EU-Energierat: Beschlüsse zu Fit for 55, Gasmarkt und Wasserstoff
Lastenteilung, LULUCF, Strommarktreserve: Der EU-Ministerrat hat „Fit for 55“-Vorschlägen zugestimmt. Es gibt außerdem einen Beschluss zum Gasmarkt einschließlich Wasserstoff und zur Gaseinsparung.
Beschlussfreudig endete das Treffen der europäischen Ministerinnen und Minister für Energie und Verkehr am 28. März in Brüssel.
Fit for 55
- Lastenteilung:Der Rat stimmte der neuen Lastenteilungsverordnung (ESR) zu. Darin enthalten ist das Ziel, für den inländischen Straßen- und Seeverkehr, Gebäude, die Landwirtschaft, die Abfallwirtschaft und kleine Gewerbebetriebe bis 2030 die Treibhausgasemissionen auf EU-Ebene gegenüber 2005 um 40 Prozent zu senken. Gebäude und Verkehr sollen sowohl unter den neuen Europäischen Emissionshandel (ETS) als auch unter die ESR fallen.
- Landnutzung, Landnutzungsänderungen und Forstwirtschaft (LULUCF): Die LULUCF-Verordnung die Emissionen und den Abbau von CO₂ aus der Atmosphäre bei der nicht-landwirtschaftlichen Nutzung von Böden, Bäumen, Pflanzen, Biomasse und Holz. Die Emissionen und der Treibhausgasabbau durch den LULUCF-Sektor werden im Gesamtklimaziel der EU für 2030 – 310 Millionen Tonnen CO₂‑Äquivalent für den Nettoabbau von Treibhausgasen auf EU-Ebene berücksichtigt. Zwischen 2026-2030 soll der Abbau den Ausstoß an Emissionen übertreffen und jeder Mitgliedstaat sollte ein verbindliches nationales Ziel für 2030 haben. Von 2026 bis 2029 müssen alle Mitgliedstaaten eine Summe der Nettoemissionen und des Nettoabbaus von Treibhausgasen erreichen. Auch das EU-Parlament hatte Mitte März über die LULUDF-Verordnung und konkrete Senkenziele für die Mitgliedstaaten gestimmt (EU-News 16.03.2023).
- Marktstabilitätsreserve: Der Rat stimmte außerdem der sogenannten Marktstabilitätsreserve zu, mit der dem Überschuss an Emissionszertifikaten begegnet werden soll, der sich seit 2009 im EU-Emissionshandelssystem (ETS) aufgebaut hat. Die erhöhte jährliche Einnahmerate von Zertifikaten (24 Prozent) wird über das Jahr 2023 hinaus verlängert, Änderungen im Zuge der Überarbeitung des ETS, die die Marktstabilitätsreserve betreffen, wurde damit ebenfalls beschlossen. Ziel ist es, die EU-Netto-Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 senken und im Jahr 2050 Klimaneutralität erreichen.
Die Rechtsakte müssen nun noch unterschrieben werden und treten nach Veröffentlichung im EU-Amtsblatt in Kraft. Der Rat hat auch die CO2-Flottengrenzwerte für Pkw und Vans beschlossen (EU-News 29.03.2023).
Gaseinsparung sowie Gas- und Wasserstoffmarkt
Gaseinsparung: Außerdem hat der Rat die Geltungsdauer des freiwilligen Ziels zur Senkung der Gasnachfrage um 15 Prozent um ein Jahr verlängert. Genauer gesagt soll zwischen dem 1. April 2023 und dem 31. März 2024 der Durchschnittsverbrauch um 15 Prozent gegenüber dem Durchschnitt zwischen 2017 und 2022 sinken. Die Mitgliedstaaten entscheiden selbst, mit welchen Methoden sie dies erreichen wollen. Zudem stimmte der Rat dafür, dass er einen „Unionsalarm“ zur Versorgungssicherheit auslösen kann – dann würde die Senkung der Gasnachfrage verpflichtend.
Dekarbonisierung der Wasserstoff- und Gasmärkte: Der Rat hat sich außerdem auf seine Verhandlungspositionen („allgemeine Ansätze“) zu einer Verordnung und einer Richtlinie geeinigt, die gemeinsame Binnenmarktregeln für erneuerbare Energien, Erdgas und Wasserstoff festlegen. Es geht darum, den Übergang des Gassektors zu erneuerbaren und kohlenstoffarmen Gasen, insbesondere Biomethan und Wasserstoff, zu gestalten, um die EU bis 2050 klimaneutral zu machen. Inhalte sind ein Regulierungsrahmen für spezielle Wasserstoffinfrastrukturen und -märkte, eine integrierte Netzplanung, Regeln für den Verbraucherschutz und die Stärkung der Versorgungssicherheit.
Der Rat hat Änderungen am Ursprungsvorschlag vorgenommen. Unter anderem hat der Rat die Definition des Begriffs „kohlenstoffarm“ um einen Verweis auf den in der Richtlinie über erneuerbare Energien festgelegten Vergleichswert für fossile Brennstoffe ergänzt. Laut Medienberichten hat sich Frankreich nicht mit der Idee durchgesetzt, Wasserstoff aus Atomkraft als erneuerbar anzusehen (Europe.Table). Die Übergangsphase für die Umsetzung der detaillierten Vorschriften für Wasserstoff soll bis 2035 verlängert werden. Der Rat hat außerdem die Regeln für Tarife und Tarifnachlässe für Wasserstoff und erneuerbare Gase, die Zugang zum Gasnetz suchen, präzisiert und den Mitgliedstaaten mehr Flexibilität bei der Festlegung dieser Tarife eingeräumt. Er unterscheidet zwischen Tarifnachlässen für erneuerbare (100 Prozent) und kohlenstoffarme Gase (75 Prozent) im Erdgasnetz. Für unterirdische Gasspeicher und LNG-Anlagen will der Rat eine 100-prozentige Ermäßigung auf die kapazitätsabhängigen Fernleitungs- und Verteilungstarife einführen. Die Energieminister*innen wollen die Beimischung von Wasserstoff in das Erdgasnetz in Höhe von bis zu 2 Volumenprozent (anstelle von 5 Volumenprozent) erlauben. Die Mitgliedstaaten sollen „verhältnismäßige Maßnahmen“ ergreifen dürfen, um die Einfuhren aus Belarus und Russland vorübergehend zu begrenzen. Außerdem will der Rat „stärkere“ und „bessere“ Bestimmungen für geografisch begrenzte Wasserstoffnetze, einige Ausnahmeregelungen für Mitgliedstaaten in „besonderen Umständen“ und Flexibilität bei der Einführung intelligenter Messsysteme. Änderungen schlägt der Rat außerdem bei verbraucherbezogenen Bestimmungen – nach eigener Einschätzung „unter Beibehaltung des hohen Anspruchs an den Kundenschutz“.
Nichtregierungsorganisationen plädieren für die Schaffung einer unabhängigen Stelle für den Aufbau eines Wasserstoffnetzes (Europäisches Netz der Wasserstoffnetzbetreiber - ENNOH) (EU-News 14.02.2023). Der Rat hat für die Entflechtung künftiger Wasserstoffnetze die vollständige eigentumsrechtliche Entflechtung als Standardmodell beibehalten. Das Modell des unabhängigen Übertragungsnetzbetreibers (bei dem Energieversorgungsunternehmen weiterhin Eigentümer und Betreiber der Netze sein können, aber eine Tochtergesellschaft einsetzen müssen) wollen sie aber unter bestimmten Bedingungen zulassen. [jg]
Paket „Fit für 55“: Rat verabschiedet Verordnungen über Lastenteilung sowie über Landnutzung und Forstwirtschaft
Council adopts decision on market stability reserve
Einigung der Mitgliedstaaten: Geltungsdauer des freiwilligen Ziels zur Senkung der Gasnachfrage um 15 % verlängert
Gas package: member states set their position on future gas and hydrogen market
Energie-News kurz & knapp
Deutschland und die Niederlande wollen beim Aufbau einer Wasserstoff-Wirtschaft und im Bereich Offshore zusammenarbeiten. Das haben beide Regierungen haben am 27. März auf einer gemeinsame Pressekonferenz bestätigt.
Die lobbykritische Organisation Corporate Europe hat kritisiert, dass hinter dem Wasserstoffboom in Deutschland eine mächtige Wirtschaftslobby stehe.