EU-Chemikalienstrategie: Verschoben ist gleich aufgehoben?
Wie der Nachrichtendienst Chemical Watch am Dienstag berichtete, steht die EU-Strategie für eine nicht-giftige Umwelt offenbar auf der Kippe. Widerstände aus der Kommission und der Industrie scheinen eine Veröffentlichung der Strategie zu verhindern.
Bisher hieß es, die bereits seit Ende 2018 überfällige Strategie werde der neuen EU-Kommission überlassen, die sie bis Ende dieses Jahrs veröffentlichen würde. Nun stellt sich heraus, dass einige Vertreter*innen der EU-Exekutive nicht damit rechnen, dass die Strategie überhaupt noch das Licht der Welt erblickt. Die Uneinigkeiten innerhalb der Kommission über Umfang und Ziele seien zu groß, außerdem sei die Strategie inzwischen „überholt und irrelevant“. So zitierte die Nachrichtenplattform Chemical Watch Quellen aus der Kommission. Insbesondere die Generaldirektion Wachstum wehre sich dagegen, dass Ziele für eine sicherere Chemikalienpolitik und Verbote schädlicher Stoffe „unerreichbare Ziele für die Industrie setzen und die Wettbewerbsfähigkeit der EU“ gefährden würden.
Auch Vertreter der Chemikalienindustrie schossen vergangene Woche offen gegen die Strategie. „Wir brauchen keine neue Gesetzgebung, wir brauchen keine nicht-giftige Umwelt. Sorry, Umweltminister, wir mögen den Begriff nicht und wir brauchen ihn nicht“, erklärte der EU-Cheflobbyist der Chemieindustrie Marco Mensink auf einer Konferenz. Die Mitglieder des Umweltrats hatten die Kommission vergangene Woche aufgefordert, die Strategie ohne weitere Verzögerungen zu entwickeln (siehe EU-Umweltnews vom 27.06.).
NGO-Vertreter*innen reagierten schockiert auf die Aussagen von Kommission und Industrie. Umweltverbände drängen seit langem auf eine Veröffentlichung der Strategie, die europäische Bürger*innen und die Umwelt vor schädlichen Chemikalien schützen und sichere Alternativen fördern soll. Tatiana Santos, Referentin für Chemikalienpolitik beim Europäischen Umweltbüro, versprach, dass NGOs „bis zum Schluss“ um die Strategie kämpfen werden.
Die EU hatte sich im 7. Umweltaktionsprogramm selbst dazu verpflichtet, bis 2018 eine Strategie für eine nicht-giftige Umwelt (strategy towards a non-toxic environment) zu erstellen. Darin soll unter anderem festgelegt werden, wie sie langfristig gegen die Auswirkungen von endokrinen Disruptoren, Nanomaterialien oder Cocktaileffekte von Chemikalien vorgehen wird. Seitdem die Kommission im September 2017 einen vorbereitenden Bericht zur Strategie veröffentlicht hat, gab es keine weiteren Fortschritte. [km]
Artikel bei Chemical Watch (kostenpflichtig)
Schlussbericht zur Strategie für eine nicht-giftige Umwelt