Bürgerinitiative geht nach vorn, Agrarrat drückt auf die Bremse
Im EU-Parlament findet die Anhörung der Europäischen Bürgerinitiative „Bienen und Bauern retten!“ statt. 16 Agrarminister*innen wollen mehr Befugnisse in der Umweltpolitik. Agrarrat setzt auf Abschwächung der EU-Industrieemissionsrichtlinie.
EBI „Bienen und Bauern Retten!“ im EU-Parlament
Am Dienstag, dem 24. Januar fand die Anhörung der erfolgreichen Europäischen Bürgerinitiative (EBI) „Bienen und Bauern retten!“ im EU-Parlament statt. Dabei betonte der EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius die Bedeutung der Initiative und nannte sie einen „essentiellen Beitrag“ zur Politik der EU. Bei der Anhörung in Brüssel konnten die Initiator*innen nochmals ihre Forderungen, wie die dringend notwendige Reduktion des Pestizideinsatzes, verdeutlichen. Pestizide seien ein Schlüsselfaktor für das weltweite Artensterben und Instrumente zur Minderung des Einsatzes daher umso dringlicher, so die Vertreter*innen der Initiative bei der Anhörung.
Mit Blick auf die jüngsten Verzögerungen zur Verabschiedung der neuen Pestizidverordnung (Sustainable Use Regulation, SUR) und der daraufhin veröffentlichten Stellungnahme hunderter Wissenschaftler*innen erklärte der Agrar- und Ernährungswissenschaftler Jeroen Candel in Brüssel: "Im Namen von über 700 Wissenschaftler*innen aus allen europäischen Mitgliedsstaaten und wissenschaftlichen Disziplinen teile ich unsere tiefe Besorgnis über die jüngste politische Kehrtwende in Bezug auf die Verordnung zur nachhaltigen Nutzung von Pestiziden.“
Agrarrat unter schwedischem Vorsitz
Erstmals im Jahr 2023 kamen am Montag, dem 30. Januar, die EU-Agrarministerinnen und -minister in Brüssel zusammen. Auf der Tagesordnung des Treffens stand unter anderem ein Blick auf die aktuelle Lage auf den Agrarmärkten vor dem Hintergrund des Angriffs auf die Ukraine, ein Gedankenaustausch über die Möglichkeiten der Bioökonomie, die Überarbeitung der Rechtsvorschriften über Tiertransporte und landwirtschaftliche Aspekte der Richtlinie zu Industrieemissionen (Industrial Emissions Directive, IED). Den Vorsitz des Agrarrats hat seit Jahresbeginn der schwedische Landwirtschaftsminister Peter Kullgren, der auf dem Treffen auch sein Arbeitsprogramm vorstellte.
Agrarminister*innen wollen mehr Macht
Auf Initiative Österreichs haben sich 16 der Minister*innen im Rahmen des Treffens mit einem „Kompetenzbrief“ an die schwedische Ratspräsidentschaft gewandt. Darin forderten die Mitgliedstaaten mehr Befugnisse zu den Themen, von denen die Landwirtschaft unmittelbar betroffen sei. Die Länder bemängeln laut österreichischem Agrarminister Norbert Totschning (ÖVP), dass derzeit „immer mehr Themen ohne oder unter geringer Einbindung land- und forstwirtschaftlicher Expertise entschieden“ würden. Damit zielt der Vorstoß direkt auf die Kompetenzen zu Fragen der Umwelt-, Biodiversitäts- und Klimapolitik. Unterstützt wurde Totschnings Forderung nach mehr Befugnissen von Finnland, Griechenland, Italien, Kroatien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Polen, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn und Zypern.
Abschwächung bei Emissionsvorgaben
Bei der Überarbeitung der Richtlinie über Industrieemissionen drängen die Agrarministerinnen und -minister auf eine Abschwächung der geplanten Regelungen. Der von der Kommission im April 2022 vorgelegte Vorschlag zur IED sieht unter anderem vor, die Emissionen aus der Tierhaltung zu reduzieren. Zukünftig sollen Tierhaltungsbetriebe ab einer bestimmten Größe unter die Vorgaben der Richtline fallen. Zur Reichweite und den Schwellenwerten zur Geltung gibt es nun Widerstände zum Kommissionsvorschlag und unterschiedliche Positionen unter den Mitgliedstaaten.
Der Kommissionsvorschlag zur IED sieht vor, alle Betriebe mit mehr als 150 Großvieheinheiten (GVE) einzubeziehen. Auch die Rinderhaltung soll dabei zukünftig berücksichtigt werden. Sie wurde bislang ignoriert, obwohl die Rinderhaltung beträchtliche Emissionen verursacht. Laut dem Nachrichtendienst Euractiv deckt die derzeitige Richtlinie nur etwa vier Prozent der Schweine- und Geflügelbetriebe in der EU ab. Und selbst mit der neuen Richtlinie wären laut EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius lediglich ein Fünftel der Tierhaltungsbetriebe in der EU betroffen. Diese würden allerdings 43 Prozent der Methan- und 60 Prozent der Ammoniakemissionen des Sektors abdecken.
Doch sowohl die Ausweitung auf Rinder als auch die vorgesehen Werte für die Tierzahlen werden von den Agrarminister*innen teils heftig kritisiert. Für einen Kompromissvorschlag setzte sich Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir ein. Er unterstütze das Ziel der IED grundsätzlich, mache sich aber für einen Schwellenwert von 300 GVE in der Rinderhaltung stark. Damit verdoppelt er den von der Kommission vorgeschlagenen Wert. Dieser Vorschlag sei mit der federführend zuständigen Bundesumweltministerin Steffi Lemke abgestimmt und solle „zusätzliche Belastungen insbesondere für kleinere landwirtschaftliche Betriebe“ verhindern. Zudem solle sichergestellt werden, dass der Anwendungsbereich bei den anderen Tierarten nicht reduziert werde. [bp]
EBI Bienen und Bauern retten - Informationen zur Anhörung
Pressemitteilung Aurelia-Stiftung zur Anhörung der EBI
Pressemitteilung PAN-Europe zur Anhörung der EBI
Pressemitteilung Landwirtschaftsministerium Österreich zum "Kompetenzbrief"
Euractiv zu Abschwächung der EU-Industrieemissionsrichtlinie