Dekarbonisierung: EU fördert 41 Projekte mit 3,6 Milliarden Euro
Die EU hat am 13. Juli ihre Auswahl für die Projektförderung aus dem EU-Innovationsfonds bekanntgegeben. Die Vorhaben sollen im industriellen Maßstab zur Dekarbonisierung Europas beitragen. Deutschland erhält Gelder für sieben Projekte. Mit der überarbeiteten Nationalen Wasserstoffstrategie soll das deutsche Ausbauziel für Wasserstoff angehoben werden. Umweltverbände fürchten allerdings fossile Lock-In-Effekte.
In einem jährlichen Verfahren wählt die EU-Kommission Vorhaben aus den Kategorien „allgemeine Dekarbonisierung“, „Elektrifizierung und Wasserstoffanwendungen in der Industrie“, „saubere Technologien in der Fertigung“ und „mittelgroße Pilotprojekte“ zur finanziellen Förderung aus dem EU-Investitionsfonds aus. Der Fonds ist eines der größten Förderprogramme weltweit für innovative Netto-Null-Technologien und wurde aufgesetzt, um den Übergang Europas zur Klimaneutralität zu unterstützen. Er ist ein wichtiges Instrument des europäischen Green Deals.
Die Projekte werden auf der Grundlage folgender Kriterien ausgewählt: erhebliches Potenzial zur Vermeidung von Treibhausgasemissionen, Innovationsgrad, Projektreife, Skalierbarkeit und Kosteneffizienz. Die geförderten Projekte sollen vor 2030 in Betrieb gehen und in den ersten zehn Jahren 221 Mio. Tonnen CO2-Emissionen vermeiden. 2023 wurden überwiegend Projekte aus dem Bereich Kohlenstoffabscheidung, -nutzung und -speicherung (CCU/CCS) sowie Wasserstoffinfrastruktur ausgewählt.
Sieben Projekte aus Deutschland in der Förderung
Durch zusätzliche Einnahmen aus den Versteigerungen von EU-Emissionshandelszertifikaten wurde das Budget des Innovationsfonds erhöht, so dass in diesem Jahr mehr als 3,6 Milliarden Euro zur Verfügung stehen. Die Themenbereiche „saubere Technologien in der Fertigung“ und „Elektrifizierung und Wasserstoffanwendungen in der Industrie“ sind integraler Bestandteil der Ziele des REPowerEU-Plans. Auf diese Bereiche entfallen mehr als zwei Drittel der Fördersumme. Die EU-Kommission erwartet, dass die aus dem Innovationsfonds geförderten Projekte dazu beitragen werden, „die gewerbliche Nutzbarkeit grünen Wasserstoffs und dessen Wirtschaftlichkeit nachzuweisen“.
In 15 EU-Mitgliedstaaten sowie Norwegen werden Projekte gefördert. In Deutschland wurden sieben Projekte ausgewählt. Dabei handelt es sich nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWK) um zwei Vorhaben zur CO2-Abscheidung in der Zement- und Kalkindustrie, jeweils eine Anlage zur Herstellung von innovativen PEM-Stacks und PV-Modulen sowie eine elektrifizierte Pilotanlage zum Kunststoffrecycling.
Gefördert werden außerdem zwei Wasserstoffprojekte: Das eine Projekt betrifft einen 157 Megawatt Elektrolyseur, der erneuerbaren Wasserstoff und Wärme für ein örtliches Stahlunternehmen erzeugen soll; im Rahmen des zweiten Projekts werden Fertigungslinien für Elektrolyseure und Brennstoffzellenkomponenten gefördert, die es ermöglichen sollen, die Gesamtbetriebskosten elektrochemischer Geräte für die Umwandlung von Strom in Wasserstoff und vice versa zu senken.
Nationale Wasserstoffstrategie 2.0
Die Förderung kommt den Klimazielen der Ampelregierung entgegen, die sie durch den angestrebten „Hochlauf“ der Wasserstofftechnologie in Deutschland erreichen will. „Wasserstoff ist die nächste große Geschichte, die wir brauchen, um Deutschland zu dekarbonisieren“, sagte Robert Habeck anlässlich der Verabschiedung der Fortschreibung der Nationalen Wasserstoffstrategie durch das Bundeskabinett am 26. Juli.
Die Nationale Wasserstoffstrategie setzt den Handlungsrahmen zu Erzeugung, den Transport und die Nutzung von Wasserstoff und seinen Derivaten. Das nationale Ausbauziel der Elektrolyseleistung soll gemäß den Vereinbarungen des Koalitionsvertrags von fünf auf mindestens zehn Gigawatt bis zum Jahr 2030 angehoben werden. Einstweilen sollen 50 bis 70 Prozent des Bedarfs an Wasserstoff über Importe gedeckt werden. Während des Markthochlaufs soll auch die Anwendung blauen, türkisen und orangenen Wasserstoffs aus Erdgas beziehungsweise Abfallstoffen gefördert werden.
Vor allem dieser Punkt stößt bei Umweltverbänden auf Kritik: „Die Technologieoffenheit im Rahmen des Markthochlaufs ist ein Irrweg, der neue fossile Lock-In-Effekte schafft“, hieß es in einem gemeinsamen Pressebriefing des DNR mit WWF, NABU, BUND, Germanwatch, dem Umweltinstitut München, der DUH und Greenpeace Deutschland. Neben den Leitprinzipien „Effizienz und Suffizienz“ müsse strikt zwischen den verschiedenen Verfahren unterschieden werden: „Wasserstoff darf nur als grün gelten, wenn Elektrolyseure mit zusätzlicher oder ansonsten abgeregelter erneuerbarer Energie betrieben werden. Wenn Grünstrom dem regulären Strommarkt entnommen wird, ohne zusätzliche erneuerbare Erzeugungskapazitäten für die Elektrolyse zu schaffen, müssen fossile Kraftwerke höhere Volllaststunden fahren, um den Stromverbrauch an anderer Stelle zu decken. Das macht den Klimaschutz zunichte“, so der DNR.
Der WWF bemängelte, es fehlten in der Wasserstoffstrategie „strikte Regeln für den Einsatz lediglich grünen Wasserstoffes und die Beschränkung auf Einsatzgebiete, in denen aktuell keine direkte Elektrifizierung möglich ist.“
Von einer „riesigen verpassten Chance“ spricht zudem die Deutsche Umwelthilfe . Die Bundesregierung habe es versäumt, grüne Technologien bei der Transformation der Energiesysteme klar zu priorisieren und Klimaschutz verbindlich durchzusetzen.
Unterdessen kritisierte die EU-Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ACER) am 17. Juli sowohl die "beispiellos hohen" Investitionskosten und den übermäßigen Umfang der vorgeschlagenen Gasinfrastruktur im Entwurf des Zehn-Jahres-Netzentwicklungsplans (TYNDP) für den Gas- und Wasserstoffsektor. Wasserstoffprojekte, die zum ersten Mal im TYNDP enthalten sind, sind der Grund für den beträchtlichen Anstieg der geschätzten Investitionsausgaben - insgesamt 110 Milliarden Euro, wobei etwa 70 Prozent dieser Kosten auf Wasserstoff entfallen.
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