Agrarrat: Vorerst keine Einigung zur Neuen Gentechnik
Der Kompromissvorschlag zur Neuen Gentechnik fällt im Rat durch. Umweltverbände sehen einen Etappensieg, mahnen aber zur Wachsamkeit. Im Agrarausschuss des EU-Parlaments dominieren die Befürworter*innen des Verordnungsvorschlags.
Bei der Sitzung des Agrar- und Fischereirats am 11. Dezember in Brüssel wurde keine Einigung der EU-Mitgliedstaaten zur geplanten Deregulierung von sogenannten Neuen Genomischen Techniken (NGT) erzielt. Bei der Abstimmung erreichte der Kompromissvorschlag der spanischen Ratspräsidentschaft keine qualifizierte Mehrheit. Nachdem sich bereits auf der vorangegangenen Sitzung des Ausschusses der Ständigen Vertreter die fehlende Zustimmung abzeichnete, versuchte die spanische Ratspräsident mit der neuen Vorlage die kritischen Mitgliedstaaten zu überzeugen. Doch auch der Kompromisstext zur allgemeinen Ausrichtung des Rats fiel durch.
Enthaltung von Deutschland
Zustimmung erhielt der Kompromissvorschlag unter anderem von Dänemark, Frankreich, Italien, und den Niederlanden. Abgelehnt wurde er von Kroatien, Ungarn, Rumänien und Polen. Der deutsche Landwirtschaftsminister Cem Özdemir enthielt sich bei der Abstimmung. Özdemir begrüßte jedoch, dass der aktuelle Vorschlag keine Mehrheit gefunden habe. Denn es gelte in Hinblick auf Wahlfreiheit der Verbraucher*innen, Koexistenz von Biolandbau und konventioneller Landwirtschaft sowie der Frage nach dem Umgang mit Patenten nachzusteuern. Der spanische Ratspräsident hingegen appellierte an die Mitgliedstaaten schnell eine Einigung zu erzielen. Sollte bis zur Europawahl keine Einigung erfolgen, sei nicht vor 2025 mit einem angepassten Rechtsrahmen für die Neue Gentechnik zu rechnen. Entsprechend groß ist der Zeitdruck: Die nächste Abstimmung im Ausschuss der Ständigen Vertretung ist bereits für den 21. Dezember geplant.
NGOs: Durchatmen aber wachsam bleiben
Von Umwelt-, Landwirtschafts- und Verbraucherorganisationen wurde das Scheitern der Abstimmung als Teilerfolg begrüßt. In den letzten Wochen und Monaten hatte sich eine breite Opposition der Verbände gegen die Deregulierung der Neuen Gentechnik eingesetzt. Zuletzt appellierten 139 Verbände an die Bundesregierung, den Verordnungsvorschlag abzulehnen. Fürs erste sei „der Angriff auf die Wahlfreiheit von Verbraucherinnen und Verbraucher“ abgewehrt, kommentierte die BUND-Geschäftsführerin Antje von Broock die Abstimmung. Kennzeichnungspflicht, Regelungen zur Koexistenz und ein „vorsorgeorientiertes Risikoprüfungs- und Zulassungssystem sowie Patentfreiheit“ seien Grundvoraussetzungen für den Schutz der Ökosysteme und die Koexistenz ökologischer und konventioneller Landwirtschaft, so von Broock weiter.
„Aber die Kuh ist noch lange nicht vom Eis“, ergänzte Bioland-Präsident Jan Plagge. Es brauche nun eine klare Haltung der gesamten Bundesregierung und insbesondere Bundeskanzler Olaf Scholz müsse halten, was er im Wahlkampf versprochen habe. Denn im Wahlkampf habe Scholz angekündigt, dass auch für die Neuen Gentechniken das Vorsorgeprinzip uneingeschränkt gelten müsse, mahnte der Präsident des ökologischen Landwirtschaftsverbands an. Und auch Annemarie Volling, Gentechnik-Expertin der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) appellierte an die verantwortlichen Regierungen der EU-Mitgliedstaaten „weiter wachsam zu bleiben und sich nicht durch minimale Kompromissvorschläge umstimmen zu lassen“. Auch das EU-Parlament müsse zudem den „einseitigen, industrienahen Gesetzesvorschlag“ ablehnen.
Agrarausschuss befürwortet Deregulierung
Dass dies schwierig werden dürfte, zeigt sich an der Positionierung des Agrarausschusses (AGRI) des Europaparlaments. Dessen Mitglieder stimmten ihre Stellungnahme zur NGT-Verordnung ebenfalls am 11. Dezember ab. Diese wird in die Position des Umwelt- und Gesundheitsausschusses einfließen. Dabei befürworteten die Abgeordneten des Agrarausschusses in ihrer Stellungnahme mehrheitlich die Deregulierung. Als einer der Kritiker des Kommissionsvorschlags bezeichnete der agrarpolitische Sprecher der Grünen/EFA, Martin Häusling, das Abstimmungsverhalten im Landwirtschaftsausschuss als „desaströse Kampfansage an den verantwortungsvollen Umgang mit Gentechnik“ und „Schlag gegen die Europäischen Vorsorgeregelungen“. Auch er weist darauf hin, dass in den kommenden Tagen, bis zur nächsten Abstimmung im Ausschuss der Ständigen Vertretung der Mitgliedstaaten am 21. Dezember, die Befürworter*innen der Deregulierung stark darauf hinwirken werden, die kritischen Mitgliedstaaten umzustimmen. Dies müsse verhindert werden. [bp]