Neuer Vorschlag zu neuer Gentechnik
Die polnische Ratspräsidentschaft präsentiert einen angepassten Entwurf zur Deregulierung neuer Gentechnik. Die umstrittene Patentfrage soll darin gelöst werden. Der Vorschlag werde den Herausforderungen nicht gerecht, kritisieren Umweltorganisationen.
Mit Beginn des neuen Jahres hat Polen die EU-Ratspräsidentschaft übernommen. Schon kurz darauf zirkulierte ein neuer Vorschlag der Ratspräsidentschaft zum Umgang mit neuen gentechnischen Verfahren (NGT) wie CRISPR/Cas. Der vorgelegte Kompromissvorschlag soll den Stillstand in den Diskussionen zur Neujustierung des Gentechnikrechts beenden. Der umstrittene Verordnungsvorschlag zur Deregulierung neuer Gentechnik hängt seit Monaten im EU-Rat fest. Das EU-Parlament ist hingegen bereits seit dem Frühjahr 2024 bereit für den Trilog (EU-News vom 15.02.2024). Einer der zentralen Knackpunkte: die Patentierung. Der polnische Vorstoß vom 7. Januar soll nun eine Lösung für die Patentregelung bringen.
Knackpunkt: Patente
Für viele Mitgliedstaaten, darunter Polen, war die ungeklärte Patentfrage bislang ein Hindernis, um dem Verordnungsentwurf der EU-Kommission vom Sommer 2023 zuzustimmen. Der neue Kompromissvorschlag sieht nun vor, dass Saatgut patentierter NGT-Pflanzen gekennzeichnet werden muss. Den EU-Mitgliedstaaten soll es zudem erlaubt sein, den Anbau mit neuer Gentechnik veränderter Pflanzen zu regulieren („Opt-out“-Maßnahmen). Laut Informationsdienst Gentechnik soll im neuen Vorschlag unterschieden werden zwischen „NGT-Pflanzen und Produkten, die frei von allen patentrechtlichen Ansprüchen sind, sowie solchen, für die Patente von EU-Mitgliedstaaten oder vom Europäischen Patentamt erteilt oder dort beantragt wurden“. Die Hersteller würden dazu verpflichtet, entsprechende Angaben zu machen. Das Saatgut der NGT-Pflanzen würde zusätzlich zur Angabe „Kategorie NGT 1“ auch mit „patentgeschützt“ oder „Patent angemeldet“ gekennzeichnet werden.
Testbiotech: „schwacher Vorschlag"
Erste Reaktionen auf den polnischen Entwurf fallen ablehnend aus. Das Institut für unabhängige Folgenabschätzung in der Biotechnologie (Testbiotech) macht deutlich, dass der Vorschlag dem Patentproblem nicht gerecht werde und Umweltrisiken durch NGT-Pflanzen weiterhin ignoriert würden. Es sei ein „schwacher Vorschlag“. Laut Testbiotech erfordere eine wirkliche Lösung der Patentfrage eine Absicherung, dass nur gentechnisch veränderte Pflanzen patentiert werden können. Und dafür wäre eine Präzisierung der EU-Patentrichtlinie nötig. Zudem sei eine Initiative erforderlich, die Patente auf Pflanzen und Tiere gemäß internationalem Recht generell verbiete.
BUND: unkontrollierte Freisetzung verhindern
Auch für den Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sei der polnische Vorstoß noch weit davon entfernt, die nötigen Verbesserungen zum Umgang mit NGT-Pflanzen zu liefern. Denn die „Veränderung und Freisetzung von Wildpflanzen wäre so weiterhin möglich“, was Ökosysteme und die Natur gefährde, so Pia Voelker, Expertin für Gentechnikpolitik beim BUND. Die Frage wie die breite Patentierung von Pflanzen und Pflanzenmaterial zu verhindern sei, bliebe weiter unbeantwortet. Die Umwelt müsse vor unkontrollierter Freisetzung von nicht rückholbaren Organismen geschützt werden. Wie zahlreiche Verbände aus Landwirtschaft, Umweltschutz, Verbraucher*innenschutz und Ernährungswirtschaft plädiert Voelker für „Kennzeichnung, Rückverfolgbarkeit und eine Risikoprüfung für alle gentechnisch veränderten Pflanzen – auch die aus Neuen Gentechniken.“ (Positionspapier von über 130 Organisationen zu neuer Gentechnik)
Landwirtschaft: Vorsorgeprinzip sichern
Landwirtschaftsverbände wie die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) und die katholische Landvolkbewegung haben am 9. Januar ihr Forderungen nach der strikten Regulierung neuer Gentechnik in einem gemeinsamen Positionspapier erneuert. Claudia Gerster, Bäuerin und Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) kommentierte den Vorschlag der polnischen Ratspräsidentschaft: Solange Grundanforderungen wie Koexistenz- und Haftungsregelungen, die Sicherung der gentechnikfreien Erzeugung entlang der gesamten Wertschöpfungskette, die Risikoprüfung aller NGTs sowie die Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung bis zum Endprodukt nicht erfüllt seien, „ist der Gesetzesvorschlag abzulehnen – im Sinne des EU-Vorsorgeprinzips, zur Sicherung unserer gentechnikfreien Wettbewerbsvorteile und unserer bäuerlichen Betriebe.“
Bereits am 20. Januar soll der polnische Vorschlag in einer EU-Arbeitsgruppe der Mitgliedstaaten zu Gentechnik in der Landwirtschaft (Working Party on Genetic Resources and Innovation in Agriculture) diskutiert werden. [bp]
Informationsdienst Gentechnik: Polen schlägt Patentregelung für neue Gentechnik vor
BUND: Neue Gentechniken benötigen klare Regeln
AbL: Vorschlag der polnischen Ratspräsidentschaft zu neuen Gentechniken unzureichend