur“ für nachhaltiges Wachstum soll der gemeinsame Plan für Dekarbonisierung und Wettbewerbsfähigkeit unter anderem mithilfe des Deals für eine saubere Industrie, mit dem bis 2040 ein Emissionsabbau um 90 Prozent gelingen. Begleitet wird das flankierend mit einem Aktionsplan für erschwinglichere Energie - beide erwartet im ersten Quartal. [Der Clean Deal kommt voraussichtlich am 26. Februar.] Eine Roadmap zur Beendigung der Abhängigkeit von russischen Energieimporten soll ebenfalls im ersten Quartal kommen. Der Investmentplan für nachhaltigen Verkehr ist für Quartal 3 geplant, im vierten Quartal 2025 folgen das Gesetz zur Beschleunigung der industriellen Dekarbonisierung (Industrial Decarbonisation Accelerator Act) einschließlich Impact Assessment sowie die Bioökonomiestrategie.
  • Unsere Lebensqualität erhalten: Hierunter fallen die angekündigte Vision für Landwirtschaft und Ernährung (erstes Quartal [vrsl. 19.02.]), der Pakt für die Meere (einheitlicher Rahmen für Meerespolitik, Gesundheit der Ozeane und mit Impulsen für die blaue Wirtschaft, zweites Quartal), eine europäische Strategie für eine resiliente Wasserversorgung (zweites Quartal) sowie das Vereinfachungspaket (Omnibus) im Bereich der Gemeinsamen Agrarpolitik (zweites Quartal). Die Erweiterung des Klimagesetzes mit 2040-Klimaziel ist für das erste Quartal [vrsl. März] vorgesehen. 

Zu den wichtigsten Elementen zählen laut EU-Kommission auch: Verteidigung und Sicherheit, „Menschen unterstützen, unsere Gesellschaften und unser Sozialmodell stärken“, Demokratie schützen und Werte wahren, Europas Einfluss in der Welt sowie die Zukunft der Union (Erweiterung und der neue mehrjähriger Finanzrahmen, letzterer ist im dritten Quartal vorgesehen).

Angekündigte Fitness-Checks und Evaluationen von EU-Politikmaßnahmen:

  • Zwischenbewertung des Rahmenprogramms „Horizont Europa“ für Forschung und Innovation: Zweites Quartal (Q2 2025)
  • Halbzeitbewertung des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, des Kohäsionsfonds und des Fonds für den gerechten Übergang 2021-2027: Q2 2025
  • Bewertung der Richtlinie über nationale Emissionsreduktionsverpflichtungen: Q4 2025
  • Bewertung der Richtlinien über radioaktive Abfälle: Q4 2025
  • Bewertung der Verordnung über Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft (LULUCF): Q4 2025

Anhang III führt bereits 2022, 2023 oder 2024 veröffentlichte Vorschläge auf, deren Entscheidung durch Rat und Parlament aber noch aussteht. Hierzu gehören beispielsweise Handel mit Katzen und Hunden [2023/0447 (COD)], Kunststoffpellets/Mikroplastik [2023/0373 (COD)] oder Abfallrahmen/Textilien und Lebensmittel [2023/0234 (COD)] beziehungsweise die Punkte 95 bis 103 (S. 19, Annex), die unter anderem Waldmonitoring , Bodenüberwachung, Umweltqualitätsstandards im Wasser und  neue Gentechnik umfassen.

Reaktionen: „Vielversprechend, aber auch gefährlich“ (EEB) und „netto-Irreführung“ bei Emissionsreduktion (CMW)

Das Europäische Umweltbüro (EEB) sieht in den im Arbeitsprogramm enthaltenen Verpflichtungen zur Dekarbonisierung und zu erschwinglicher Energie einen potenziellen Weg zu einem saubereren, widerstandsfähigeren Europa. Allerdings bestehe die Gefahr, dass wichtige Ziele des Europäischen Grünen Deals in den Hintergrund geraten und Umweltschutz und Demokratie untergraben würden. So stelle die EU-Kommission genau die Ziele zurück, bei denen Maßnahmen am dringlichsten sind wie beim Ziel der Nullverschmutzung. Die Besorgnis über die vorgeschlagene Omnibus-Verordnung, die als Hintertür für die Deregulierung der Unternehmensverantwortung unter dem Deckmantel der „Vereinfachung“ dienen könnte, wachse. Jüngste Entwicklungen zeigten, dass Vereinfachung allzu oft dazu benutzt werde, wesentliche Schutzmaßnahmen zu schwächen, von der Chemikaliengesetzgebung bis zur Landwirtschaft. Die überstürzte Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) im März, bei der grüne Schutzmechanismen gestrichen wurden, sei „ein krasses Beispiel“ dafür. Nun drohe die längst überfällige Überarbeitung von REACH, die einst als Instrument zum Schutz der öffentlichen Gesundheit und der Umwelt bezeichnet wurde, als „Vereinfachungsmaßnahme“ zur Lockerung der Vorschriften für die Industrie verpackt zu werden. Patrick ten Brink, Generalsekretär des EEB: „Die EU muss dem Sirenengesang der Deregulierung widerstehen“, auch Unternehmen bräuchten Rechtssicherheit und langfristige, auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Wettbewerbsfähigkeit. Sogar große Unternehmen wie Nestlé, Unilever und Mars haben sich in einem offenen Brief gegen eine Überarbeitung der EU-Gesetze zur Nachhaltigkeitsberichterstattung und Sorgfaltspflicht ausgesprochen. Zudem würden solcherart Vereinfachungsmaßnamen das Wohlbefinden und Vertrauen der Bürger untergraben, kritisierte das EEB.

Carbon Market Watch (CMW) monierte auf LinkedIn, dass bei der Ankündigung für den Clean Industrial Deal [vrsl. 26. Februar] und dem Emissionsreduktionsziel von 90 Prozent für 2024 das kleine, aber wichtige Wort „netto“ fehle. Diese bewusste Auslassung sei „leider keine Aufwertung“ des Klimaziels: Laut der von der Kommission im letzten Jahr vorgelegten Folgenabschätzung für das 2040-Ziel würde dieses 90 Prozent-Nettoziel in Wirklichkeit nur eine Brutto-Emissionsreduzierung von etwa 82 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 bedeuten. Denn das „Netto“ bezieht die Emissionsreduktionsleistung sogenannter vor allem technischer Senken wie die Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (CCS) mit ein, während „Brutto“ die direkte Verringerung der ausgestoßenen Emissionen bedeuten würde. Emissionen gar nicht erst auszustoßen ist aus Umweltsicht immer die bessere Alternative. Carbon Market Watch kritisiert, dass dies zu unnötiger Verwirrung führe. „Die EU muss aufhören, stillschweigend den „Netto“-Ansatz für Klimaziele zu verwenden – es sei denn, sie will, dass wir die Ankündigung eines 90 %igen Brutto-Emissionsreduktionsziels feiern“, sagte CMW-Expertin Fabiola De Simonis. Stattdessen sollte die EU getrennte Ziele für die Brutto-Emissionsreduzierung, die LULUCF-Sequestrierung und den dauerhaften Abbau festlegen, was Carbon Market Watch zusammen mit 121 Unterstützern fordere. [jg]

Arbeitsprogramm der Kommission für 2025
Anhänge
Mitteilung über Vereinfachung und Umsetzung
Factsheet zum Arbeitsprogramm der Kommission für 2025
Factsheet zur Mitteilung über Vereinfachung und Umsetzung

EEB: EU Must Stay the Course
 

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