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EU einigt sich auf Strommarkt-Reform
EU-News | 16.12.2023
#Klima und Energie

EU einigt sich auf Strommarkt-Reform

Strommasten
© pixabay
Strommasten

Das Europäische Parlament und der Rat haben den Trilog zur Strommarktreform abgeschlossen. Doch die Einigung stößt auf harsche Kritik von Umweltorganisationen und Parteien, die verpasste Chancen im Kampf gegen Klimakrise und Energiearmut beklagen.



Die EU-Mitgliedstaaten und das Europaparlament haben eine vorläufige Einigung über die Reform des Elektrizitätsmarktdesigns (EMD) erzielt, um Verbraucher vor starken Preisschwankungen zu schützen und den Ausbau erneuerbarer Energien zu fördern. Ziel der Reform ist es, die Abhängigkeit der Strompreise von fossilen Brennstoffen zu verringern, den Einsatz erneuerbarer Energien zu beschleunigen und den Verbraucher*innenschutz zu verbessern. Ein zentraler Aspekt der Einigung sind Differenzverträge (Contracts for Difference, CfDs), die Investitionen in neue Anlagen zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen fördern sollen.

Die wichtigsten Punkte der Einigung sind:

Differenzverträge für erneuerbare Energien: Die Mitgliedstaaten einigten sich darauf, Differenzverträge für Investitionen in neue Anlagen zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen zu verwenden. Diese Verträge garantieren einen Mindestpreis für erzeugten Strom und sollen Anreize für den Ausbau sauberer Energie schaffen. Durch geschickte Verhandlung hat Frankreich im EU-Rat erreicht, dass dieses Instrument auch für bestehende Anlagen genutzt werden kann. Durch das sogenannte "Repowering" – die Erhöhung der Kapazität und die Verlängerung der Laufzeit bestehender Kraftwerke – besteht daher die Möglichkeit, auch Atomkraft staatlich zu fördern.

Kapazitätsvergütungsmechanismen: Die Reform macht Kapazitätsmechanismen zu einem strukturell ausgerichteten Element des Elektrizitätsmarkts. Es wurde jedoch eine Ausnahme von den CO2-Emissionsgrenzwerten für bereits genehmigte Kapazitätsmechanismen eingeführt.

Schutz vor Stromsperren: Maßnahmen wurden verstärkt, um schutzbedürftige und von Energiearmut betroffene Kunden vor Stromsperren zu schützen. Die Einigung sieht vor, dass Mitgliedstaaten die Stromzufuhr für diese Kunden nicht unterbrechen dürfen.

Strompreiskrise: Im Falle einer Strompreiskrise können die Mitgliedstaaten Maßnahmen ergreifen, um die Strompreise für schutzbedürftige und benachteiligte Kunden weiter zu senken. Dabei sollen unverhältnismäßige Verzerrungen auf dem Binnenmarkt vermieden werden.

Die vorläufige Einigung berücksichtigt auch die Möglichkeit für Mitgliedstaaten, den Bezug von Strom aus neuer Erzeugung aus erneuerbaren Quellen zu unterstützen und fördert die Freiwilligkeit bei standardisierten Verträgen. Zudem wurde die Agentur der Europäischen Union für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ACER) in die Überwachung der Strombezugsverträge einbezogen.

CAN Europe: Kohle und Atom kapern die Strommarktreform

Besonders die Ausnahme von den CO2-Emissionsgrenzwerten für bereits genehmigte Kapazitätsmechanismen stößt auf starke Kritik. Über eine Ausnahmeklausel soll es möglich sein, Kohle- oder Gaskraftwerke, die mehr als 550 Gramm CO2 pro Kilowattstunde emittieren, bis Ende 2028 zu fördern. Ursprünglich war geplant, diese besonders klimaschädlichen Kraftwerke bis 2025 stillzulegen. Michael Bloss, Schattenberichterstatter der Grünen/EFA-Gruppe und Verhandlungsführer zum Strommarktdesign, kritisiert dies als einen Widerspruch zu den Zielen des Pariser Abkommens und den Bestrebungen für eine umweltfreundliche Energiezukunft. Diese Entscheidung gefährde laut Bloss die Glaubwürdigkeit der EU als Vorreiterin im Klimaschutz. 

Auch die Umweltorganisation CAN Europe äußerte deutliche Kritik an der Einigung, die die Bemühungen zur Bewältigung der Klimakrise behindern und schädliche Subventionen für fossile Brennstoffe fortsetzen würde. „Es ist enttäuschend zu sehen, dass die EU buchstäblich einen Tag nachdem EU-Vertreter*innen bei der COP28 in Dubai kämpften, um internationale Anstrengungen zur Reduzierung fossiler Brennstoffe zu verbessern, nicht handeln kann. Die Unterstützung alter, umweltschädlicher Kohlekraftwerke und das Glücksspiel mit Atomkraft riskieren nicht nur weitere Verzögerungen für den europäischen Übergang zu erneuerbaren Energien, sondern setzen die Messlatte für andere Länder sehr niedrig, wenn es darum geht, fossile Brennstoffe auszuphasen”, so Marta Anczewska, Expertin für Energiesysteme und Energiepolitik bei CAN Europe. Die Organisation forderte eine verstärkte Fokussierung auf erneuerbare Energien und den kompletten Verzicht auf Subventionen für umweltschädliche Technologien. 

Die Linke kritisierte die Reform scharf, da sie grundlegende Probleme wie die Dominanz teurer Gaskraftwerke und die Subventionierung von Atomenergie nicht angehe. Martin Schirdewan forderte stärkere Maßnahmen gegen Energiearmut und prangert die deutsche Bundesregierung für unerfüllte Verpflichtungen an.

Die Einigung wurde am 14. Dezember 2023 bekannt gegeben und muss noch formell vom EU-Parlament und den Mitgliedstaaten gebilligt werden, bevor sie in Kraft treten kann. [ks]

 

Rat der EU (Pressemitteilung): Reform der Gestaltung der Elektrizitätsmärkte: Rat und Parlament erzielen Einigung

EU-Info: EU will Verbraucher besser vor schwankenden Strompreisen schützen

Tagesspiegel Background: EU einigt sich auf Strommarktreform (kostenpflichtig)

CAN Europe (Pressemitteilung): EU fails to walk the talk as coal and nuclear hijack the Electricity Market Design Reform

Die Linke (Pressemitteilung): EU-Stommarktreform: Energiearmut, Atommüll und Übergewinne bleiben

Michael Bloss (Pressemitteilung): EU-Strommarktreform: Kohlesubventionen gehen in die Verlängerung

DNR: EU-Rat erzielt Einigung über Strommarkt-Reform

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