EU-Parlament killt Pestizid-Verordnung
Bis zur Unkenntlichkeit ausgehöhlt, dann abgelehnt. Das EU-Parlament weist die geplante Pestizid-Verordnung zurück. Konservative Mehrheit der Abgeordneten trägt ein Kernelement des Green Deals zu Grabe.
Herber Rückschlag für den europäischen Umweltschutz. Nach Monaten von Verzögerungen und langwierigen Verhandlungen kam es am 22. November bei der Plenarsitzung in Straßburg zur Komplettabsage: Bei der Abstimmung zur Verordnung zum nachhaltigen Einsatz von Pestiziden (Sustainable Use Regulation, SUR) lehnte eine Mehrheit der Abgeordneten die Verhandlungsposition des Parlaments rundweg ab. Selbst die Rücküberweisung in den federführenden Umweltausschuss wurde von einer Mehrheit aus Konservativen und Rechten, sowie Teilen der Sozialdemokraten und Liberalen verhindert. Die Überweisung hätte zumindest die weitere Verbesserung des Gesetzesvorschlags sowie eine erneute Befassung des Plenums ermöglicht. Doch nun gilt eines der Kernelemente des europäischen Green Deals als politisch tot. Die Pestizid-Verordnung sollte unter anderem das Ziel der Farm-to-Fork-Strategie, den Einsatz chemischer Pestizide bis 2030 um 50 Prozent zu reduzieren, verbindlich verankern.
Untragbare Abschwächungen
Bei der finalen Abstimmung votierten 299 Abgeordnete für die Ablehnung einer im Plenum geänderten Fassung. 207 Mitglieder des EU-Parlaments unterstützten den Vorschlag und 121 enthielten sich. Zuvor wurden in einem Abstimmungsmarathon mehr als 600 Änderungsanträge behandelt. Die zahlreichen Änderungen, viele davon von der Fraktion der Konservativen (EVP), führten zu erheblichen Abschwächungen des im Umweltausschuss erarbeiteten Textes, der bereits einen Kompromiss darstellte. Diesem weiter verwässerten Text wollten viele der Abgeordneten schließlich kein positives Votum erteilen und lehnten die stark zerlöcherte Fassung ab. Die Berichterstatterin zur SUR Sarah Wiener (Grüne/EFA, Österreich) benannte als gravierende Abschwächungen: „zahnlose Reduktionsziele“, Streichung des „Schutzes von Kindergärten, Schulen und Altenheimen“ in den sogenannten sensiblen Gebieten, die Löschung der finanziellen Unterstützung für Landwirtschaftsbetriebe bei der Pestizidreduktion sowie die Streichung des integrierten Pflanzenschutzes. Letztlich hätte der abgeänderte Text „weder Umwelt und Gesundheit geschützt, noch eine Veränderung in der Landwirtschaft angestoßen und damit keines der Ziele der SUR erfüllt“, so Wiener weiter.
Toxische Allianz
Umweltverbände reagierten entsetzt auf das „verantwortungslose“ Handeln des konservativen Lagers. Die Entscheidung des Parlaments zeige, dass eine Mehrheit aus Konservativen und Rechten „echte Fortschritte zur Eindämmung des Artensterbens“ ablehne, kommentierte DNR-Geschäftsführer Florian Schöne. Das Abstimmungsverhalten komme „einer Absage an den europäischen Green Deal gleich, der wichtigsten Errungenschaft der laufenden Amtszeit der EU-Kommission“, so Schöne weiter. Dies sei ein „schwarzer Tag“ für alle, „die an dem Schutz der Natur, von Gewässern und Böden und an der menschlichen Gesundheit interessiert sind“, ergänzte der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt. In den Diskussionen zur SUR haben zudem bis zuletzt auch tausende Wissenschaftler*innen und Millionen von Bürger*innen die Reduzierung von Pestiziden eingefordert. Vor diesem Hintergrund kommentierte Martin Dermine, Geschäftsführer des Pestizid-Aktions-Netzwerks (PAN Europe): „Indem das Europäische Parlament auf diese Forderungen nicht eingeht, sendet es ein negatives Signal an die Wähler*innen, was seine Fähigkeit angeht, sich mit wichtigen gesellschaftlichen Fragen zu befassen.“ [bp]