Rote Liste Süßwasser: ein Viertel der Organismen vom Aussterben bedroht
Süßwasserfischen, Libellen und Krebsen geht es schlecht. Die Weltnaturschutzunion (IUCN) hat am 8. Januar die bisher größte globale Bewertung von Süßwassertieren auf der Roten Liste der bedrohten Arten veröffentlicht. Demnach sind 24 Prozent der Organismen akut vom Aussterben bedroht. Die Studie wurde in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht.
Die unter anderem von der IUCN erarbeitete Analyse umfasst Süßwasserfischarten, Libellen, Wasserjungfern, Krebse und Garnelen. 4.294 der 23.496 Süßwasserarten - also rund ein Viertel - sind akut vom Aussterben bedroht. Mit 30 Prozent am stärksten bedroht sind der Studie zufolge die Zehnfußkrebsarten. Bei den Süßwasserfischen sind es 26 Prozent, bei den Libellen 16 Prozent. Die Studie enthält auch gezielte Maßnahmen, um weiteres Aussterben zu verhindern, und die Forderung an Regierungen und Industrie, diese Daten für die Wasserbewirtschaftung und schützende politische Maßnahmen zu nutzen. In der Studie wird festgestellt, dass die untersuchten bedrohten Süßwassertiere zwar in der Regel in denselben Gebieten leben wie bedrohte Amphibien, Vögel, Säugetiere und Reptilien, dass sie aber aufgrund ihrer spezifischen Lebensräume unterschiedlichen Bedrohungen ausgesetzt sind. Die Schutzmaßnahmen müssen daher gezielt auf diese Arten ausgerichtet werden.
Zu den häufigsten Bedrohungen gehörten Verschmutzung, Staudämme und Wasserentnahme. Mehr als die Hälfte aller bedrohten Süßwassertiere seien laut Studie von Verschmutzungen betroffen, die hauptsächlich aus der Land- und Forstwirtschaft stammten. Aber auch invasive Arten und Überfischung könnten zum Aussterben führen. So wurde beispielsweise der Karpfen Squalius palaciosi, der zuletzt 1999 gesehen wurde, in diesem Jahr für ausgestorben erklärt, weil sein Lebensraum durch den Bau von Dämmen und Wehren und die Einführung invasiver gebietsfremder Arten in Südspanien verloren ging.
Kriterien wie die Wasserverfügbarkeit oder die Nährstoffbelastung böten allein keine verlässlichen Vorhersagen über den Gefährdungsgrad aquatischer Lebewesen. So wiesen Gebiete mit hohem Wasserbedarf und geringem Wasserangebot oder mit hoher Nährstoffbelastung nicht automatisch einen höheren Anteil gefährdeter Arten auf als Gebiete mit geringerem Wasserstress und weniger Eutrophierung. Neben diesen beiden Faktoren müssten also noch andere Ursachen für den Biodiversitätsverlust eine Rolle spielen, was auch andere Studien bereits gezeigt hätten, kommentierte das Leibniz-Institut für Gewässerbiologie und Binnenfischerei (IGB). Dazu zählten vor allem der Verlust von Lebensräumen, die Einschleppung invasiver, gebietsfremder Arten und die Querverbauung von Fließgewässern durch Wasserkraftanlagen.
Ebenfalls besonders gefährdet: Europas wandernde Fischarten
Die Populationen wandernder Süßwasserfischarten in Europa sind allein zwischen 1970 und 2016 um 93 Prozent zurückgegangen (EU-News 30.07.2020). Der IGB-Forscher Jörn Geßner, Mitautor der Studie und Koordinator eines Projektes zur Wiederansiedlung der Störe in Deutschland und anderen Wiederansiedlungsprojekten weltweit, sagte: „Die aktuell beschriebene Krise der Süßwasserfauna wirft ein düsteres Licht auf den Umgang des Menschen mit den natürlichen Ressourcen. Das Ergebnis ist nicht überraschend. Ohne ein Umdenken in der Bewirtschaftung der Süßwasserressourcen und ohne einen wirksamen, prioritären Natur- und Artenschutz wird sich der hier beschriebene Trend weiter verstärken und die Artenvielfalt rapide abnehmen.” Nur mit einem wirksamen Schutz der Lebensräume könne der Artenschutz langfristig erfolgreich sein. Leider sei es noch nicht überall „angekommen, dass wir dabei sind, nicht irgendwelche Arten, sondern unsere Lebensgrundlagen zu zerstören“, so Geßner.
In einem im September veröffentlichten Wasserhandbuch für 2024-2029 haben Umweltorganisation der zweiten EU-Kommission unter Ursula von der Leyen den Schutz der Gewässer, den Kampf gegen Wasserknappheit und -verschmutzung sowie die Gesundheit der Bevölkerung auf die Agenda gesetzt (EU-News 02.10.2024). Zu den Hauptforderungen gehört die Beibehaltung strenger Umweltstandards, einschließlich der Wasserrahmenrichtlinie, sowie der Schutz und die Verbesserung der Vernetzung von Flüssen zur Erhaltung der Wasserqualität und die Stabilisierung und Renaturierung der Süßwasserökosysteme.
Auch der Anfang Januar veröffentlichte Wasseratlas von Heinrich Böll Stiftung und BUND zeigt, von wievielen unterschiedlichen Sektoren und Faktoren die Wasserressourcen bedroht sind. [jg]
IUCN: One quarter of freshwater animals at risk of extinction
IGB: Rote Liste der IUCN: Ein Viertel der Tierarten im Süßwasser ist vom Aussterben bedroht
60 Jahre Rote Liste: Social-Media-Kampagne
Anlässlich des 60. Jahrestages der Roten Liste der IUCN haben die IUCN und die Partner der Roten Liste eine globale Social-Media-Kampagne gestartet, um das Bewusstsein und die Mittel für eine beschleunigte Bewertung und Neubewertung von Arten zu erhöhen. Die Kampagne wird auf dem IUCN World Conservation Congress in Abu Dhabi im Oktober 2025 ihren Höhepunkt erreichen. Erfahren Sie mehr über die Kampagne:
Iconic Species • IUCN Red List of Threatened Species