Ernährungssicherung durch Verzicht auf Agrokraftstoffe statt Aussaat auf ökologischen Vorrangflächen
Nachdem die EU-Kommission vergangene Woche ihre Vorschläge zur Gewährleistung der Ernährungssicherheit und Unterstützung der Landwirtschaft angesichts des Ukraine-Krieges vorgestellt hat [EU-News 24.3.22], hält die Diskussion um die Auswirkungen der vorgeschlagenen Maßnahmen an. Auch die Abgeordneten des Europäischen Parlaments stimmten am 24. März einer Entschließung zu, die eine Steigerung der Produktion anstrebt. Obwohl Kommission und Parlament sich zu den Zielen der Farm-to-Fork-Strategie bekennen, kritisieren Umweltverbände die Schritte als falsche Weichenstellungen und Gefahr für die Erreichung der Klima- und Biodiversitätsziele des europäischen Green Deals.
Kritik an Verzögerungen und Freigabe ökologischer Vorrangflächen
Insbesondere die Verschiebung der Gesetzesvorschläge zur Wiederherstellung der Natur und zur Reduzierung von Pestiziden sorgt weiterhin für Kritik. Europäische Umweltorganisationen, darunter Friends of the Earth, WWF, BirdLife, das Europäische Umweltbüro (EEB) und PAN Europe fordern die Europäische Kommission auf, bis spätestens Ende Mai einen neuen Veröffentlichungstermin für die Richtlinie über die nachhaltige Verwendung von Pestiziden und das EU-Wiederherstellungsgesetz vorzulegen. Gut zusammengefasst wird die Problematik unter dem Titel „EU Institutions -Productivity Now, Environment Maybe Later“ von ARC2020.
Darüber hinaus wird auch aus der Wissenschaft Unverständnis über die Produktionsfreigabe auf ökologischen Vorrangflächen geäußert: Der Agrarökonom Otte Hansen von der Universität Kopenhagen sieht dem Informationsportal Agra-Europe zufolge darin „Panikreaktionen“ und nicht die richtige Lösung, da die Wirkung nur gering sei und sich voraussichtlich erst in ein bis zwei Jahren auf den Märkten zeige. Den unverhältnismäßig geringen Nutzen der Produktion auf ökologischen Vorrangflächen gegenüber dem Schaden für Habitate, Biodiversität und Ökosystemleistungen betonen auch die Wissenschaftler Jeroen Candel (Wageningen Uni Niederlande), Guy Pe’er (Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung Leipzig) und Sebastian Lakner (Uni Rostock) in ihrem offenen Brief an EU-Kommission und Parlament. Weder sei das Mittel gut zur Problemlösung geeignet, noch stehe der Nutzen im Verhältnis zu den damit einhergehenden Risiken..
Wie eine Kurz-Studie der Heinrich-Böll-Stiftung ergab, hätte eine Reduktion der Stilllegungsfläche in der EU nur einen kleinen Effekt auf den Weltmarktpreis für Getreide, da global betrachtet nur eine geringe zusätzliche Getreidemenge produziert würde.
Keine Lebensmittel für den Tank
Anstatt sich auf Produktionssteigerung zu konzentrieren, rückt zunehmend die Nachfrageseite und die Verwendung der Agrarprodukte in den Fokus. Neben der Getreideproduktion für die Tierhaltung wird die Flächenbeanspruchung durch den Anbau für Agrokraftstoffe kritisiert. Einem Bericht von Transport & Environment zufolge werden in Europa weiterhin täglich 10.000 Tonnen Weizen zu Ethanol verarbeitet, um die Beimischungspflicht für Kraftstoffe zu erfüllen. Die Reduktion der Verwendung von Weizen für EU-Kraftstoffen auf null, würde über 20 Prozent der gesamten Weizenexporte der Ukraine kompensieren, schätzt T&E. [bp]
EEB zu Wiederherstellungsgesetz
Agra-Europe zu ökologischen Vorrangflächen
Bericht Transport & Environment