Entscheidung gefallen: Wolf bald weniger gut geschützt
Umweltverbände haben harsche Kritik an der Entscheidung geübt, den Schutzstatus‘ des Wolfes in der Berner Konvention herabzusetzen. Der Ständige Ausschuss der Berner Konvention hatte am 3. Dezember einem entsprechenden EU-Antrag zugestimmt. Ein „schwerwiegender Fehltritt ohne solide wissenschaftliche Grundlagen“ aus Sicht der Organisationen.
Europäisches Umweltbüro, WWF, BirdLife Europe sowie ClientEarth ließen kein gutes Haar an der Entscheidung, im Rahmen der Berner Konvention eine Herabstufung des Wolfes zu ermöglichen. Die Berner Konvention ist das Übereinkommen über die Erhaltung der europäischen wildlebenden Pflanzen und Tiere und ihrer natürlichen Lebensräume.
Damit ignorierten die EU-Mitgliedstaaten, auf deren Antrag der Ausschuss entschied, die Appelle von mehr als 300 zivilgesellschaftlichen Organisationen, der Large Carnivore Initiative for Europe und Hunderttausenden von Bürgerinnen und Bürgern, die auf wissenschaftlich fundierte Maßnahmen zur Förderung der Koexistenz mit Großraubtieren drängten. Stattdessen unterstützten sie „politisch motivierte Entscheidungen, die offenbar von persönlichen Gründen beeinflusst sind, nachdem das Pony von Kommissionspräsidentin von der Leyen im Jahr 2022 von einem Wolf getötet wurde“, so die Verbände.
Dabei erlaube die EU bereits jetzt einen verantwortungsvollen Umgang mit Wölfen, einschließlich der Entnahme, falls erforderlich. Dennoch hatte die Europäische Kommission im Dezember 2023 vorgeschlagen, den Schutz der Wölfe unter dem Vorwand des Raubbaus an Nutztieren zu schwächen. Dies geschah nach einem Konsultationsprozess, der laut ClientEarth fehlerhaft war und nun von der EU-Ombudsstelle untersucht wird.
Die Herabstufung berge die Gefahr, dass die sozialen Gräben vertieft werden, anstatt konstruktive Lösungen zu fördern, kritisieren die Verbände. Die Wolfspopulationen hätten sich gerade erst erholt, nachdem sie in den meisten Teilen Europas ausgestorben waren. Anstatt Spannungen abzubauen, könnte diese Entscheidung die Polarisierung verschärfen und das Vertrauen in Naturschutzbemühungen untergraben. Ein „transparenter und wissenschaftlich fundierter Ansatz“ sei für die Aufrechterhaltung der Glaubwürdigkeit und Wirksamkeit des Übereinkommens unerlässlich und für andere Governance-Maßnahmen im EU-Recht vorbildhaft.
Florencia Sanchez Acosta vom Europäischen Umweltbüro sagte, dass Europa „robuste Durchsetzungsmechanismen für den Umweltschutz“ brauche und „nicht ein schwaches Governance-System, das Rechtsunsicherheit fördert und die Wissenschaft missachtet“. Ähnlich argumentierte Sabien Leemans vom WWF-Europabüro: „Die Herabstufung des strengen Schutzstatus einer Art zum politischen Vorteil einiger weniger, entgegen den wissenschaftlichen Erkenntnissen, setzt jahrzehntelange Schutzbemühungen aufs Spiel. Nun wird die Europäische Kommission wahrscheinlich die gleiche Änderung an der wichtigsten Habitat-Richtlinie der EU vorschlagen, mit möglichen negativen Folgen weit über den Wolf hinaus. Wir werden diesen Prozess genau beobachten und die politischen Entscheidungsträger der EU auffordern, die Wissenschaft wieder in die Debatte einzubeziehen.“
Der Beschluss tritt drei Monate nach der Entscheidung in Kraft, die EU-Kommission müsste dann eine entsprechende Anpassung der EU-Rechtsetzung (Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie beziehungsweise deren Anhänge) entwerfen, die dann wiederum Rat und Parlament bestätigen müssen. Die vollständige Umsetzung in EU-Recht dürfte also noch etwas dauern. [jg]
Bern Convention Standing Committee approves EU proposal to modify wolf protection sowie Seite zum 44. Treffen.
EEB et al.: Nature under attack: Bern Convention weakens wolf protection