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„Die Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser ist Teil der Daseinsvorsorge“
News | 07.09.2022
#Rohstoffe und Ressourcen #Wasser und Meere

„Die Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser ist Teil der Daseinsvorsorge“

Sprudelnder Wasserhahn
© c.pixabay_jonas kim
Sprudelnder Wasserhahn

Weltweit steigen Anzahl und Dauer von Dürreperioden. Am stärksten betroffen ist laut den Vereinten Nationen (UN) Afrika. In ganz Europa – auch in Deutschland – brennen Wälder und Flüsse trocknen aus. Im Juli schlug der Deutsche Städte- und Gemeindebund Alarm: In einigen Teilen der Republik drohe Wasserknappheit. Industrie, Landwirtschaft und Privathaushalte verbrauchen zu viel des kostbaren Guts. Einzelne Kommunen haben bereits das Gießen von Gärten und Autowaschen eingeschränkt. Wie weniger Wasser verschwendet und dafür gespart werden kann, und welche Maßnahmen für eine kluge Gewässerschutzpolitik unabdingbar sind, erklärt Martin Weyand im Interview.

Was ist am dringendsten erforderlich, damit auch zukünftig ausreichend sauberes Wasser aus den Hähnen fließt?

Das Trinkwasser in Deutschland ist von höchster Qualität. Damit das auch so bleibt, müssen wir besonders sorgsam damit umgehen. Verschmutzungen, zum Beispiel durch Nitrateinträge oder Arzneimittelrückstände, sollten dringend verringert werden. Gerade mit Blick auf Hitzeperioden wird es immer wichtiger, die Grundwasserqualität zu sichern. Je weniger Wasserressourcen verschmutzt werden, desto mehr Grundwasser und Oberflächenwasser steht zur Verfügung.

Ein großes Problem sind Arzneimittelrückstände im Abwasser. Allein das Schmerzmittel Diclofenac verursacht Umweltreinigungskosten in Höhe von rund 1,5 Milliarden Euro, wie Ihr Verband ausgerechnet hat. Diese Kosten trägt die Allgemeinheit über die Gebühren für Trinkwasser und die Aufbereitung in Kläranlagen. Ist das fair?

Die Überalterung der Gesellschaft und der steigende Pro-Kopf-Verbrauch an Medikamenten führen laut Studien zu einem Anstieg des Medikamentenverbrauchs um bis zu 70 Prozent bis 2045. Die Folge sind massive Kostenbelastungen durch die Einführung von zusätzlichen Reinigungsstufen für Kläranlagen. Diese Kosten dürfen nicht zu Lasten von Verbraucherinnen und Verbrauchern gehen, sondern müssen von den verantwortlichen Herstellern getragen werden. Der BDEW schlägt deshalb die Einführung eines sogenannten Fondsmodells vor: Dabei werden die Hersteller von Arzneimitteln sowie anderen eingetragenen Stoffen verursachergerecht an der Finanzierung von Reinigungsleistungen beteiligt. Ziel ist es, entsprechend der Schädlichkeit von Stoffen einen Anreiz zu bieten, Stoffeinträge zu vermeiden oder zu reduzieren. Nur wenn die Hersteller im Sinne einer Herstellerverantwortung für die von ihnen verursachte Verschmutzung zahlen müssen, schaffen wir wirksame Anreize zur Verminderung von Einträgen. Dies sollte insbesondere im Rahmen der Novellierung der kommunalen EU-Abwasserrichtlinie umgesetzt werden.

Martin Weyand, BDEW
Je weniger Wasserressourcen verschmutzt werden, desto mehr Grundwasser und Oberflächenwasser steht zur Verfügung.
Martin Weyand/Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW)
Hauptgeschäftsführer Wasser/Abwasser

Ein Vorschlag zur Bewältigung der Energiekrise ist, bei niedrigeren Temperaturen zu duschen. Wie sollte die Temperatur zur Warmwasserbereitung eingestellt sein, damit die Hygiene gewährleistet ist und sich keine Legionellen bilden?

Aus hygienischen und gesundheitlichen solle die Kesseltemperatur regelmäßig auf 60 Grad Celsius erhitzt werden, um zu gewährleisten, dass keine Infektion über Legionellen erfolgen kann. Ansonsten besteht insbesondere beim Duschen die Gefahr einer möglichen Infektion.

Von den durchschnittlich 127 Litern Wasser, die eine Person in Deutschland täglich verbraucht, werden 36 Prozent fürs Duschen verwendet. Ihr Verband hat Tipps veröffentlicht, wie Verbraucher*innen hier sparen können. Was ist darüber hinaus notwendig und technisch machbar, damit weniger kostbares Trinkwasser in den Ausguss fließt?  

Wassersparende Armaturen in Küche, Toilette und Bad können den Wasserverbrauch um bis zu 50 Prozent reduzieren. Zudem ist Duschen deutlich wasser- und auch energiesparender als Baden. Denn zur Befüllung einer Badewanne werden 150 bis 170 Liter Wasser benötigt, für eine fünfminütige Dusche nur rund 70 Liter. Mit Blick auf Wasch- und Geschirrspülmaschinen sollten Verbraucherinnen und Verbraucher darauf achten, dass diese immer nur voll angeschaltet werden.

Klimaschutzminister Robert Habeck nimmt die Bürger*innen beim Energiesparen in die Pflicht. Wenn es hart auf hart kommt, müsste Gas womöglich rationiert werden. Müssen wir uns, vor dem Hintergrund der Klimakrise, beim Wasser bald auf ähnliche Entwicklungen einstellen?

Es ist wichtig, sorgsam und effizient mit dem Trinkwasser umzugehen. Wir brauchen einen Paradigmenwechsel im Umgang mit Regenwasser, um Ressourcen zukünftig besser zu nutzen. Der häufigste Grund für technische Engpässe in der Trinkwasserversorgung ist allerdings nicht Wassermangel, sondern, dass zu viel Wasser auf einmal angefordert wird. Bei großer Hitze steigt der Bedarf der Haushalte um 40 bis 60 Prozent. Die Menschen bewässern ihren Garten, duschen häufiger und immer mehr Haushalte besitzen Pools, die mit mehreren Tausend Litern Wasser befüllt werden. Das kann die Systeme überfordern, deren Pumpleistung, Aufbereitungs- oder Leitungs- und Hochbehälterkapazitäten auf einen niedrigeren Bedarf zugeschnitten sind. Können diese Systeme nicht mehr genügend Wasser pro Zeiteinheit weiterleiten, müssen Gemeinden kurzfristig Gartenbewässerung und Poolbefüllungen untersagen. Das gibt den Speichern Zeit, sich wieder zu füllen und die Trinkwasserversorgung zu sichern. Denn die hat absolute Priorität. Um die Trinkwasserversorgung auch in Zukunft flächendeckend zu gewährleisten, muss in einigen Regionen die Infrastruktur gestärkt und ausgebaut werden. Wir brauchen deshalb ein Investitionsbeschleunigungsgesetz für die Wasserwirtschaft.

Um die Trinkwasserversorgung auch in Zukunft flächendeckend zu gewährleisten, muss in einigen Regionen die Infrastruktur gestärkt und ausgebaut werden. Wir brauchen deshalb ein Investitionsbeschleunigungsgesetz für die Wasserwirtschaft.
Martin Weyand, BDEW
Hauptgeschäftsführer Wasser/Abwasser

Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft hat vor einem Jahr eine Wasserstrategie für Deutschland erarbeitet, die im Einklang mit Umwelt- und Klimapolitik stehen soll. Eine Nationale Wasserstrategie, die das regeln soll, will die Bundesregierung voraussichtlich Ende dieses Jahres verabschieden. Wie lauten Ihre Hauptforderungen?

Der Handlungsbedarf für die Politik bei den Themen der Wasserwirtschaft ist groß. Über die Umsetzung des Vorsorge- und des Verursacherprinzips, um Gewässer vor Spurenstoffen zu schützen, haben wir ja bereits gesprochen. Wichtig ist auch, die Belastung der Gewässer durch Nitrat zu senken. Die EU-Nitratrichtlinie muss deshalb endlich vollumfänglich in deutsches Recht umgesetzt werden. Mit Blick auf den Klimawandel ist es zudem dringend erforderlich, der öffentlichen Trinkwasserversorgung einen Vorrang bei der Trinkwassernutzung einzuräumen. Die Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser für den menschlichen Gebrauch muss bei der Nutzung von Trinkwasserressourcen immer an erster Stelle stehen. Sie ist Teil der Daseinsvorsorge.

Der Sommer 2022 ist von Trockenheit geprägt, im vergangenen Jahr haben Sie angesichts der Hochwasserkatastrophen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz gemeinsam mit dem DNR ein Thesenpapier veröffentlicht. Darin fordern Sie unter anderem, das Regenwassermanagement zu stärken und die Flächenversiegelung zu stoppen. Was bedeutet das konkret?

Die Folgen des Klimawandels wie zunehmende Trockenperioden und Starkregenereignisse stellen auch die Wasserwirtschaft vor neue Herausforderungen. Die Hochwasserkatastrophe im vergangenen Jahr hat uns erneut eindrücklich vor Augen geführt, welchen Schaden und welches Leid Extremwetterereignisse anrichten können. Deshalb sind unter anderem ein angepasstes Regenwassermanagement und die Berücksichtigung wasserwirtschaftlicher Anforderungen bei der städtebaulichen Planung notwendig. Im Vordergrund muss dabei stehen, den Wasserrückhalt in der Fläche zu verbessern, die Flächenversiegelung zu stoppen und den Flüssen wieder mehr Raum zu geben. Durch die Anlage von Flutrinnen, Retentionsräumen oder durch multifunktionale Flächennutzung können die Auswirkungen von Starkregenereignissen im urbanen Raum wesentlich abgemildert werden. Eine nachhaltige Gewässerschutzpolitik muss auch die Möglichkeiten verbessern, Wasserressourcen zu erneuern. Für die Grundwasserneubildung ist es wichtig, die schnelle Abführung von Wasser durch Drainagensysteme zu vermindern und Sickerungsmöglichkeiten zu schaffen. Dafür braucht es einen interdisziplinären Ansatz, der zum Beispiel bauliche Maßnahmen mit dem Gewässerschutz verbindet.

Zum Schluss eine persönliche Frage: Was trinken Sie lieber – Wasser aus dem Hahn oder aus der Flasche vom Supermarkt?

Ich bevorzuge auf jeden Fall Leitungswasser. Trinkwasser aus dem Hahn ist ein hervorragendes Lebensmittel von herausragender Qualität und steht allen Haushalten rund um die Uhr verpackungsfrei und ohne zusätzlichen Transportaufwand zur Verfügung. In Deutschland kostet ein Liter Leitungswasser durchschnittlich 0,2 Cent pro Liter. Leitungswasser ist damit nicht nur ein streng kontrolliertes, sondern auch günstiges Lebensmittel.

Das Interview führte Marion Busch.

Der Interviewpartner

Martin Weyand ist Diplom-Volkswirt und Mitglied der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Er leitet den Geschäftsbereich Wasser/Abwasser.

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