Aufbegehren für Wolf und Wissenschaft
Die EU möchte eine Herabstufung des Wolfes bei der Berner Konvention erwirken. Umweltverbände haben deren Generalsekretär aufgefordert, den Vorstoß zurückzuweisen und übten Kritik wegen fehlender wissenschaftlicher Grundlagen der EU-Entscheidung über den Schutzstatus‘ des Wolfes. Derweil untersucht die EU-Bürgerbeauftragte, wie die EU-Entscheidung zustande kam. ClientEarth hatte sich über die „bizarre Entscheidung“ beschwert.
Nachdem Ende September die Entscheidung gefallen ist, von EU-Seite aus beim Sekretariat der Berner Konvention eine Herabstufung des Wolfes von streng geschützt auf geschützt zu beantragen (EU-News 27.09.2024), setzen sich Umwelt- und Artenschutzverbände weiterhin für den strengen Schutzstatus des Europäischen Grauwolfs (Canis lupus) ein. Der Umweltverband Green Impact hat zusammen mit Great Lakes and Wetlands Ungarn sowie anderen Verbänden die „fehlende wissenschaftliche Untermauerung und den Bruch des demokratischen Prozesses“ bei der EU-Entscheidung angeprangert. Die Verbände appellierten am 21. November an Mikaël Poutiers, den Generalsekretär der Berner Konvention, eine Abstimmung auf der Dezember-Sitzung (2. bis 6.12.) des Ständigen Ausschusses des Abkommens über die Erhaltung der europäischen wildlebenden Pflanzen und Tiere und ihrer natürlichen Lebensräume, nicht zuzulassen.
Bevor das einschlägige EU-Recht (Fauna-Flora-Habitat- und Artenschutzrichtlinie) geändert werden kann, müsste nämlich eine Herabstufung des Wolfs von Anhang II auf Anhang III der Berner Konvention erfolgen.
Doch schon die EU-Entscheidung sei auf eine „nicht akzeptable“ Art zustandegekommen, kritisieren die Verbände. Der Vorschlag der EU-Kommission basiere auf einem Bericht, der von der Kommission bei einer, in Brüssel ansässigen, Beratungsfirma in Auftrag gegeben und bezahlt wurde. Kritische Stimmen aus der Wissenschaft, wie die der Large Carnivore Initiative for Europe/ IUCN Specialist Group seien gar nicht konsultiert worden. Deren Erklärung vom 13. November spreche sich klar gegen die Herabstufung des Wolfes aus.
Zusammen mit einer Gruppe von Natur- und Umweltexperten unterstützen die Organisationen auch die Unterschriftensammlung von hunderten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern für zwei wissenschaftliche Erklärungen, die bis zum 30. November vorliegen sollen und deren Inhalt gegen eine Herabstufung spricht.
„Bizarre Entscheidung“: ClientEarth reichte Beschwerde ein, Ombudsman ermittelt
Ende Oktober hat die EU-Bürgerbeauftragte Emily O’Reilly beschlossen, eine Untersuchung der Beschwerde von der Umweltrechtsorganisation ClientEarth einzuleiten. In der Beschwerde vom 9. September geht es um die Art und Weise, wie die Kommission eine „gezielte Datenerhebung“ über die Auswirkungen der Wolfspopulation in der EU durchgeführt hat. ClientEarth kritisiert, dass die Kommission ihre eigenen Leitlinien für eine bessere Rechtsetzung zur Konsultation von Interessengruppen nicht eingehalten habe, als sie die Öffentlichkeit in einer Pressemitteilung aufgefordert habe, aktuelle Daten über die Wolfspopulation und ihre Auswirkungen vorzulegen. Dieser Pressemitteilung habe es an Objektivität und Unparteilichkeit gefehlt. Zudem beruhe die Aussage der Kommission, dass Wölfe eine echte Gefahr für Nutztiere und Menschen darstellten, nicht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen. Die Bürgerbeauftragte hat die EU-Kommission aufgefordert, auf die Beschwerde sowie Fragen zur Durchführung ihrer gezielten Datenerhebung bis zum 24. Januar 2025 zu beantworten.
ClientEarth-Anwältin Ilze Tralmaka sagte: „Von Anfang bis Ende war dieser Vorschlag und das dazugehörige Verfahren problematisch. […] Es ist auch eine bizarre Entscheidung: Sie sendet die Botschaft aus, dass die Kommission ehrgeizige Naturpolitiken- und gesetze beim ersten Anzeichen von Widerstand aufgeben wird, wenn sie tatsächlich erfolgreich sind.“ [jg]
Green Impact et al.: Pressemitteilung sowie Unterschriftensammlung für Wissenschaftler*innen
EU-Ombudsman: EU-Beschwerde zur gezielten Datenerhebung über die Auswirkungen der Wolfspopulatio
Client Earth: Ombudsman opens inquiry after EU trashes wolf protections