Europas Meere unter Druck
Das EU-Parlament fordert mehr gemeinsame Anstrengungen gegen die zunehmend maroden Munitionsaltlasten in der Ostsee. Die Europäische Umweltagentur bescheinigt der Meeresbiodiversität einen schlechten Zustand. Die Zusammenhänge zwischen Klimawandel und Meeres- und Fischereipolitik beleuchtet der wissenschaftliche Dienst des EU-Parlaments.
Parlament fordert mehr Maßnahmen gegen Chemiewaffenrückstände in der Ostsee
Die EU-Abgeordneten haben am Dienstag in einer mit großer Mehrheit angenommenen Entschließung ihre „ernste Besorgnis“ über die Munitionsaltlasten in der Ostsee und deren potenziell schwerwiegenden Umweltauswirkungen zum Ausdruck gebracht. Das Parlament fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, alle möglichen Finanzierungsquellen zu mobilisieren, um das Ausmaß der Kontamination zu kartieren, einen Sanierungsplan zu entwickeln und Bereitschaftspläne für Umweltnotfälle zu erarbeiten.
Das Interreg-Programm für den Ostseeraum 2021-2027 solle genutzt werden, um die Finanzierung der Projekte CHEMSEA, DAIMON und DAIMON 2 fortzusetzen, die zur Untersuchung der aktuellen Situation in der Ostsee bereits beigetragen haben. EU-Akteure auf nationaler und transnationaler Ebene sollten aus Sicht des Plenums die von der NATO ergriffenen Maßnahmen gegen versenkte Munition in der Ostsee unterstützen. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurden mindestens 50.000 Tonnen gefährlicher Stoffe (zum Beispiel Nervenkampfstoffe und Tränengas) in die Ostsee verklappt, wo sie sich weiterhin langsam abbauen und über kontaminierte Lebensmittel eine Gefahr für den Menschen sowie das marine Ökosystem darstellen. Aufgrund ihrer langsamen Wasserströmung hat die eingeschlossene Ostsee nur eine begrenzte Kapazität zur Selbstreinigung und ist bereits jetzt eines der am stärksten verschmutzten Meere der Welt.
Schleswig-Holsteins Umweltminister Jan Philipp Albrecht (Grüne) hatte laut Medienberichten kürzlich angesichts der erwarteten Kosten für die Bergung von Munitionsaltlasten aus Nord- und Ostsee in Höhe eines dreistelligen Millionenbetrags für die Küstenländer um finanzielle Unterstützung des Bundes gebeten.
Europäische Umweltagentur: Europas Meeresbiodiversität weiterhin unter Druck
In einem ausführlichen Briefing hat die Europäische Umweltagentur (EEA) den aktuellen – und äußerst bedenklichen – Zustand der Biodiversität in Europas Meeren zusammengefasst. Die wichtigsten Erkenntnisse der EEA:
- Das Leben im Meer ist in allen europäischen Meeren bedroht. Vielfältige Belastungen wirken sich auf Arten und Lebensräume aus und führen zu kumulativen Auswirkungen auf die Meere, die die allgemeine Widerstandsfähigkeit verringern.
- Ein hoher Anteil der bewerteten marinen Arten und Lebensräume befindet sich weiter in einem "ungünstigen Erhaltungszustand". Bei vielen Bewertungen ist der Erhaltungszustand "unbekannt".
- Wo konsequente, langfristige Managementmaßnahmen umgesetzt und überwacht werden, sind einige positive Auswirkungen auf wichtige Arten zu beobachten.
- Mit dem politischen Rahmen für den Green Deal der EU und der EU-Biodiversitätsstrategie bis 2030 unternimmt Europa einen ehrgeizigen Schritt, um den Verlust der (marinen) Biodiversität zu stoppen und gesunde, blühende Meere für die Zukunft zu sichern.
Seit 2007 habe sich nicht viel verbessert, analysiert die EEA. Anzeichen von Stress seien auf allen Ebenen sichtbar – von Veränderungen in der Zusammensetzung der marinen Arten und Lebensräume bis hin zu einer Veränderung der allgemeinen physikalischen und chemischen Eigenschaften der Meere.
Europas Meere bedecken mehr als 11 Millionen Quadratkilometer Fläche und reichen von flachen, halbgeschlossenen Meeren bis hin zu riesigen Ausdehnungen der Tiefsee. Sie beherbergen ein breites und äußerst vielfältiges Spektrum an Küsten- und Meeresökosystemen mit einer großen Vielfalt an Lebensräumen und Arten.
Briefing: EU-Klimamaßnahmen beim Meeresschutz und in der Fischereipolitik
Der Wissenschaftliche Dienst des EU-Parlaments (European Parliamentary Research Service - EPRS) hat zusammengefasst, in welchen Gesetzesinitiativen und Politikmaßnahmen der Meeres- und Fischereipolitik Klimaschutzmaßnahmen eine Rolle spielen. Aber auch umgekehrt werden die Auswirkungen des Klimawandels auf Ernährungssicherheit und Küstenschutz behandelt, und welche Auswirkungen andere Formen der Energieerzeugung auf den Fischereisektor haben. Unter anderem werden behandelt: der Europäische Green Deal, Klimaneutralität bis 2050, die neue "Farm to fork"-Strategie, die bevorstehende Aktualisierung der strategischen Leitlinien zur Aquakultur, die Überprüfung der Gemeinsamen Fischereipolitik im Jahr 2022, de EU-Biodiversitätsstrategie mit dem verbindlichen Ziel von 30 Prozent Meeresschutzgebieten in EU-Gewässern bis 2030 und das Ziel von 300 Gigawatt an Offshore-Windkapazitäten bis 2050. [jg]
Munitionsaltlasten
Pressemitteilung EU-Parlament: Parliament calls for more action on chemical weapons residue in the Baltic
Berichterstattung über Reaktion Albrecht auf n-tv (dpa)
EEA: Europe’s marine biodiversity remains under pressure
EP-Briefing: EU climate action in ocean governance and fisheries policy
Unterwasserlärm
UBA: Unterwasserlärm betrifft Pinguine genauso wie Wale und Delfine
Ein vom Umweltbundesamt (UBA) gefördertes deutsch-dänisches Forschungsprojekt hat erstmals das Hörvermögen von Pinguinen erforscht. Es zeigt, dass auch Pinguine, genau wie Wale und Robben, im Meer hören und auf Lärm reagieren. Hörkurven von Pinguinen zeigten, wie gut die Tiere in unterschiedlichen Frequenzbereichen hören. Erste Ergebnisse zeigten zudem, dass Pinguine bereits bei relativ leisen Geräuschen erschrecken und von der Schallquelle wegschwimmen, so das UBA. Untersuchungen an Pinguinen in freier Wildbahn unterstützten diese Ergebnisse. Dort habe der Einsatz seismischer Airguns in 100 Kilometer Entfernung dazu geführt, dass die untersuchten Pinguine ein Nahrungsgebiet nicht mehr aufsuchten. Während Lärm für Menschen bereits auf der Ebene des Störens geregelt sei, fehlten solche Schutzkonzepte für den größten Teil des marinen Lebens. Dirk Messner, Präsident des Umweltbundesamtes: „Unterwasserlärm überschreitet alle Grenzen. Wir brauchen dafür eine politische Lösung auf EU- und auch auf internationaler Ebene.“ Die Ergebnisse des Forschungsprojektes wurden innerhalb der Woche gegen Lärm im Meer präsentiert. Weiterlesen