EU-Parlament: Windenergie auf See nicht auf Kosten der Fischerei
Nutzungskonflikten im Meer vorbeugen
Das EU-Parlament hat den „Initiativbericht über die Auswirkungen von Offshore-Windparks und anderen Systemen für die Gewinnung von Energie aus erneuerbaren Quellen auf die Fischerei“ des Berichterstatters Peter van Dalen (EVP, Niederlande) am Mittwoch mit großer Mehrheit angenommen.
Die Europaabgeordneten betonen im Bericht, dass „die potenziell negativen langfristigen Auswirkungen von Offshore-Windenergieanlagen auf bestimmte Ökosysteme, Fischbestände und die biologische Vielfalt und folglich auf die Fischerei insgesamt vermieden werden müssen“. Sie plädieren für einen Ansatz, bei dem der gesamte Lebenszyklus vom Bau über den Betrieb bis zur Stilllegung der Offshore-Anlagen berücksichtigt werde. Diese Anlagen sollten nur dann gebaut werden, wenn es garantiert keine negativen ökologischen, wirtschaftlichen, sozialen oder kulturellen Auswirkungen gebe.
Aus Sicht des Parlaments könne vor allem die Küsten- und Kleinfischerei, die 80 Prozent aller Fischereifahrzeuge in der EU ausmacht, durch die Installation neuer Windkraftanlagen im Meer beeinträchtigt werden. Die Mitgliedstaaten sollten daher Fischer*innen in solchen Fällen entschädigen und den Zugang zu Versicherungen für Schiffe erleichtern, die sich in Gebieten mit Offshore-Windparks aufhalten.
Der Bericht ist rechtlich nicht bindend.
Die EU-Kommission hatte im vergangenen Jahr eine EU-Strategie für erneuerbare Offshore-Energie als Teil des Europäischen Green Deals vorgelegt (EU-News vom 19.11.2020). Darin ist vorgesehen, die Windenergiekapazität auf See von derzeit 12 Gigawatt (GW) Leistung bis 2030 auf mindestens 60 GW und bis 2050 auf 300 GW auszubauen. Hinzu kommen sollen Wellen- und Gezeitenkraftwerke sowie neue Technologien, etwa schwimmende Wind- und Solaranlagen.
EU-Parlament: Parliament raises alarm on future construction of offshore windfarms
EMFAF: nachhaltigere Fischerei oder business as usual?
Außerdem bestätigten die EU-Parlamentarier*innen das Trilogergebnis zum Europäischen Meeres-, Fischerei- und Aquakulturfonds (EMFAF). Im Dezember hatten das EU-Parlament, die Mitgliedstaaten und die EU-Kommission einen Kompromiss erzielt (EU-News vom 07.12.2020), den das Parlament am Dienstag formal billigte. Der EMFAF umfasst 6,1 Milliarden Euro und ist Teil des Mehrjährigen Finanzrahmens 2021-2027. Der Fonds solle zu Investitionen führen, um den Sektor „wettbewerbsfähiger zu machen und die Entwicklung einer nachhaltigen blauen Wirtschaft, neuer Märkte und Technologien zu unterstützen“. Der Schutz und die Wiederherstellung von Biodiversität sei ebenfalls eine Priorität. Mindestens 15 Prozent der nationalen Zuweisungen müssten für Maßnahmen zur Förderung der Fischereikontrolle und Datenerfassung sowie zur Bekämpfung der illegalen und unregulierten Fischerei ausgegeben werden.
Die Umweltschutzorganisation BirdLife Europe kritisierte die Annahme durch das Parlament. Denn der EMFAF werde weiterhin umweltschädliche Praktiken in der Fischereiwirtschaft subventionieren. Damit verstoße er direkt gegen Verpflichtungen der Welthandelsorganisation (WTO), die die Abschaffung aller schädlichen Fischereisubventionen fordert. Der Fonds widerspreche auch dem Ziel der EU, einen nachhaltigeren, die Fischbestände schonenden Fischereisektor zu schaffen und die Wettbewerbsbedingungen zugunsten der Kleinfischerei anzupassen.
EU-Parlament: €6.1 billion to promote sustainable fisheries and safeguard fishing communities
BirdLife Europe: European Parliament approves budget to continue the destruction of nature at sea
Dritte Abstimmung: Antarktis schützen
Die EU-Parlamentarier*innen sprechen sich in einer Resolution für die Ausweisung von Meeresschutzgebieten in der Antarktis und die Erhaltung der biologischen Vielfalt im Südlichen Ozean aus. Sie appellierten an die Parteien, die im Rahmen der Kommission zur Erhaltung der lebenden Meeresschätze der Antarktis (CCAMLR) verhandeln, endlich zwei weitläufige sogenannte Meeresschutzgebiete (MPAs) in der Antarktis einzurichten.
Die EU müsse weiterhin eine führende Rolle in den zuletzt ins Stocken geratenen Verhandlungen spielen und insbesondere die Länder überzeugen, die sich wiederholt gegen ein solches Abkommen ausgesprochen haben.
Die beiden vorgeschlagenen MPAs könnten zusammen eine Größe von circa drei Millionen Quadratkilometern haben und würden eines der größten Meeresschutzgebiete der Geschichte schaffen, heißt es in der Entschließung. Mit der Schaffung der MPAs könne die EU ihre Verpflichtungen zum Schutz der marinen Biodiversität erfüllen. Es wäre ein wichtiger Beitrag zur globalen Dimension der EU-Biodiversitätsstrategie 2030, unterstreichen die Abgeordneten.
Die am Donnerstag im Plenum angenommene Entschließung ist rechtlich nicht bindend, kennzeichnet aber die Position des Parlaments für andere Institutionen.
Nach Ansicht des Europabüros des WWF sei die überwältigende Unterstützung für diese Resolution eine klare Botschaft an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und an die Staats- und Regierungschef*innen der Welt, dass dringender Handlungsbedarf besteht, um die Lebensräume und Arten zu schützen, die für den Erhalt der antarktischen Biodiversität von entscheidender Bedeutung sind. Dr. Antonia Leroy, Leiterin der Ozeanpolitik im WWF-Europabüro, erklärte: "Ein hochrangiges Engagement im Vorfeld des jährlichen CCAMLR-Treffens ist unerlässlich, um Fortschritte bei der Einrichtung eines repräsentativen Netzwerks von MPAs im Südpolarmeer zu erzielen."
EU-Parlament: Antarctic: MEPs call for rapid solution to protect marine areas
WWF EU: A growing swell of support for historic ocean conservation
Redakteurin: Ann Wehmeyer
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Im Schwerpunkt der Juliausgabe geht es um Flüsse, Seen, Auen und deren ökologischen Zustand. Unsere Autor*innen werfen einen kritischen Blick auf die Wasserrahmenrichtlinie der EU (Juliane Grüning, DNR), den geplanten Ausbau der Oder (Sascha Maier, Rewilding Oder Delta), den Schutz des Bodensees (Marion Hammerl, Bodensee Stiftung) und beantworten Fragen zur aquatischen Biodiversität (Christian Wolter und Sonja Jähnig vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei).